TE OGH 2010/6/22 5Ob91/10h

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Veröffentlicht am 22.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Zoltan S*****, geboren am 16. Mai 1975, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Köhler, öffentlicher Notar in Wien, wegen Grundbuchshandlungen in der EZ *****, KG *****, unter Beteiligung 1. des Mag. Klaus R*****, und 2. der F***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 2008, AZ 46 R 73/08p, womit infolge Rekurses des Mag. Klaus R***** und der F***** AG der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 16. November 2007, TZ 5405/07, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Grundbücherliche Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsanteile der EZ ***** KG ***** ist die V***** GesmbH, die mit Kaufvertrag vom 18. 4. 2007 ihre Liegenschaftsanteile an die F***** GESELLSCHAFT M.B.H. (in der Folge: F*****) verkaufte. Deren Eigentumsrecht wurde nicht bücherlich einverleibt. Als Zwischenerwerberin veräußerte sie mit Kaufvertrag vom 24. 9. 2007 die hier gegenständlichen Liegenschaftsanteile B-LNR 27 und B-LNR 63 an den nunmehrigen Antragsteller.

Der Antragsteller hat unter Punkt VII des Kaufvertrags vom 24. 9. 2007 an Eides statt erklärt, ungarischer Staatsbürger und somit EU-Bürger zu sein. Ein Nachweis dieser Tatsache unterblieb.

Unter Punkt VII des Kaufvertrags vom 18. 4. 2007 gab die F***** als Käuferin folgende Erklärung ab:

„Der Repräsentant der kaufenden Partei erklärt an Eides statt, dass die F***** GESELLSCHAFT M.B.H. ihren satzungsgemäßen Sitz im Inland hat und alle Anteile an der genannten Gesellschaft ausschließlich von Schweizer Aktiengesellschaften gehalten werden.“

Zur Berechtigung des Erwerbs einer inländischen Liegenschaft ohne Genehmigung der Grundverkehrsbehörde berief sich die Zwischenerwerberin - und nun auch der Antragsteller - auf Art 25 im Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit gemäß Verordnung (EG) Nr 1606/98 (ABl 2002, L 114 S 6) vom 30. 4. 2002.

Während das Erstgericht das Gesuch um Verbücherung des Kaufvertrags (sowie anderer Grundbuchshandlungen) bewilligte, änderte das Rekursgericht die Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Grundbuchsgesuchs ab:

Gemäß § 5 Abs 3 des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes LGBl 1998/11 idgF (im Folgenden: WrAuslGEG) habe ein Erwerber seine Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Dazu bedürfe es der Vorlage eines Staatsbürgerschaftsnachweises; nach ständiger Rechtsprechung reiche eine bloße Erklärung nicht aus, sie stelle nur eine entsprechende Behauptung dar. Der Antragsteller sei zwar nicht verpflichtet, iSd § 5 Abs 4 WrAuslGEG eine Negativbestätigung vorzulegen, er wäre jedoch verpflichtet gewesen, seine ungarische Staatsbürgerschaft nachzuweisen. Damit werde er als Angehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union beim Grunderwerb nicht benachteiligt, werde doch ein Nachweis der Staatsbürgerschaft auch von österreichischen Staatsangehörigen verlangt.

Überdies fehle der Nachweis eines Modus für die Zwischenerwerberin in der Titelkette. Im Kaufvertrag vom 18. 4. 2007 zwischen der bücherlichen Eigentümerin und der F***** werde die Übergabe und Übernahme der vertragsgegenständlichen Liegenschaftsteile in den rechtlichen Besitz und Genuss der kaufenden Partei Zug um Zug gegen Vorlage der Negativbestätigung im Sinn des WrAuslGEG festgelegt. Eine solche Bestätigung sei nicht notwendig, weshalb eine andere Form der Übergabe und Übernahme festzulegen gewesen wäre. Im Fall des § 22 GBG wäre auch für den Zwischenerwerber ein Modus zu vereinbaren und nachzuweisen gewesen. Das Fehlen eines entsprechenden Nachweises stelle ebenfalls ein Einverleibungshindernis dar.

