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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Juli 1998, Zl. MA 15-II-G 19/98, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: J in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die A.L.L. Media G. GmbH, deren einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer seit 2. Dezember 1997 Dr. Franz B. ist, schuldet der Beschwerdeführerin auf Grund des Rückstandsausweises vom 6. April 1998 für die Beitragszeiträume 12/96 und 1/97 Beiträge samt Verzugszinsen und Nebengebühren von insgesamt S 33.103,36. Der Mitbeteiligte war vom 23. September bis 2. Dezember 1997 Geschäftsführer der genannten GesmbH. Auf Grund des genannten Rückstandsausweises wurde der Beschwerdeführerin die Fahrnisexekution bewilligt. Der Vollzug derselben an der der Beschwerdeführerin bekannten Adresse der GmbH in Wien verlief erfolglos; nach dem Bericht des als Exekutionsgericht einschreitenden Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ist die genannte GmbH an eine bestimmt bezeichnete Adresse nach K. verlegt worden. Nach dem Bericht des als Exekutionsgericht einschreitenden Bezirksgerichtes K. konnte die bewilligte Fahrnisexekution nicht vollzogen werden, weil die verpflichtete Partei (die genannte GmbH) "verzogen ist". Der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist nach Auskunft des Zentralmeldeamtes der Bundespolizeidirektion Wien an der zuletzt gemeldeten Adresse "nach unbekannt wohin" abgemeldet worden.
Die Beschwerdeführerin verpflichtete mit Bescheid vom 15. April 1998 den Mitbeteiligten als Vertreter der Beitragsschuldnerin gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im genannten Betrag zu bezahlen. In der Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, der Mitbeteiligte sei als Geschäftsführer zur Vertretung der Beitragsschuldnerin berufen. Zu seinen Pflichten gehöre es, dafür zu sorgen, dass die Beiträge ordnungsgemäß entrichtet werden. Da dies schuldhaft unterblieben sei und die Beiträge nicht eingebracht werden könnten, sei die Haftung des Mitbeteiligten auszusprechen gewesen.
Der Mitbeteiligte erhob Einspruch.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den bekämpften Bescheid der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe als Nachweis der Uneinbringlichkeit lediglich einen Bericht des Bezirksgerichtes K., wonach die Pfändung bei der Beitragsschuldnerin nicht vollzogen werden konnte, weil diese verzogen sei, sowie eine Anfrage an das Zentralmeldeamt der Bundespolizeidirektion Wien, wonach der derzeitige Geschäftsführer unbekannt verzogen sei, vorgelegt. Damit sei kein ausreichender Nachweis vorhanden, dass der dem Mitbeteiligten vorgeschriebene Haftungsbetrag bei der Beitragsschuldnerin zur Gänze oder zumindest teilweise uneinbringlich geworden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe nachgewiesen, dass die Exekution gegen die Beitragsschuldnerin mangels eines Betriebs- oder sonstigen Zustellortes erfolglos gewesen sei und das die Anschrift des Geschäftsführers nicht feststellbar sei. Aus diesem Grunde könne auch in einem Verfahren nach § 47 EO kein Vermögen der Beitragsschuldnerin festgestellt werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zlen. 93/08/0259 bis 0261) ausgeführt hat, normiert § 67 Abs. 10 ASVG - seit der am 1. Jänner 1990 wirksamen Neufassung dieser Bestimmung durch die 48. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 642/1989 - eine Ausfallshaftung dergestalt, dass der danach Haftungspflichtige jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden darf, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist daher die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Bescheid vom 15. April 1998 die Feststellung traf, die im Rückstandsausweis angeführten Beiträge samt Nebengebühren hätten nicht eingebracht werden können. Der Mitbeteiligte ging auf diese Feststellung in seinem Einspruch mit keinem Wort ein. Die belangte Behörde hätte nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie unter diesen Umständen von der gänzlichen Uneinbringlichkeit der Beiträge ausgegangen wäre.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Bescheid die Feststellung, die Beiträge seien bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich, auf Grund eines - von der belangten Behörde zu Recht nicht als mangelhaft angesehenen - Verfahrens und einer schlüssigen Beweiswürdigung getroffen. Aus den Berichten der als Exekutionsgerichte einschreitenden Bezirksgerichte ergibt sich, dass die Beitragsschuldnerin an den der Beschwerdeführerin anhand des Firmenbuchauszuges bekannt gewordenen Anschriften keine Betriebsstätte unterhält und dass darüber hinaus auf Grund dieser Exekutionsverfahren eine neue Betriebsstätte nicht festgestellt werden konnte. Zusätzlich hat die Beschwerdeführerin Ermittlungen über den Aufenthaltsort des derzeitigen Geschäftsführers angestellt und lediglich zu Tage gefördert, dass dieser unbekannten Aufenthaltes ist. Wenn die Beschwerdeführerin auf Grund dieser Beweisergebnisse den Schluss zog, dass die Beiträge bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich sind, kann ihr nicht mit Erfolg entgegen getreten werden. Die Erhebungen der Beschwerdeführerin führen zur nachvollziehbaren und auch nachprüfbaren Feststellung der Aussichtslosigkeit einer zwangsweisen Einbringung der Beiträge. Damit ist aber die Uneinbringlichkeit im oben ausgeführten Sinne gegeben. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Der Schriftsatzaufwand gebührt nur der beschwerdeführenden Partei, die tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
Wien, am 24. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998080260.X00Im RIS seit
14.05.2001