Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin und Antragstellerin J***** D*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen den Beklagten und Antragsgegner F***** E***** D*****, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. März 2010, GZ 42 R 13/10p-28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht nach seinen Ausführungen offenbar aussprechen wollte, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Die Anführung des Betrags von 20.000 EUR beruht, wie die Revisionsrekurswerberin zutreffend hinweist, auf einem offenkundigen Schreibfehler.
Die einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens oder - wie hier - mit einem Verfahren auf Ehescheidung setzt eine entsprechende Gefahrenbescheinigung voraus (8 Ob 55/01y EvBl 2001/178, 771 ua). Bei der Beurteilung dieser Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 ZPO kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0005118), wobei die Bescheinigung einer konkreten Gefahr gefordert wird (RIS-Justiz RS0005175). Im Hinblick auf die vom Gesetz gebrauchten Ausdrücke „besorgen“ (§ 381 Z 1 EO) und „drohen“ (§ 381 Z 2 EO) wird das Vorliegen von Umständen gefordert, die ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung eine Beeinträchtigung des Anspruchs oder des Anspruchsberechtigten als wahrscheinlich erscheinen lassen (1 Ob 160/01p, RIS-Justiz RS0005175 [T16 und T17]; 4 Ob 10/05g, RIS-Justiz RS0005175 [T19] ua). Entscheidend dabei ist, ob ohne die einstweilige Verfügung die Befriedigung des Aufteilungsanspruchs vereitelt oder erheblich erschwert würde, zum Beispiel weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsgegner einen Vermögenswert verwirtschaften oder verbringen oder Verfügungen treffen würde, die die Realisierung der Aufteilungsansprüche unmöglich machen (RIS-Justiz RS0037061 [T8]).
Ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist die eine Gefährdung des Aufteilungsanspruchs verneinende Rechtsansicht des Rekursgerichts, weil weder aus der Auflösung der Wertpapier-Sparpläne noch aus der hypothekarischen Belastung der Ehewohnung darauf geschlossen werden könne, dass der Antragsgegner den Aufteilungsanspruch der Antragstellerin vereiteln wolle und den der Verpfändung zugrundeliegenden Kredit nicht zurückzahlen werde, zumindest vertretbar. Von einer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann unter Berücksichtigung aller als bescheinigt festgestellten Umstände des vorliegenden Falls keine Rede sein.
Auch soweit die Revisionsrekurswerberin geltend macht, den Antrag, dem Antragsgegner die Veräußerung, Verpfändung oder sonstige Belastung der ehelichen Wohnung zu verbieten, (auch) auf § 382e EO aF (nun § 382h EO) gestützt zu haben, vermag sie keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen.
Die Antragstellerin hat ihren Provisorialantrag „auf § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO und § 382e EO (gemeint offenbar § 382h EO nF) sowie jeden sonstigen erdenklichen Rechtsgrund“ gestützt. Wie in der Entscheidung 8 Ob 39/04z, die hinsichtlich des Verfahrensablaufs mit dem vorliegenden Rechtsfall ganz vergleichbar ist, war nach diesem Vorbringen nicht völlig klar, welche einstweilige Verfügung sie betreffend die Ehewohnung beantragen wollte. Neben einer, wie bereits ausgeführt, eine Gefahrenbescheinigung voraussetzenden einstweiligen Verfügung zur Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO, die von der Geltendmachung des Aufteilungsanspruchs abhängig zu machen und für die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Aufteilungsverfahrens zu erlassen ist (8 Ob 39/04z mwN), kam auch eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Wohnungserhaltungsanspruchs nach § 97 ABGB gemäß § 382h EO in Betracht, für die bei anhängigem Scheidungsverfahren eine Bescheinigung der Anspruchsgefährdung nicht erforderlich ist. Auch bei dieser einstweiligen Verfügung handelt es sich um eine anspruchsgebundene Sicherung; sie ist daher mit einer Fristsetzung zur Einbringung einer Rechtfertigungsklage zu verknüpfen und kann nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diese Klage erlassen werden. Da der Anspruch nach § 97 ABGB auf die Ehedauer begrenzt ist, kann die einstweilige Verfügung überdies nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens erlassen werden (8 Ob 39/04z mwN). Nach der Begründung der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung ist allerdings unzweifelhaft, dass das Erstgericht den Antrag als solchen nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO aufgefasst und in diesem Sinn entschieden hat. Dagegen hat die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren, in dem es nur um die Frage der Gefahrenbescheinigung ging, keinen Einwand erhoben. Sie hat im Übrigen auch weder in erster Instanz noch in ihren Rechtsmitteln ein konkretes Vorbringen betreffend einen Unterlassungsanspruch nach § 97 ABGB erstattet - nämlich warum sie die Wohnmöglichkeit verlieren könnte und durch welche Handlungen der Antragsgegner sie dieser Gefahr ausgesetzt habe. Die vom Antragsgegner vorgenommene hypothekarische Belastung der Ehewohnung allein vermag einen Unterlassungsanspruch nach § 97 ABGB nicht zu begründen, zumal die Ansicht der Vorinstanzen, dieses Vorgehen des Antragsgegners sei durch die Umstände (die finanzielle Situation der Ehegatten) erzwungen gewesen, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung darstellt, sondern zumindest vertretbar ist. Dass der Antragsgegner eine Alternative gehabt und nach der vorzunehmenden Interessenabwägung (RIS-Justiz RS0015115) von einer Verpfändung der Ehewohnung Abstand nehmen hätte müssen, kann aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht gefolgert werden. Ein Unterlassungsanspruch im Sinn des § 97 ABGB wurde von der Antragstellerin demnach weder behauptet noch bescheinigt. Damit kann die vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschiedene, im Schrifttum kontrovers beantwortete Frage, ob dem Antragsgegner bei anhängigem Scheidungsverfahren im Sicherungsverfahren nach § 382h EO eine Gefahrengegenbescheinigung möglich ist oder eine unwiderlegbare Rechtsvermutung für eine Anspruchsgefährdung besteht, hier dahingestellt bleiben.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E94566European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00093.10T.0630.000Im RIS seit
22.08.2010Zuletzt aktualisiert am
05.07.2012