Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Marco F*****, geboren am 4. Oktober 1956, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Köhler, öffentlicher Notar in Wien, wegen Grundbuchshandlungen in der EZ 2693 Grundbuch ***** unter Beteiligung 1. des Mag. Klaus R*****, und 2.) der F***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, infolge des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. April 2008, AZ 47 R 6/08t, womit infolge der Rekurse des Mag. Klaus R***** und der F***** AG der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 30. Oktober 2007, TZ 5060/07, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Grundbücherliche Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsanteile der EZ 2693 ***** ist die V***** GesmbH, die mit Kaufvertrag vom 18. 4. 2007 ihre Liegenschaftsanteile an die F********** GESELLSCHAFT M.B.H. (in der Folge: F*****) verkaufte. Deren Eigentumsrecht wurde nicht bücherlich einverleibt. Als Zwischenerwerberin veräußerte sie mit Kaufvertrag vom 7. 8. 2007 die Liegenschaftsanteile an den nunmehrigen Antragsteller und Rechtsmittelwerber. Im letztgenannten Kaufvertrag gab dieser die eidesstattliche Erklärung ab, italienischer Staatsbürger und somit EU-Bürger zu sein. Ein Nachweis dieses Umstands unterblieb.
Unter Punkt VII des erstbezeichneten Kaufvertrags gab die F***** als Käuferin folgende Erklärung ab:
„Der Repräsentant der kaufenden Partei erklärt an Eidesstatt, dass die F***** GESELLSCHAFT M.B.H. ihren satzungsgemäßen Sitz im Inland hat und alle Anteile an der genannten Gesellschaft ausschließlich von Schweizer Aktiengesellschaften gehalten werden.“
An derselben Vertragsstelle wird weiters ausgeführt:
„Gemäß Artikel 25 im Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit gemäß Verordnung (EG) Nr. 1606/98 (Amtsblatt der EG L 114 vom 30. 04. 2002) bedarf daher der gegenständliche Kaufvertrag keiner Ausländergrundverkehrsgenehmigung.“
Den Kaufvertrag unterfertigte seitens der Käuferin deren selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer Wolfgang W***** mit notarieller Beglaubigung und Bestätigung seiner Funktion gemäß § 89a NO, die lautet: „Aufgrund der heutigen Einsichtnahme in das Firmenbuch wird gemäß § 89a NO bestätigt, dass Herr Wolfgang W***** heute berechtigt ist, die unter FN ***** eingetragene F***** GESELLSCHAFT M.B.H. mit dem Sitz in Wien selbständig zu vertreten.“
Während das Erstgericht das Gesuch um Verbücherung des Kaufvertrags (sowie anderer Grundbuchshandlungen) bewilligte, änderte das Rekursgericht die Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Grundbuchsgesuchs ab und begründete dies - zusammengefasst - wie folgt:
Gemäß § 5 Abs 3 des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes LGBl 1998/11 idgF (im Folgenden: WrAuslGEG) habe ein Erwerber einer Liegenschaft seine Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Für einen solchen Nachweis reiche eine eidesstättige Erklärung nicht aus. Vielmehr sei die Vorlage einer Staatsbürgerschaftsurkunde erforderlich, was auch für österreichische Staatsbürger gelte. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Erwerb durch Bürger eines EU-Mitgliedstaats von der Genehmigungspflicht der Grundverkehrsbehörde ausgenommen sei (5 Ob 58/04x), also die Vorlage einer Negativbestätigung der Grundverkehrsbehörde nicht erforderlich sei. Der Nachweis der Staatsangehörigkeit müsse aber jedenfalls erbracht werden.
Im Weiteren vermisste das Rekursgericht eine § 5 Abs 3 WrAuslGEG entsprechende Erklärung der Zwischenerwerberin. Auch für deren Eigentumserwerb müssten sämtliche Voraussetzungen vorliegen. Sei demnach der Erwerber eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland, hätten deren statutengemäß zur Vertretung nach außen berufene Organe eine verbindliche Erklärung darüber abzugeben, ob und in welchem Ausmaß Ausländer iSd § 2 Z 1 oder 2 WrAuslGEG an der juristischen Person oder der Personengesellschaft beteiligt seien. Gemäß Art 25 im Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit gemäß Verordnung (EG) Nr 1606/98 (ABl 2002 L 114 vom 30. 4. 2002) bedürfe der Kaufvertrag keiner Ausländergrundverkehrsgenehmigung. Demnach wären Schweizer Aktiengesellschaften inländischen Aktiengesellschaften gleichzuhalten. Doch fehle eine Erklärung darüber, ob und in welchem Ausmaß wiederum Ausländer an den Schweizer Aktiengesellschaften, die sämtliche Anteile der F***** hielten, beteiligt seien. Für die an der Zwischenerwerberin beteiligten Kapitalgesellschaften hätten ebenfalls die Definitionen des WrAuslGEG zu gelten. Jede andere Auslegung würde „gegen den Sinn dieses Grunderwerbsgesetzes sprechen und der Umgehung der Beschränkung des Ausländergrunderwerbs Tür und Tor öffnen“.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil der Antrag schon mangels Vorlage eines Staatsbürgerschaftsnachweises abzuweisen gewesen sei. Den übrigen Rechtsfragen komme damit keine erhebliche Bedeutung mehr zu.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Bewilligungsbeschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts erweist sich der Revisionsrekurs als zulässig, weil der von Amts wegen zu behandelnde weitere Abweisungsgrund (§ 95 Abs 3 GBG) vom Rekursgericht unrichtig beurteilt wurde. Insoweit liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor (RIS-Justiz RS0029353; RS0042767).
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
1. Liegenschaftserwerber sind nach § 5 Abs 3 Satz 1 WrAuslGEG verpflichtet, ihre Staatsangehörigkeit „nachzuweisen“, um darzutun, dass kein genehmigungspflichtiger Grunderwerb durch Ausländer vorliegt. Dazu entspricht es ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die in einem Kaufvertrag abgegebene Erklärung, eine bestimmte Staatsbürgerschaft zu besitzen, keinen Nachweis, sondern nur eine Behauptung darstellt (vgl RIS-Justiz RS0078981; vgl auch 3 Ob 258/06x). Ist der Nachweis der Inländereigenschaft oder einer Staatsbürgerschaft, die dieser gleichgestellt ist, erforderlich, kann er nur durch die Vorlage einer diese Tatsachen bestätigenden öffentlichen Urkunde erbracht werden (5 Ob 114/02d). Eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung ist im Erfordernis des Staatsbürgerschaftsnachweises nach § 5 Abs 3 WrAuslGEG schon deshalb nicht gegeben, weil dieses Erfordernis auch für Österreicher gilt (vgl RIS-Justiz RS0078981; 5 Ob 114/02d; 5 Ob 91/10h).
Die vom Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 58/04x ist nicht einschlägig. Sie hatte die Unzulässigkeit der Beschränkung von Grunderwerb durch EU-Ausländer in landesgesetzlichen Bestimmungen zum Gegenstand, während es hier beim ersten Abweisungsgrund um den Nachweis der Tatsache der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaats geht.
Damit ist der primäre Abweisungsgrund vom Rekursgericht zutreffend in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung bejaht worden.
2. Was den Inhalt und die Form der nach § 5 Abs 3 Satz 2 WrAuslGEG notwendigen Erklärung juristischer Personen oder rechtsfähiger Personengesellschaften mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland betrifft, hat der erkennende Senat zu 5 Ob 52/08w (NZ 2009, 58) bereits ausführlich die erforderlichen Klarstellungen getroffen: Es genügt demnach eine verbindliche Erklärung der statutengemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe (dort wie hier: Geschäftsführer) darüber, ob und in welchem Ausmaß Ausländer iSd § 2 Z 1 oder 2 WrAuslGEG an der juristischen Person beteiligt sind (RIS-Justiz RS0078981). Eine weitergehende Definition von Ausländern ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es wird also nur formal auf die Ausländereigenschaft in der „ersten Beteiligungsstufe“ abgestellt. Die vom Rekursgericht befürwortete extensive Auslegung des § 2 Z 3 WrAuslGEG, wonach auch noch die Gegebenheiten in der „zweiten Beteiligungsstufe“ zu prüfen wären, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt (vgl dazu ausführlich 5 Ob 52/08w mwN).
Dieser Voraussetzung genügt die oben zitierte, im Kaufvertrag von der Zwischenerwerberin durch ihren Geschäftsführer abgegebene Erklärung, wobei auch dessen Vertretungsbefugnis notariell bestätigt ist.
Der vom Rekursgericht bejahte zweite Grund für die Abweisung des Grundbuchsgesuchs ist also nicht gegeben.
3. Hingegen liegt ein weiterer, vom Rekursgericht unrichtig beurteilter Abweisungsgrund vor:
Im außerordentlichen Revisionsrekurs stützt sich die Antragstellerin auch darauf, dass das oben zitierte Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz der Zwischenerwerberin ein unbeschränktes Recht zum Liegenschaftserwerb in Österreich ermögliche, ohne dass dieses Rechtsgeschäft einer behördlichen Genehmigung oder einer sogenannten Negativbestätigung bedürfte.
Ausländer iSd § 1 WrAuslGEG sind zufolge dessen § 2 Abs 3 auch juristische Personen mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland, an denen Ausländer (natürliche oder juristische Personen) überwiegend beteiligt sind.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 4. 11. 2008 zu 5 Ob 162/08x in einer Grundbuchsache der im gegenständlichen Verfahren als Zwischenerwerberin auftretenden F***** auf Verbücherung von Liegenschaftsanteilen derselben Liegenschaft dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1.) Ist Art 25 Anhang (Anh) I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, Abl 2002 L/114/6 vom 30. 4. 2002 (EG-Abk Schweiz 2002) so auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien angeordnete Gleichstellung mit Inländern ausschließlich für natürliche Personen gilt, nicht aber für Gesellschaften?
2.) Bei Bejahung von Frage 1).
Sind die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes (WrAuslGEG), die bei Erwerb von Immobilien durch ausländische Gesellschaften im Sinne des § 2 Z 3 WrAuslGEG die Vorlage einer Bestätigung über die nicht gegebene Genehmigungspflicht fordern (§ 5 Abs 4 WrAuslGEG, § 3 Z 3 WrAuslGEG), eine nach Art 57 Abs 1 EG [nun Art 64 Abs 1 AEUV] gegenüber der Schweiz als Drittland zulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art 56 EG [nun Art 63 AEUV])?“
Das gegenständliche Verfahren wurde bis zur Entscheidung des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über diesen Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen (5 Ob 159/08f vom 25. 11. 2008).
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr: Gerichtshof der Europäischen Union) hat am 11. 2. 2010 in der Rechtssache C-541/08 mit Urteil über dieses Vorabentscheidungsersuchen entschieden. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. 11. 2009 Grimme (C-351/08), in welcher die grundsätzlichen Fragen der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen nach dem zitierten Abkommen behandelt wurden, hat der Gerichtshof erkannt:
„1.) Art 25 des Anhangs I des am 21. 6. 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ist dahin auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien vorgeschriebene Inländergleichbehandlung nur für natürliche Personen gilt.
2.) Art 64 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes vom 3. März 1998, nach denen Ausländer im Sinne dieses Gesetzes beim Erwerb von im Land Wien belegenen Immobilien eine entsprechende Genehmigung einholen oder aber eine Bestätigung vorlegen müssen, dass die in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit vorliegen, eine gegenüber der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Drittland zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.“
Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich daraus:
Voraussetzung für die Eintragung des Antragstellers als Letzterwerber ist, dass für jedes einzelne Erwerbsgeschäft verbücherungsfähige Urkunden vorgelegt werden, also eine geschlossene Kette von entsprechenden Urkunden, die für die Einverleibung der außerbücherlichen Vormänner notwendig gewesen wären, nachzuweisen ist (vgl RIS-Justiz RS0060699; vgl auch 5 Ob 14/04a = SZ 2004/45). Auch hinsichtlich allenfalls erforderlicher Genehmigungen darf der Sachverhalt nicht anders beurteilt werden, als wenn jedes einzelne Erwerbsgeschäft gesondert zur Verbücherung gelangt wäre. Daher ist auch für jeden einzelnen Zwischenerwerb eine Entscheidung der Grundverkehrsbehörde erforderlich (vgl 5 Ob 114/02d; 5 Ob 247/02p; 5 Ob 91/10h; RIS-Justiz RS0060662), die hier ursprünglich fehlte.
Dass inzwischen eine (dem Revisionsrekurs als Beilage angeschlossene) „Bestätigung“ der Wiener Ausländergrundverkehrsbehörde vorgelegt wurde, ist im Rechtsmittelverfahren nicht zu berücksichtigen (§ 122 Abs 2 GBG).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
7 Grundbuchsachen,EuroparechtTextnummer
E94430European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00090.10M.0622.000Im RIS seit
07.08.2010Zuletzt aktualisiert am
05.12.2011