TE OGH 2010/6/25 1R121/10m

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Veröffentlicht am 25.06.2010
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Dr. Hinger und Mag. Guggenbichler in der Rechtssache der klagenden Partei a*****, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen EUR 21.790,24 sA, über den Rekurs des Übersetzers Dr. NN gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 21.4.2010, 2 Cg 339/08a-45, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Übersetzer und die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften jeweils selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Nach Durchführung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 21.4.2009 und nach der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen verkündete die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.11.2009 (ON 16) der „J*****“ (Warrington, WA3 6RP United Kingdom) den Streit und verband damit den Antrag, die bisher vorliegenden Prozessunterlagen samt dem Gutachten beglaubigt in das Englische zu übersetzen und diesem Unternehmen mit der Aufforderung zuzustellen, auf Seiten der Beklagten dem Verfahren als Nebenintervenientin beizutreten.

Über Auftrag des Gerichts zahlte die Beklagte EUR 1.500,-- an Vorschuss für die Kosten der Übersetzung.

Mit Beschluss vom 4.1.2010 bestellte das Erstgericht Mag. H***** zum Übersetzer und beauftragte ihn, die entsprechenden Schriftstücke in die englische Sprache zu übersetzen. Da dieser Übersetzer um seine Enthebung bat, bestellte das Erstgericht mit Beschluss vom 13.1.2010 den Rekurswerber zum Übersetzer und erteilte ihm den selben Auftrag.

Am Freitag, 15.1.2010, wurde ihm der Auftrag samt den Unterlagen zugestellt. Am selben Tag teilte er dem Erstgericht per Fax mit, dass er den Übersetzungsauftrag gerne annehme, er aber der guten Ordnung halber seiner Warnpflicht nachkomme, weil die voraussichtlichen Übesetzungskosten etwa EUR 15.000,-- (fünfzehn tausend) betragen würden. Er ersuchte das Gericht, der Beklagten kurzfristig aufzutragen, einen weiteren Kostenvorschuss von EUR 13.500,-- zu zahlen. Überdies beantragte er, ihm einen Vorschuss von EUR 7.500,-- zu überweisen.

Am Montag, 18.1.2010, übermittelte das Erstgericht diese Mitteilung den Parteien und trug der Beklagten auf, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses einen weiteren Kostenvorschuss von EUR 13.500,-- zu zahlen oder zu erklären, dass der entsprechende Übersetzungsantrag zurückgenommen wird. Das Erstgericht verfügte die Zustellung dieses Beschlusses auch an den Rekurswerber mit dem Beisatz: „Sie werden ersucht, vorerst keine Tätigkeiten zu entfalten. Das Gericht wird Sie verständigen, sobald der ergänzende Kostenvorschuss erlegt wurde.“

Die entsprechende Mitteilung wurde dem Rekurswerber am Mittwoch, 20.1.2010, zugestellt. Am 20.1.2010 teilte er dem Erstgericht per Fax mit, dass er den Übersetzungsauftrag des Gerichts bereits zu etwa zwei Dritteln fertiggestellt habe und nun nach Empfang des Schreibens vom 18.1.2010 bis zum Erhalt einer weiteren Verständigung nicht weiterarbeiten werde.

Mit Schriftsatz vom 1.2.2010 teilte die Beklagte mit, dass sie die Streitverkündung zurückziehe. Mit Beschluss vom 8.2.2010 wurde der Übersetzungsauftrag widerrufen und der Rekurswerber ersucht, die zu übersetzenden Aktenstücke unter Anschluss einer Gebührennote zu retournieren.

Das Konvolut langte beim Erstgericht am 12.2.2010 ein. Gleichzeitig übermittelte der Rekurswerber eine Gebührennote über EUR 9.460,40, der im Wesentlichen 2.532 Normalzeilen zu je EUR 2,-- zugrunde liegen. Überdies enthält die Kostennote EUR 2.785,02 (netto) für die Reinschrift von 139.251 Zeichen für je EUR 2,-- pro 1.000 Zeichen.

Beide Parteien äußerten sich zu dieser Gebührennote. Die Klägerin wies darauf hin, dass jedenfalls die Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei und beantragte aus prozessualer Vorsicht die Kostenseparation.

Die Beklagte wies darauf hin, dass der Rekurswerber nach Erfüllung seiner Warnpflicht nicht ohne weitere Mitteilung mit der Arbeit beginnen hätte dürfen. Die Warnpflicht nach § 25 GebAG verfolge den Zweck, dass sich das Gericht und die Parteien möglichst frühzeitig eine Vorstellung von den Kosten des Gutachtens machen könnten. Der Rekurswerber hätte die Entscheidung des Gerichts abwarten müssen.

