TE Vfgh Beschluss 1998/6/9 G89/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.1998
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VwGG §49 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Teils der Kostenregelung im Verwaltungsgerichtshofgesetz mangels Legitimation; keine unmittelbare Wirksamkeit der angefochtenen Regelung; Möglichkeit des Vorbringens der Bedenken im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem vorliegenden, auf Artikel 140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung des §49 Abs1 letzter Satz Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 88/1997, (im folgenden: VwGG) wegen Verfassungswidrigkeit.

2. Die Bestimmung des §49 Abs1 VwGG hat folgenden Wortlaut (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Als Ersatz für den Schriftsatz- und den Verhandlungsaufwand gemäß §48 Abs1 und 3 Z2 und 4 sind Pauschbeträge zu zahlen, deren Höhe vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates durch Verordnung in einem Ausmaß festzustellen ist, das den durchschnittlichen Kosten der Vertretung beziehungsweise der Einbringung eines der im §48 Abs1 und 3 Z2 genannten Schriftsätze durch einen Rechtsanwalt entspricht. Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gebührt nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war."

3.1. Der Antragsteller, der Rechtsanwalt ist, bringt vor, daß er beim Verwaltungsgerichtshof in eigener Sache eine Säumnisbeschwerde eingebracht habe und der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 30.1.1998, Zahl 97/19/1527 das Verfahren mit der Begründung eingestellt habe, daß die belangte Behörde innerhalb der ihr gesetzten Nachfrist auftragsgemäß den Bescheid erlassen habe. Unter Berufung auf §49 Abs1 letzter Satz VwGG habe der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller lediglich den Ersatz für Barauslagen, nicht jedoch auch den für Schriftsatzaufwand zugesprochen.

Zum Nachweis seiner Antragslegitimation verweist der Antragsteller darauf, daß er von Beruf Rechtsanwalt und daher berechtigt sei, sich vor Behörden und Gerichten selbst zu vertreten. Die angefochtene Gesetzesstelle greife unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre ein, ohne daß es hiefür einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedürfe. Eine solche zu erwirken, sei "vorliegendenfalls auch gar nicht möglich, weil es sich um eine höchstgerichtliche Entscheidung" handle. Es stehe ihm somit ein anderer zumutbarer Weg, sich gegen die - von ihm als verfassungswidrig erachtete - Gesetzesstelle zur Wehr zu setzen, nicht zur Verfügung.

3.2. Die angefochtene Gesetzesstelle verstoße gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, da sie in unsachlicher Weise zwischen Beschwerden, welche von einem Rechtsanwalt für einen Dritten eingebracht werden, und solchen, welcher ein Rechtsanwalt für sich selbst erhebe, differenziere. Weiters rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Artikel 83 Abs2 B-VG, da die "Entscheidung des Gerichtes" Rechtswirkungen für ihn entfalte, aber von ihm nicht bekämpft werden könne. Da durch die "Anwendung der angefochtenen Bestimmung" in seine Privatrechtssphäre eingriffen worden sei und die Voraussetzungen für einen zulässigen Eigentumseingriff nicht vorlägen, liege auch ein Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Artikel 5 StGG und Artikel 1 1. ZPEMRK vor. Durch die angefochtene Bestimmung werde überdies gegen das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Artikel 6 StGG verstoßen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Artikel 140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Peron wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten kommt daher die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist vielmehr erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988, 13635/1993).

Im vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof bezieht sich der Antragsteller auf den Beschluß des Verwaltungsgerichthofes vom 30.1.1998, Zahl 97/19/1527. Daraus ergibt sich, daß sich der Antragsteller gegen die Bestimmung des §49 Abs1 zweiter Satz VwGG im Hinblick auf ihre Anwendung durch den Verwaltungsgerichtshof bei Erlassung des zitierten Beschlusses wendet. Dies wird inbesondere auch durch die Ausführungen zu der behaupteten Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf den gesetzlichen Richter ("die Entscheidung des Gerichtes entfaltet Rechtswirkungen für mich ...") sowie auf Unversehrtheit des Eigentums ("... durch die Anwendung der angefochtenen Bestimmung ...") deutlich. Somit fehlt aber die für einen Individualantrag auf Gesetzesprüfung in Art140 Abs1 B-VG festgelegte Voraussetzung, daß das angefochtene Gesetz (insbesondere) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung für die antragstellende Person wirksam geworden ist (vgl. VfSlg. 8732/1980, 11049/1986; VfGH 26.11.1996, G178/96 ua.). Der Antragsteller hatte überdies die Möglichkeit, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §49 Abs1 zweiter Satz VwGG in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof heranzutragen und die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Wie sich aus Art89 Abs2 im Zusammenhalt mit Art135 Abs4 B-VG ergibt, wäre der Verwaltungsgerichtshof im Fall verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die angefochtene Gesetzesbestimmung denn auch verpflichtet, vor ihrer Anwendung einen Antrag auf Aufhebung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl. VfSlg. 8311/1978).

2. Der Gesetzesprüfungsantrag war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Verwaltungsgerichtshof, Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G89.1998

Dokumentnummer

JFT_10019391_98G00089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten