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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth, Dr. Strohmayer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 17. September 1973 geborenen SS in Wien, vertreten durch Dr. Knuth Bumiller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Hoher Markt 4/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. November 1998, Zl. 200.470/9-VI/17/98, betreffend
1.)
Abweisung eines Antrages gemäß § 15 AsylG und
2.)
Zurückweisung eines Antrages gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages gemäß § 15 AsylG richtet (Spruchpunkt I), als unbegründet abgewiesen.
In Ansehung der Zurückweisung des Antrages gemäß § 8 AsylG als unzulässig (Spruchpunkt II) wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 21. September 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1996, eingelangt am 3. Oktober 1996, (u.a.) die Gewährung von Asyl. Mit Spruchpunkt 1 des Bescheides des Bundesasylamtes vom 3. Februar 1997 wurde der Asylantrag abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 1998 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Februar 1997 erhobene Berufung vom 21. Februar 1997, eingelangt am 24. Februar 1997, mit einem Antrag auf Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Asylgesetz 1991 verbunden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1998 wurde dieser - infolge Änderung der Rechtslage als Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 15 Abs. 1 AsylG 1997 gewertete - Antrag abgewiesen. Der Beschwerdeführer berief mit (einem am 16. Oktober 1998 beim Bundesasylamt eingelangten) Schriftsatz vom 15. Oktober 1998; in diesem Schriftsatz beantragte er auch die Feststellung gemäß § 8 AsylG 1997, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung in den Iran unzulässig sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt I die Berufung des Beschwerdeführers vom 15. Oktober 1998 gemäß § 15 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen. Unter Spruchpunkt II wurde der mit der Berufung verbundene Antrag des Beschwerdeführers, mit Bescheid festzustellen, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Iran unzulässig sei, gemäß § 8 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 AsylG 1997 zurückgewiesen.
Die belangte Behörde begründete den Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen damit, dass nach § 15 Abs. 1 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nur erteilt werden könne, wenn der Asylantrag des betroffenen Fremden aus anderen Gründen als nach den Asylausschließungsgründen rechtskräftig abgewiesen worden sei und wenn die Asylbehörde gemäß § 8 leg. cit. festgestellt habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig sei. Da der erstinstanzlichen Asylbehörde kein bescheidmäßig bindender Abspruch über eine wesentliche Rechtsbedingung, nämlich die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung vorgelegen sei, sei auch eine Stattgebung des Antrages auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ausgeschlossen.
Im Fall des Beschwerdeführers habe der unabhängige Bundesasylsenat im Berufungsbescheid vom 16. September 1998 auf Grund der Ausnahmebestimmung des § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG 1997 keine Refoulement-Entscheidung getroffen. Aus § 8 AsylG und aus den diesbezüglichen Erläuterungen der Regierungsvorlage sei der Wille des Gesetzgebers erkennbar, dass bei derartigen Fallkonstellationen neben einem sachlichen Konnex (Abweisung des Asylantrages) auch ein weiterer Zusammenhang gefordert sei, nämlich die Verknüpfung des Asylverfahrens mit der Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung. Daraus folge, dass nach Erlassung eines abweislichen Berufungsbescheides eine Refoulement-Entscheidung durch eine Asylbehörde rechtswidrig wäre; somit sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG 1997 von der erstinstanzlichen Asylbehörde nicht als Anregung zur amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 8 AsylG 1997 zu betrachten, und sei der an die Berufungsbehörde gerichtete Feststellungsantrag (auf Refoulement-Entscheidung) zurückzuweisen (Spruchpunkt II), zumal diese Entscheidung auch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei.
Dazu komme, dass der Gesetzgeber ab 1. Jänner 1998 den Asylbehörden aus dem Grunde der Verfahrenskonzentration die Zuständigkeit übertragen habe, im Falle der Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen zugleich eine Refoulement-Entscheidung vorzunehmen. Dem widerspreche aber die offensichtlich aus der Berufung ableitbare Argumentation, dass nämlich auch nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages, wie im Falle des Beschwerdeführers, die Kompetenz zur Refoulement-Entscheidung für immer bei den Asylbehörden verbleibe. Entgegen der in der Berufung geäußerten Rechtsansicht könne im Hinblick auf eine Refoulement-Entscheidung bezüglich des Berufungswerbers in der Rechtsordnung weder eine rechts- oder verfassungswidrige Gesetzeslücke, noch eine Rechtsnorm, die seine unverhältnismäßige Ungleichbehandlung zur Folge hätte, vorgefunden werden.