In Erwiderung dieser Äußerungen brachte der Rekurswerber vor, er sei seiner Warnpflicht ohnedies umgehend nachgekommen.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren mit EUR 7,02 (darin EUR 1,17 USt) und wies das Mehrbegehren von EUR 9.453,38 ab. Der zugesprochene Betrag betrifft Postgebühren.

Zur Begründung führte das Erstgericht aus, der Rekurswerber habe das Gericht rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn sich herausstelle, dass die tatsächlich entstehenden Kosten die Höhe des Kostenvorschusses übersteigen würden. Wenn dies unterlassen würde, entfalle insoweit der Gebührenanspruch. In dringenden Fällen könnten unaufschiebbare Tätigkeiten auch schon vor der Warnung oder vor dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden. Der Rekurswerber habe zwar umgehend bekannt gegeben, dass die Kosten die Höhe des Kostenvorschusses erheblich übersteigen würden. Er habe aber dennoch bereits vor einer Reaktion des Gerichts zu übersetzen begonnen, obwohl der von ihm prognostizierte Aufwand den vorliegenden Kostenvorschuss um das 10-fache überstiegen habe. Erst als er die Mitteilung des Gerichts bekommen habe, keine Tätigkeiten zu entfalten, habe er mit seiner Arbeit innegehalten. Diese Mitteilung habe der Rekurswerber fünf Tage nach seiner Warnung bekommen. Der Rekurswerber habe keinen Grund dargelegt, warum er trotz der Warnung sofort mit der Übersetzung begonnen habe. Für ihn sei ersichtlich gewesen, dass die Übersetzung nicht unaufschiebbar sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Übersetzers, der erkennbar unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den Beschluss abzuändern und ihm die gesamten verzeichneten Gebühren zuzusprechen.

Die Parteien beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach § 25 Abs 1a GebAG, der gemäß § 53 GebAG nicht nur für Sachverständige, sondern auch für Dolmetscher und Übersetzer gilt, ist der Übersetzer verpflichtet, das Gericht rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen, wenn sich herausstellt, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe eines Kostenvorschusses übersteigen werde. Von dieser Verpflichtung ist der Übersetzer nur befreit, wenn das Gericht dies anlässlich des Auftrags ausgesprochen hat. Unterlässt der Übersetzer diesen Hinweis, so entfällt insoweit der Gebührenanspruch. In dringenden Fällen können unaufschiebbare Tätigkeiten auch schon vor der Warnung oder dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden.

Gesetzliche Bestimmungen sind nach den Regeln der Vernunft auszulegen. Das bedeutet, dass nicht allein die Abgabe einer Warnung, dass die Kosten den Kostenvorschuss übersteigen würden, genügt, um unabhängig von jeder Reaktion darauf den Gebührenanspruch zu sichern. Da die Warnung über wesentlich höhere als erwartete Kosten Teil eines wechselseitigen und nicht eines einseitigen Kommunikationsprozesses zwischen dem Übersetzer und dem Gericht ist, ist jedenfalls zu fordern, dass eine Reaktion abgewartet wird oder ein ausreichend langer Zeitraum vergeht, damit der Übersetzer ausnahmsweise das Schweigen des Gerichts als Zustimmung und als Bekräftigung des Auftrags annehmen könnte. Allein das Erfordernis, „rechtzeitig zu warnen, zwingt zur Annahme, dass die Warnung zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, bevor vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Das verpflichtet den Übersetzer, dieses Rechtzeitigkeits-Erfordernis nicht seinerseits durch sofortige Aufnahme der Tätigkeit zu egalisieren.

Im vorliegenden Fall hat der Übersetzer an einem Freitag den Auftrag bekommen, am selben Tag die Warnung per Fax an das Gericht geschickt und bis zum darauffolgenden Mittwoch zwei Drittel des Auftrags erfüllt. Es hieße, den vernünftigerweise zu erwartenden Kommunikationsprozess zwischen dem Übersetzer, dem Gericht und den Parteien überhitzen zu wollen, wenn man der Warnung des Übersetzers eine solche Dringlichkeit beimessen würde, dass nur eine sofortige, jedenfalls aber noch am selben Tag erklärte und auch zugestellte Mitteilung verhindern würde, dass der Übersetzer, der soeben vor der massiven Kostenüberschreitung gewarnt hat, zu übersetzen beginnt.

Die Verpflichtung, die bevorstehende Überschreitung des Kostenvorschusses mitzuteilen, hat keinen mechanistischen oder formelhaften Selbstzweck, sondern soll das Gericht und die Parteien in die Lage versetzen, über das weitere Vorgehen zu disponieren.