Die Vorlage einer Negativbestätigung für die Zwischenerwerberin sei jedoch zufolge des Art 25 Z 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit nicht erforderlich. Die Bestimmung laute wie folgt:

„Der Staatsangehörige einer Vertragspartei, der ein Aufenthaltsrecht hat und seinen Hauptwohnsitz im Aufnahmestaat nimmt, hat hinsichtlich des Erwerbs von Immobilien die gleichen Rechte wie Inländer. Er kann unabhängig von der Dauer seiner Beschäftigung jederzeit nach den geltenden innerstaatlichen Regeln seinen Hauptwohnsitz im Aufnahmestaat nehmen. Das Verlassen des Aufnahmestaats bedingt keine Veräußerungspflicht.“

Das bedeute, dass eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, an der ausschließlich Schweizer Gesellschaften beteiligt sind, einer inländischen Gesellschaft gleichgestellt sei.

Insgesamt lägen jedoch die dargestellten Abweisungsgründe vor.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht entscheidungswesentlich seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts erweist sich der Revisionsrekurs als zulässig, weil der von Amts wegen zu behandelnde weitere Abweisungsgrund (§ 95 Abs 3 GBB) vom Rekursgericht unrichtig beurteilt wurde. Insoweit liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor (RIS-Justiz RS0029353; RS0042767).

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

1. Liegenschaftserwerber sind nach § 5 Abs 3 Satz 1 WrAuslGEG verpflichtet, ihre Staatsangehörigkeit „nachzuweisen“, um darzutun, dass kein genehmigungspflichtiger Grunderwerb durch Ausländer vorliegt. Dabei entspricht es ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die in einem Kaufvertrag abgegebene Erklärung, eine bestimmte Staatsbürgerschaft zu besitzen, keinen Nachweis, sondern nur eine Behauptung darstellt (RIS-Justiz RS0078981; vgl auch 3 Ob 258/06x). Ist der Nachweis der Inländereigenschaft oder einer Staatsbürgerschaft, die dieser gleichgestellt ist, erforderlich, kann er nur durch die Vorlage einer diese Tatsachen bestätigenden öffentlichen Urkunde erbracht werden (vgl 5 Ob 114/02d). Eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung ist im Erfordernis des Staatsbürgerschaftsnachweises nach § 5 Abs 3 WrAuslGEG schon deshalb nicht gegeben, weil dieses Erfordernis auch für Österreicher gilt (vgl RIS-Justiz RS0078981; 5 Ob 114/02d; 5 Ob 90/10m).

Die in diesem Zusammenhang vom Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 58/04x ist nicht einschlägig. Sie hatte die Unzulässigkeit der Beschränkung von Grunderwerb durch EU-Ausländer in landesgesetzlichen Bestimmungen zum Gegenstand, während es beim hier behandelten Abweisungsgrund um den Nachweis der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats geht.

Damit ist der primäre Abweisungsgrund vom Rekursgericht zutreffend in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung bejaht worden.

2. Im Weiteren entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass bei einer „Sprungeintragung“ nach § 22 GBG (vgl hiezu Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 22 GBG Rz 1) jedes einzelne Rechtsgeschäft für sich verbücherungsfähig sein muss, also für jedes einzelne Erwerbsgeschäft verbücherungsfähige Urkunden vorgelegt werden müssen (RIS-Justiz RS0060699; RS0060710; 5 Ob 14/04a = SZ 2004/45). Es muss also eine geschlossene Kette entsprechender Urkunden vorgelegt werden, die zur Einverleibung des außerbücherlichen Vormanns notwendig gewesen wären. Durch die außerbücherliche Übertragung nach § 22 GBG wird im Sinn der Lehre von Titel und Modus (§§ 380, 425 ABGB) und entsprechend dem Eintragungsgrundsatz (§ 431 ABGB) vereinfachend von der oder den Zwischeneintragungen abgesehen. Den Modus beim Eigentumserwerb unbeweglicher Sachen stellt zufolge § 431 ABGB die Einverleibung ins Grundbuch dar, von der naturgemäß im Fall von „Sprungeintragungen“ nach § 22 GBG abzusehen ist. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Übertragungen kann der letzte Übernehmer unter Nachweis seiner Vormänner seine unmittelbare Eintragung verlangen (vgl Spielbüchler in Rummel³ Rz 4 zu § 431 ABGB). Deshalb muss die zur Verbücherung dienende Urkunde nur die Voraussetzungen des § 433 ABGB iVm § 26 GBG aufweisen. Nach der wie vorbeschriebenen Natur der „Sprungeintragung“ ist der Nachweis eines Modus, der nur in der bücherlichen Einverleibung bestehen kann, für jeden einzelnen Rechtsübergang gerade nicht zu erbringen (vgl nochmals Kodek aaO mwN).

Der erkennende Senat teilt daher die vom Rekursgericht diesbezüglich angestellten Bedenken nicht. Die entsprechende Begründung trägt die Abweisung insofern nicht.

