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L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;Norm
ABGB §143;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der E in Innsbruck, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Colingasse 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. September 1995, Zl. Va-456-13.224/1, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 20. März 1995 beim Sozialamt der Stadt Innsbruck für sich und ihren mj. Sohn Patrick die Übernahme der Aufenthaltskosten im Tiroler Frauenhaus. Zusätzlich wurde ein Antrag auf Gewährung eines monatlichen Taschengeldes in der Höhe von S 1.110,-- gestellt. Sie begründete diesen Antrag damit, sie sei gezwungen, die eheliche Wohnung zu verlassen, da sie ihr Mann wiederholt misshandelt habe und sie und die Kinder mit Drohungen terrorisiere. Die Gesamtmiete für die Wohnung betrage ca. S 8.700,--; die Mietzinsbeihilfe S 1.490,--. Der mj. Sohn Markus und die mj. Tochter Marion erhielten jeweils eine monatliche Waisenpension. Für den mj. Sohn Daniel erhalte sie monatlich Unterhalt. Mit diesen "Einnahmen + Familienbeihilfe" habe sie bis jetzt einen Teil der Miete, Kreditrückzahlungen und dgl. bezahlt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 8. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführerin die Übernahme der Kosten für die Unterkunft im Frauenhaus ab 18. März 1995 bis 31. Mai 1995 - längstens jedoch auf die Dauer des Zutreffens der gesetzlichen Voraussetzungen - bewilligt. Dabei wurde auf die "§§ 1, 4" (gemeint offenbar: der Tiroler Sozialhilfeverordnung) hingewiesen. Die Beschwerdeführerin habe allerdings einen Selbstbehalt von monatlich S 8.618,-- (im Monat März: S 3.890,--, April: S 8.618,-- und Mai: S 6.116,--) zu den Kosten der Unterkunft/Betreuung zu tragen.
Nach der Begründung ergebe sich auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens folgende Einkommenssituation der Beschwerdeführerin: Sie erhalte für ihren Sohn Daniel S 1.900,-- Unterhalt; für den Sohn Markus und die Tochter Marion eine Waisenpension von je S 2.879,-- (x 14 : 12 = S 3.358,93). Für den Sohn Patrick sei ein Unterhalt von S 1.000,-- beantragt worden. Daraus ergebe sich ein Einkommen (ohne Sohn Patrick) von monatlich S 8.618,-- (Unterhalt). Die monatliche Miete (gemeint: der ehelichen Wohnung) betrage S 8.333,26 und die Mietzinsbeihilfe S 1.581,--. In den Unterkunftskosten im Frauenhaus sei alles inbegriffen (Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld), weshalb ein Selbstbehalt von monatlich S 8.618,-- zu leisten sei. Über die Unterkunftskosten für die eheliche Wohnung würde in einem gesonderten Bescheid entschieden werden.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Danach habe sie einen Antrag auf Übernahme der Aufenthaltskosten im Tiroler Frauenhaus nur für sich selbst und ihren Sohn Patrick gestellt. Für die drei größeren Kinder, habe sie den Aufenthalt selbst bezahlt, da sie für diese Halbwaisenpension bzw. Alimente beziehe. Im Bescheid des Sozialamtes sei das Familieneinkommen ihrer Ansicht nach so berechnet worden, als ob sie auch für die drei größeren Kinder die Kostenübernahme beantragt hätte. Anders könne sie sich den Selbstbehalt nicht erklären.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach der Begründung betrage das monatliche Einkommen der Beschwerdeführerin (ohne Sohn Patrick) S 8.618,--. Da die angefallenen Kosten im Frauenhaus sämtliche Leistungen inkludierten, sei ein Selbstbehalt von S 8.618,-- monatlich gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die vorliegende Beschwerde richtet sich lediglich gegen die unter dem Titel "Selbstbehalt" vorgenommen Anrechnung von Einkommen der Beschwerdeführerin. Diese Zuordnung sei nicht gesetzeskonform, da weder die Beschwerdeführerin noch ihr Sohn Patrick über eigenes Einkommen verfügten. Bei dem der Beschwerdeführerin angeblich zustehenden Einkommen in Höhe von S 8.618,-- handle es sich um die Waisenpension für ihre Kinder Markus und Marion sowie die Unterhaltszahlungen für den Sohn Daniel.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Soweit sich die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus Unterhaltszahlungen, welche sie für ihre Kinder erhält, zusammensetzen, bestehen zwar keine Bedenken dagegen, die Aufenthaltskosten dieser Kinder im Frauenhaus zumindest zum Teil aus diesen Mitteln zu bestreiten und daher - soweit diese Aufenthaltskosten für die Kinder in Unterhaltszahlungen gedeckt sind - die der Beschwerdeführerin verbleibende Zahllast entsprechend zu verringern. Unzulässig wäre es aber jedenfalls, die Unterhaltszahlungen für die Kinder der Beschwerdeführerin als eigenes Einkommen zur Bestreitung jener Kosten anzurechnen, die ihr für sich selbst durch ihren Aufenthalt im Frauenhaus entstanden sind, da dies auf die Annahme einer im Hinblick auf § 143 ABGB hier rechtlich nicht in Betracht kommenden Unterhaltspflicht minderjähriger Kinder gegenüber ihrer Mutter (der Beschwerdeführerin) hinausliefe.
Hingegen bestehen keine Bedenken dagegen, das der Mutter nach den Feststellungen der belangten Behörde allenfalls seitens des Frauenhauses gewährte Taschengeld als Einkommen anzurechnen und im Übrigen im Hinblick auf den im Frauenhaus erbrachten Leistungsumfang die zumutbare Eigenleistung der Beschwerdeführerin unter Beachtung des § 7 der Tiroler Sozialhilfeverordnung (SHV) in jenem Ausmaß zu bemessen, die jenem bei Heimunterbringung entspricht, sofern dabei die Bestimmungen über das der Beschwerdeführerin sozialhilferechtlich zustehende Taschengeld (vgl. § 8 SHV) beachtet werden.
Dass die Mietkosten der ehelichen Wohnung für die Monate April und Mai 1995 zur Gänze aus Sozialhilfemitteln bezahlt wurden (vgl. den weiteren Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 8. Juni 1995), bietet keine Grundlage dafür, von einem eigenen Einkommen der Beschwerdeführerin auszugehen und ihr deshalb einen begrifflich gar nicht vorgesehenen "Selbstbehalt" vorzuschreiben, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080091.X00Im RIS seit
01.02.2002