Selbst wenn der Rekurswerber nicht sofort am Freitag, 15.1.2010, mit der Übersetzung begonnen hätte, sondern das Wochenende abgewartet und damit zwischen Montag, 18.1., und Mittwoch, 20.1.2010, die Übersetzung in Angriff genommen hätte, müsste er sich entgegenhalten lassen, dass auch das für eine erwartbare Reaktion viel zu kurz ist.

Der Rekurswerber ist Rechtsanwalt und kennt daher die kanzleitechnischen Abläufe bei Gericht sehr gut. Überdies muss ihm bekannt sein, dass die Parteienvertreter – mit seiner Warnung konfrontiert – ausreichend Zeit benötigen, um die weitere Vorgangsweise mit den Mandanten zu erörtern. Dass ihm eine gerichtliche Verfügung vom Montag auf dem normalen Postweg (erst) am Mittwoch zugestellt würde, konnte ihn ebenso wenig überraschen. Auch auf Grund dieses Wissens wäre ihm nicht nur zumutbar gewesen sondern hätte es auch jeder vernünftigen Praxis entsprochen, nicht schon am Montag, Dienstag oder Mittwoch dieser Woche (oder gar am Wochenende davor) mit der Übersetzung zu beginnen. Es wäre ihm jedenfalls auch zumutbar gewesen, angesichts der exorbitanten Überschreitung des vorhandenen Kostenvorschusses vor dem Beginn der Arbeit bei Gericht aktiv rückzufragen.

Ob – wie der Rekurswerber argumentiert – der Fall dringend und die Tätigkeit unaufschiebbar war, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Der große Umfang des Auftrags macht ihn für sich genommen jedenfalls nicht unaufschiebbar oder dringlich. Es gab nach Ansicht des Rekursgerichts für den Übersetzer keine Anhaltspunkte, von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen.

Aus der dargelegten Chronologie leitet das Rekursgericht auch nicht den vom Rekurswerber gezogenen Schluss ab, das Erstgericht habe sich bei der Benachrichtigung des Übersetzers „verhältnismäßig viel Zeit gelassen“. Umgekehrt konnte nämlich das Erstgericht nicht damit rechnen, dass der Übersetzer, der am Freitag eine zehnfache Überschreitung des Aufwandes gegenüber dem Kostenvorschuss mitteilt, bis zum darauf folgenden Mittwoch zwei Drittel des Auftrags absolviert haben würde.

Die im Rekurs aufgeworfene Frage, in welcher Höhe dem Übersetzer schlussendlich eine Gebühr zustehen würde, ob also die Ansätze des GebAG zwingend wären, hat nichts damit zu tun, welchen Sinn und welches Ziel die Warnpflicht des Übersetzers hat.

Das Argument des Rekurswerbers, die Parteien selbst hätten erkennen müssen, dass jedenfalls EUR 1.500,-- nicht ausreichen, gehen ins Leere. Das Gesetz statuiert eine Warnpflicht des Sachverständigen und des Übersetzers, dem in diesem Zusammenhang schlicht die größere Expertise zugebilligt wird.

Im vorliegenden Fall kann dem Übersetzer schließlich auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er seiner Warnpflicht nachgekommen ist. Zu seinen Lasten geht allerdings, dass er die Erfüllung dieser Warnpflicht durch praktisch sofortigen Beginn der Arbeit konterkariert hat. Ihm musste auch klar sein, dass eine teilweise Erfüllung des Auftrags für die Parteien wertlos wäre, denn entweder sind der Person, der der Streit verkündet werden soll, alle Unterlagen zuzustellen, oder die Beklagte nimmt vom Plan der Streitverkündung Abstand.

Die Hinweise auf allgemeine zivilrechtliche Bestimmungen (§ 1168 ABGB) treffen den Kern des Problems nicht, weil das GebAG und der dort enthaltene § 25 öffentlich-rechtliche Sonderbestimmungen sind, die die vorliegende Problematik abschließend regeln.

Im Ergebnis ist der Fall also jenem gleichzuhalten, wie wenn der Übersetzer nicht gewarnt hätte. Wie bereits dargelegt, würde jede andere Sichtweise die vom Übersetzer geforderte Warnung zu einem inhaltsleeren Formalismus erklären, wovon weder die Parteien noch der Übersetzer noch das Erstgericht ausgehen konnten.

Der Rekurswerber und die Beklagte haben für ihre Rechtsmittelschriften Kosten verzeichnet. Gemäß § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG haben sie diese Kosten aber endgültig selbst zu tragen. Dies gilt auch für die Kosten der Einwendungen gegen den Gebührenanspruch und für die Kosten der diesbezüglichen Erklärungen des Rekurswerbers, soweit solche Kosten überhaupt verzeichnet worden sind.

Die Unzulässigkeit des weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO iVm § 41 GebAG.

Textnummer

EW0000718

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2010:00100R00121.10M.0625.000

Im RIS seit

05.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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