Der Berufungswerber könne im vorliegenden Fall "sein Refoulement-Verbot" gemäß § 75 FrG 1997, der im Abs. 1 auf § 57 Abs. 1 oder 2 FrG 1997 verweise, geltend machen. Mit dieser Rechtsnorm sei bezweckt worden, einem von der Abschiebung bedrohten Fremden eine wirksame Beschwerde im Sinne des Art. 13 MRK einzuräumen, sich gegen eine vermeintlich unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK zur Wehr zu setzen. Dass deshalb, weil die Asylbehörden keine Refoulement-Entscheidung getroffen hätten, nicht von einer Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers die Rede sein könne, zeige sich schon darin, dass der Prozessgegenstand bei einer Refoulement-Prüfung bei den Asyl- und Fremdenpolizeibehörden ident sei: § 8 AsylG 1997 verweise auf § 57 FrG und § 75 FrG 1997 auf § 57 Abs. 1 oder 2 FrG. Jedenfalls könne der Beschwerdeführer im Rahmen eines Verfahrens nach § 75 FrG 1997 (Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat) vorbringen, dass er in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht sei, wobei er sich (auch) gegen eine ihm drohende unmenschliche Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe im Sinn des Art. 3 EMRK zur Wehr setzen könne. Daraus ergebe sich, dass dem an die Berufungsbehörde ergangenen und als Anregung zu wertenden Antrag, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungskonformität des AsylG 1997 einzuleiten, nicht entsprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AsylG 1997 (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) lauten:
"§ 8. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
§ 15. (1) Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, ist mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn gemäß § 8 festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.
(2) Würden die Fremden die Berechtigung zum Aufenthalt mit der Abweisung des Antrages verlieren, ist die befristete Aufenthaltsberechtigung mit dieser Abweisung zu verbinden; fällt die Berechtigung zum Aufenthalt später weg, so kann sie dann erteilt werden.
(3) ...
§ 44. (1) Am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Bundesminister für Inneres hat die bei ihm anhängigen oder nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof anhängig werdenden Sachen dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, besteht nicht."
Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:
Unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 15 Abs. 1 AsylG 1997 ist eine dem Rechtsbestand angehörende Feststellung nach § 8 AsylG 1997, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat des Fremden unzulässig ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0365). Dass eine solche Feststellung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht getroffen worden war, wurde vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht bestritten. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 15 Abs. 1 AsylG 1997 durch die belangte Behörde erfolgte daher schon aus diesem Grund zu Recht (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0474, sowie vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0243 bis 0246).
Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt II der auf § 8 AsylG 1997 gestützte Feststellungsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Der beim Bundesasylamt am 16. Oktober 1998 eingelangte Schriftsatz vom 15. Oktober 1998, in dem der genannte Feststellungsantrag unter Punkt 2.) aufscheint, war an das Bundesasylamt gerichtet und enthielt darüber hinaus unter Punkt 1.) die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1998.
Weder aus der Anführung des Feststellungsantrages im Kopf des Schriftsatzes noch aus den dazu ergangenen Ausführungen auf der letzten Seite des Schriftsatzes ergibt sich nun, dass der Beschwerdeführer über diesen Antrag eine Entscheidung durch den unabhängigen Bundesasylsenat angestrebt hätte. Vielmehr zeigen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Punkt 1.) des Schriftsatzes (Berufung betreffend die Abweisung des Antrages nach § 15 AsylG), wonach in den Fällen, in denen bereits rechtskräftig über den Asylantrag abgesprochen worden war, im Sinne des Gesetzgebers "das Bundesasylamt die Refoulement-Prüfung vorzunehmen und die Unzulässigkeit seiner Abschiebung festzustellen" gehabt hätte, dass er - was in diesem Fall auch die Adressierung des Antrages an das Bundesasylamt nahe legte - eine Entscheidung des Bundesasylamtes über diesen Feststellungsantrag begehrte. Eine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Feststellungsantrag kam daher nur dem Bundesasylamt, nicht aber dem unabhängigen Bundesasylsenat zu.
Indem die belangte Behörde ungeachtet dessen mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides eine Zurückweisung dieses nicht an sie gerichteten Antrags (auf Feststellung gemäß § 8 AsylG 1997) aussprach, belastete sie ihren Bescheid daher mit einer - vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb der angefochtene Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.
Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass die Asylbehörden lediglich für den im § 8 AsylG 1997 umschriebenen Fall der gleichzeitigen Entscheidung über einen Asylantrag verpflichtet sind, von Amts wegen eine Non-Refoulement-Prüfung durchzuführen; nur in diesem Fall besteht eine von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Fremdenbehörde abweichende Entscheidungskompetenz (vgl. in diesem Zusammenhang auch die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0352, und vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0365, und vom 16. Februar 2000, Zl. 98/01/0253). Im vorliegenden Fall, in dem nach Rechtskraft der Abweisung eines Asylantrages ein gesonderter Antrag gemäß § 8 AsylG gestellt wurde, besteht diesbezüglich weiterhin grundsätzlich die Zuständigkeit der Fremdenbehörde.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Jänner 2001
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200009.X00Im RIS seit
03.04.2001