3. Allerdings liegt ein weiterer, vom Rekursgericht unrichtig beurteilter Abweisungsgrund vor:

Ausländer iSd § 1 WrAuslGEG sind zufolge dessen § 2 Abs 3 auch juristische Personen mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland, an denen Ausländer (natürliche oder juristische Personen) überwiegend beteiligt sind. Die Bestimmung des § 1 WrAuslGEG findet nur in den Fällen des § 3 Z 1 bis 4 leg cit keine Anwendung. Davon spricht der Antragsteller § 3 Z 3 WrAuslGEG an, wonach staatsvertragliche Verpflichtungen einer solchen Genehmigungsbedürftigkeit entgegenstehen. Dazu beruft sich der Antragsteller auf die zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und der Schweiz getroffene staatsvertragliche Regelung des oben zitierten EG-Abk Schweiz 2002.

Gerade dieses bietet aber keine Grundlage für einen genehmigungsfreien Rechtserwerb an Liegenschaften durch eine österreichische Gesellschaft, an der ausschließlich Schweizer Gesellschaften beteiligt sind:

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 4. 11. 2008 zu 5 Ob 162/08x in einer Grundbuchsache der im gegenständlichen Verfahren als Zwischenerwerberin auftretenden F***** auf Verbücherung des Eigentumsrechts an Liegenschaftsanteilen derselben Liegenschaft dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft gemäß § 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1.) Ist Art 25 Anhang (Anh) I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ABl 2002 L 114, 6 vom 30. 4. 2002 (EG-Abk Schweiz 2002) so auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien angeordnete Gleichstellung mit Inländern ausschließlich für natürliche Personen gilt, nicht aber für Gesellschaften?

2.) Bei Bejahung von Frage 1.)

Sind die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes (WrAuslGEG), die bei Erwerb von Immobilien durch ausländische Gesellschaften im Sinn des § 2 Z 3 WrAuslGEG die Vorlage einer Bestätigung über die nicht gegebene Genehmigungspflicht fordern (§ 5 Abs 4 WrAuslGEG, § 3 Z 3 WrAuslGEG), eine nach Art 57 Abs 1 EG [nun: Art 64 Abs 1 AEUV] gegenüber der Schweiz als Drittland zulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art 56 EG [nun Art 63 AEUV])?“

Das gegenständliche Verfahren wurde bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über diesen Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen (5 Ob 194/08w vom 25. 11. 2008).

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr: Gerichtshof der Europäischen Union) hat am 11. 2. 2010 in der Rechtssache C-541/08 mit Urteil über dieses Vorabentscheidungsersuchen entschieden. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. 11. 2009 Grimme (C-351/08), in welcher die grundsätzlichen Fragen der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen nach dem zitierten Abkommen behandelt wurden, hat der Gerichtshof erkannt:

„1.) Art 25 des Anhangs I des am 21. 6. 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ist dahin auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien vorgeschriebene Inländergleichbehandlung nur für natürliche Personen gilt.

2.) Art 64 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes vom 3. März 1998, nach denen Ausländer im Sinne dieses Gesetzes beim Erwerb von im Land Wien belegenen Immobilien eine entsprechende Genehmigung einholen oder aber eine Bestätigung vorlegen müssen, dass die in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit vorliegen, eine gegenüber der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Drittland zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.“

Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich daraus Folgendes:

Voraussetzung für die Eintragung des Antragstellers als Letzterwerber ist, dass für jedes einzelne Erwerbsgeschäft verbücherungsfähige Urkunden vorgelegt werden, was auch hinsichtlich allenfalls erforderlicher Genehmigungen gilt. Auch hier darf der Sachverhalt nicht anders beurteilt werden, als wenn jedes einzelne Erwerbsgeschäft gesondert zur Verbücherung gelangt wäre. Daher ist auch für jeden einzelnen Zwischenerwerb eine Entscheidung der Grundverkehrsbehörde erforderlich (vgl in diesem Sinn 5 Ob 114/02d; 5 Ob 247/02p; 5 Ob 90/10m; RIS-Justiz RS0060662), die hier ursprünglich fehlte. Dass inzwischen eine (dem Revisionsrekurs als Beilage angeschlossene) „Bestätigung“ der Grundverkehrsbehörde vorgelegt wurde, ist im Rechtsmittelverfahren nicht zu berücksichtigen (§ 122 Abs 2 GBG).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

7 Grundbuchsachen,Europarecht

Textnummer

E94495

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00091.10H.0622.000

Im RIS seit

16.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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