Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Spreitzer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ilir C***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ilir C*****, Sufjan H***** und Osman Ca***** sowie die den Angeklagten C***** betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 18. September 2009, GZ 35 Hv 167/08h-114, sowie die Beschwerden des Angeklagten C***** und der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 4, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche der Angeklagten enthält - wurden Ilir C***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB (A I und II), Sufjan H***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 4 dritter Fall StGB (B) und Osman Ca***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (A), der Vergehen der Annahme, der Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (C 1 und 2) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffenG (C 3) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung -
A.) fremde bewegliche Sachen nachgenannten Verfügungsberechtigten jeweils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, nämlich
I. am 7. August 2008 in B***** Osman Ca***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Fatos Ha***** und einem bislang Unbekannten als unmittelbare Täter sowie Ilir C***** als Beitragstäter durch das Leisten von Chauffeur- und Aufpasserdiensten, Verfügungsberechtigten des G***** vermögenswertes Gut in unbekanntem Wert dadurch wegzunehmen versucht, dass sie mit Einbruchswerkzeug in das Golfclubheim einzudringen versuchten;
II. ...
wobei Ilir C***** diese Diebstähle durch Einbruch als Beitragstäter (I. und II.) in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;
B.) Sufjan H***** am 16. August 2008 in G***** den unbekannten Täter eines am 15. August 2008 in Linz zum Nachteil der Anzelika S***** begangenen Einbruchsdiebstahls, bei welchem durch Einsteigen über ein Fenster, Aufbrechen einer Verbindungstür und Abmontieren eines Tresors Schmuck, eine Sonnenbrille und 5 Parfums im Wert von insgesamt ca 1.000 Euro samt Tresor gestohlen worden waren, nach der Tat dabei unterstützt, den Tresor, den der unmittelbare Täter durch den Einbruchsdiebstahl erlangt hat, zu verheimlichen, indem er den Tresor an der G*****straße über eine steil abfallende, bewaldete Böschung warf, wobei die Tat, durch die dieser Tresor erlangt worden war, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, und Sufjan H***** die Umstände, die diese Strafdrohung begründen, kannte;
C.) Osman Ca***** am 23. April 2008 in Salzburg
1. einen durch Lichtbildwechsel verfälschten slowenischen Reisepass mit der Individualnummer *****, sohin eine besonders geschützte ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist (§ 224 StGB), mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich zum Beweis seiner Identität, gebraucht werde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die der Zweitangeklagte auf Z 1, 5, 10 sowie 11 und der Drittangeklagte auf Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO stützt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten C*****:
Ilir C***** hat durch seinen Verteidiger gleich nach Urteilsverkündung (ON 113 S 37) und auch zusätzlich mittels Schriftsatzes (ON 119) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet, diese Rechtsmittel aber unausgeführt gelassen. Nichtigkeitsgründe hat er zu keiner Zeit deutlich und bestimmt bezeichnet (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten H*****:
Der auf die frühere Rechtslage rekurrierende Einwand (Z 1) nicht gehöriger Besetzung des Schöffengerichts geht fehl. Denn mit dem am 17. Juni 2009 kundgemachten und am 1. Juni 2009 - somit rückwirkend (§ 514 Abs 5 erster Satz StPO) - in Kraft getretenen BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, wurde der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem (Berufs-)Richter und zwei Schöffen zu bestehen hat. Die Mitwirkung (bloß) eines Berufsrichters neben den zwei Laienrichtern an der Verhandlung und Urteilsfällung am 27. August 2009 entsprach daher §§ 32 Abs 1 letzter Satz, 40 Abs 1 letzter Satz StPO (12 Os 4/10w mwN).
Der Mängelrüge (Z 5) entgegen ist die Begründung der Erstrichter (US 36 - Art des Gegenstands und der „Entsorgung“ desselben) für die Feststellung der im Sinne von § 164 Abs 4 dritter Fall StGB qualifizierten subjektiven Tatseite (US 15) weder unlogisch noch empirisch unhaltbar (und somit nicht willkürlich - Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) sowie - weil keine Aussage oder Urkunde wiedergegeben wird - schon gar nicht aktenwidrig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467; RIS-Justiz RS0099492, RS0099431, RS0099524).
