TE OGH 2010/6/24 6Ob83/10i

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Veröffentlicht am 24.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Z*****, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach R***** M*****, verstorben 31. Dezember 2007, vertreten durch E***** B*****, diese vertreten durch die Dr. Breitwieser Rechtsanwalt-Kommanditpartnerschaft in Bad Schallerbach, wegen 16.472,85 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2010, GZ 1 R 116/09y-18, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. April 2009, GZ 7 Cg 91/08f-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.123,74 EUR (darin enthalten 187,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Übergabsvertrag vom 21. 10. 2003 erhielt die Klägerin von Ing. H***** M***** 32890/270130-Anteile an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch R*****, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W 23 und zwei Terrassen im Haus U***** in S***** verbunden ist, übergeben. Auf dieser Liegenschaft war das Fruchtgenussrecht für die Ehegatten Ing. H***** und R***** M***** einverleibt.

Ing. H***** M***** verstarb am 2. 2. 2006. R***** M***** wohnte zuletzt nicht mehr in der Wohnung. Ihr Sachwalter war zunächst die Klägerin, seit Sommer 2007 Rechtsanwalt Mag. Deixler.

Am 31. 12. 2007 verstarb R***** M*****. Die erbserklärte Alleinerbin ist E***** B*****, die Schwester der Verstorbenen.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Verlassenschaft die geräumte Übergabe der im obersten Geschoß gelegenen Wohnung Top 23 im Ausmaß von ca 240 m² samt zwei Terrassen im Ausmaß von ca 150 m² samt Kellerraum und Garage sowie die Bezahlung eines angemessenen Benützungsentgelts von 3.264 EUR pro Monat.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Die Klägerin hätte als Sachwalterin die leerstehende Wohnung bereits seit Juni 2007 selbst vermieten können. Die Beklagte habe aus der Wohnung keinen Nutzen gezogen und keinen Schaden verschuldet.

In der Tagsatzung vom 8. 9. 2008 schränkte die Klägerin ihr Klagebegehren um das Räumungsbegehren ein. Am 3. 3. 2009 dehnte sie ihr Begehren auf Zahlung eines Benützungsentgelts bis zum Tag der tatsächlichen Übergabe am 25. 6. 2008 aus.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Im ersten Halbjahr 2007 versuchte die Klägerin als Sachwalterin erfolglos, eine gerichtliche Entscheidung bezüglich der Räumung, Renovierung und Vermietung der Wohnung zu erreichen. Im September 2007 übergab sie die Wohnungsschlüssel an den neu bestellten Sachwalter. In der großen Wohnung befanden sich viele, auch wertvolle Gegenstände, deren Eigentum unklar war, weil das Verlassenschaftsverfahren nach Ing. H***** M***** noch anhängig war. Zudem wären für eine Vermietung einige Sanierungsmaßnahmen notwendig gewesen. Zum Zeitpunkt des Ablebens von R***** M***** war die Wohnung im Wesentlichen geräumt.

Nach dem Ableben von R***** M***** war allerdings die Zuordnung verschiedener Wertgegenstände zu den einzelnen Verlassenschaften - einerseits nach Ing. H***** und andererseits nach R***** M***** - weiterhin strittig. Daher übergab der Sachwalter sämtliche Schlüssel dem Gerichtskommissär. Am 27. 5. 2008 fand im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens die Inventur und Schätzung der Fahrnisse statt. Danach konnte die Klägerin ab 5. 6. 2008 über die Wohnung und ab 25. 6. 2008 auch über das Kellerabteil verfügen.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Wohnung von der beklagten Partei nicht benützt worden sei. Es hätten sich nur noch wenige wertlose Gegenstände in der Wohnung befunden. Aus diesem Grund stelle die erzielbare Miete für die beklagte Partei nicht den tatsächlichen Nutzen dar.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die beklagte Verlassenschaft habe die Wohnung der Klägerin nicht benützt und daraus keine Vorteile gezogen; die Alleinerbin habe nicht einmal die Wohnungsschlüssel in ihrer Verfügungsgewalt gehabt. Vielmehr sei die Wohnung schon zu Lebzeiten von R***** M***** und auch danach weiterhin leer gestanden.