Die in Richtung unqualifizierter Hehlerei ausgeführte Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht die gerade erwähnten Feststellungen (US 15) und entzieht sich damit meritorischer Erwiderung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).
Die Sanktionsrüge (Z 11 [erster Fall]) gegen die Nichtanwendung des § 31 StGB bezüglich des „Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juni 2009 ... 40 Hv 39/09z“ (richtig: 40 Hv 30/09z) lässt außer Acht, dass dieses der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen ist (vgl Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 3a und 27), und bleibt auch den Hinweis auf dessen Vorkommen in der Hauptverhandlung schuldig (12 Os 62/03, SSt 2003/56; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600) - was übrigens bei Blick in die VJ-Register nicht verwundert, wurde das erwähnte Vor-Urteil doch erst am 3. März 2010 - also innerhalb des Rechtsmittelverfahrens der angefochtenen Entscheidung (siehe zum daraus folgenden weiteren Vorgehen Fabrizy, StPO10 § 31 Rz 10) - rechtskräftig (AZ 9 Bs 408/09b des Oberlandesgerichts Linz).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten Ca*****:
Die Behauptung formeller Urteilsnichtigkeiten (Z 5, 5a) zielt auf die Spekulation des Rechtsmittelwerbers, er und seine Mittäter seien bei der im Schuldspruch A I erwähnten Tat freiwillig vom Versuch zurückgetreten.
Die Erstrichter haben sich mit den Beweisergebnissen zu diesem Faktum und speziell mit dem kritisierten Punkt ausführlich und eingehend auseinandergesetzt (US 19 f, 25 f), ohne verhalten gewesen zu sein, den vollständigen Inhalt sämtlicher Verfahrensergebnisse im Detail erörtern zu müssen (RIS-Justiz RS0098778 [T5, T7]; Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 43). Sie haben - dem Rechtsmittelvorwurf zuwider - bedacht, dass die Täter nach einem ersten „Davonrennen“ bei einer Rückkehr zum Tatobjekt beobachtet wurden (US 25). Auf die Geschwindigkeit der endgültigen Flucht stellten sie - der Hypothese des Beschwerdeführers entgegen - keineswegs ausschließlich ab (US 25 f), sodass diesem Umstand die Erheblichkeit und sohin Erörterungsnotwendigkeit fehlt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 ff, 409 f; RIS-Justiz RS0116737). Dies gilt ebenso für den Zeitpunkt, in dem der Angeklagte C***** die unmittelbaren Täter von polizeilichen Straßenkontrollen informierte (US 25). Überdies verliert sich der Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang in Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht normierten Berufung wegen Schuld („kann keinen Einfluss ... haben“). Die Begründung für die Feststellung einer telefonischen Warnung der unmittelbaren Täter vor der starken Polizeipräsenz (US 11) findet sich im Verweis auf entsprechende sicherheitsbehördliche Ermittlungen in US 26.
Soweit der Beschwerdeführer die in Erledigung der Mängelrüge bereits erwähnten Beweisergebnisse gegen die Feststellung mangelnder Freiwilligkeit des Versuchsrücktritts (US 11 f) ins Treffen führt (Z 5a), vermag er damit beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken daran zu erwecken.
Denn der formelle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583; 12 Os 62/08x uva).
Die Subsumtionrsüge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) zu Schuldspruch 1 C kritisiert die tatrichterliche Bezugnahme auf „§ 39 PassG“ in der rechtlichen Beurteilung (US 41). Die prozessordnungsgemäße Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit besteht jedoch im Vergleich des Urteilssachverhalts (hier US 15) mit der Rechtslage, der vom Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO - hier US 5) - und nicht von den juristischen Erwägungen des Erstgerichts - auszugehen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581 f).
Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO) sei daran erinnert, dass § 2 Abs 4 Z 4 FPG unter anderem ausländische Reisepässe inländischen öffentlichen Urkunden gleichstellt (11 Os 141/07f; Kienapfel/Schroll in WK² § 224 Rz 38); die Subsumtion zu C 1 unter § 224a StGB erfolgte somit rechtsrichtig.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der (hinsichtlich des Angeklagten C***** implizierten) Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94414European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00060.10Y.0622.000Im RIS seit
05.08.2010Zuletzt aktualisiert am
05.08.2010