Die Weiterbenützung einer Wohnung nach Beendigung eines Mietverhältnisses sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, zumal für die Wohnungsbenützung während des aufrechten Fruchtgenussrechts auch kein gesondertes Entgelt zu zahlen gewesen sei. Wegen der schwierigen Erb- und Rechtsverhältnisse sei es der Klägerin schon vor dem Ableben von R***** M***** nicht möglich gewesen, eine Renovierung und Vermietung der Wohnung vorzunehmen. Nach der Übergabe der Wohnungsschlüssel an die Klägerin sei die Wohnung weiterhin leer gestanden, sodass es nicht sachgerecht wäre, die Beklagte wegen der späten Rückstellung der Wohnung zur Zahlung eines Benützungsentgelts für eine tatsächlich nicht benutzte, sondern leer stehende Wohnung zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 22. 3. 2010 ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, für den Fall, dass die oberstgerichtliche Judikatur zum Bestandrecht, wonach allein der Entgang der Nutzungschance des Eigentümers anspruchsbegründend sei, konsequent und ausnahmslos auch auf den vorliegenden Fall anwendbar wäre, wäre das Berufungsgericht von der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen. Eine oberstgerichtliche Judikatur zu den Rechtsfolgen der Verletzung des Rückstellungsanspruchs der Wohnungseigentümerin nach einem infolge Todes erloschenen Fruchtgenussrecht fehle.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Fruchtgenussrecht erlischt mit dem Tod des Fruchtnießers (Hofmann in Rummel, ABGB3 § 509 Rz 1 mwN). Nach Erlöschen des Fruchtgenusses hat der Eigentümer den dinglichen und obligatorischen Anspruch auf Rückstellung der dienstbaren Sache (Hofmann aaO § 519 Rz 1; RIS-Justiz RS0088537; 5 Ob 114/91). Zur Rückstellung eines unbeweglichen Bestandobjekts gehört in der Regel die Übergabe der Schlüssel und die Entfernung der Fahrnisse (RIS-Justiz RS0020765, RS0020818). Gleiches gilt sinngemäß für andere Ansprüche auf Rückstellung von Räumlichkeiten.

Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung ergibt sich aus § 1041 ABGB (RIS-Justiz RS0019883, RS0019909). Auf die tatsächlichen Benützungsverhältnisse kommt es dabei nicht an; ebenso ist nicht entscheidend, ob der Bestandgeber das Bestandobjekt nach der Räumung sofort wieder hätte vermieten können oder nicht (RIS-Justiz RS0019883, RS0019909). Diese Grundsätze ergeben sich - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - bereits aus der allgemeinen Vorschrift des § 1041 ABGB und sind grundsätzlich nicht auf Bestandverhältnisse beschränkt. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass sich hinsichtlich des Inhalts der Rückstellungsverpflichtung aus einer getroffenen Vereinbarung oder den Grundsätzen des redlichen Verkehrs etwas anderes ergeben kann (7 Ob 645/84).

Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei einem Fruchtgenussrecht im Gegensatz zu den Bestandverhältnissen, wo regelmäßig Kündigungsfristen bzw -termine vorgesehen sind, der Zeitpunkt des Eintritts der Rückstellungsverpflichtung nicht vorhersehbar ist. Sofern - wie im vorliegenden Fall - keine besonderen Vereinbarungen über die Rückstellung der dienstbaren Sache im Fall des Erlöschens des Fruchtgenussrechts getroffen wurden, ist der Vertrag ergänzend unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks und unter Heranziehung der Verkehrssitte dahin auszulegen, dass die Rückstellung nicht sofort nach Erlöschen des Fruchtgenussrechts, also bereits am Todestag, erfolgen muss, sondern der Verlassenschaft bzw den Erben eine angemessene Räumungsfrist zuzubilligen ist, wofür nicht zuletzt auch Pietätsrücksichten sprechen. Im vorliegenden Fall bestanden zusätzlich Schwierigkeiten, einzelne Fahrnisgegenstände einer der beiden Verlassenschaften zuzuordnen; auch war nicht klar, wer vertretungsbefugter Erbe ist. Jedenfalls in einer derartigen Sonderkonstellation muss der Verlassenschaft zugebilligt werden, mit der Rückstellung der Wohnung bis zur Errichtung des Inventars zuzuwarten.

Die Inventarserrichtung erfolgte am 27. 5. 2008. Bereits am 5. 6. 2008, also ca eine Woche danach, erfolgte aber eine Rückstellung durch Rückgabe der Wohnungsschlüssel. Der Zugang zum Kellerabteil war der Klägerin ab 25. 6. 2008 durch Aufbrechen des Kellerabteils möglich. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die Rückstellung der Wohnung erst etwa fünf Monate nach dem Ableben der Fruchtgenussberechtigten nicht zu beanstanden und löst daher keine Bereicherungsansprüche aus. Derartige Nachwirkungen des (dinglichen) Fruchtgenussrechts hat der Eigentümer der dienenden Liegenschaft vielmehr hinzunehmen.

Damit erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen aber als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E94584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00083.10I.0624.000

Im RIS seit

25.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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