Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herta P*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei em. o. Univ.-Prof. DI Günter Z*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf der Seite der beklagten Partei Dr. Ekardt B*****, wegen restlich 21.193,03 EUR sA und Feststellung, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Jänner 2010, GZ 16 R 182/09s-90, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. September 2009, GZ 17 Cg 119/07f-79, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab mit Urteil vom 27. Mai 2009 dem Feststellungsbegehren zur Gänze und dem Leistungsbegehren im Umfang von 21.119,03 EUR sA statt; ein Mehrbegehren von 18.751,39 EUR sA wies es ab. Das Urteil wurde den Parteienvertretern am 2. und 3. Juni 2009 zugestellt. Nur der Beklagte brachte dagegen Berufung ein.
Am 25. Juli 2009 (Datum des Poststempels) erklärte ein emeritierter Rechtsanwalt seinen Beitritt als Nebenintervenient auf der Seite des Beklagten. Nachdem sich die klagende Partei dagegen ausgesprochen hatte, ließ das Erstgericht mit Beschluss vom 11. September 2009 den Nebenintervenienten nicht zu.
Über dessen Rekurs änderte das Rekursgericht diese Entscheidung am 22. Jänner 2010 dahin ab, dass es ihn doch als Nebenintervenienten zuließ, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands findet sich in der Entscheidung nicht.
Dagegen enthält das in nichtöffentlicher Sitzung ergangene Berufungsurteil vom selben Tag den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.
Das Erstgericht legte den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der Klägerin gegen den auf Zulassung des Nebenintervenienten lautenden Beschluss unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:
Nach § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt zwar 5.000 EUR, nicht jedoch auch 30.000 EUR (BGBl I 2009/30) übersteigt und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3, § 508 ZPO einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Dieser mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbindende Antrag ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rekursgericht zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof ist in solchen Fällen zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses funktionell unzuständig. Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel - wie hier - als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird (vgl § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist.
Da der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, hätte das Rekursgericht nach § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 1 Z 1 ZPO diesen zu bewerten gehabt. Zufolge § 19 Abs 1 erster Satz ZPO muss der Nebenintervenient den Rechtsstreit in der Lage zur Zeit seines Beitritts annehmen. Zu dem im vorliegenden Verfahren maßgebenden Zeitpunkt war die Abweisung eines Teils des Klagebegehrens schon rechtskräftig geworden. Da nun der Beklagte den klageabweisenden Teil des Ersturteils zur Gänze mit Berufung bekämpfte, deckte sich der Entscheidungsgegenstand im Berufungsverfahren notwendig mit dem im Verfahren über den Rekurs des Nebenintervenienten auf der Seite des Beklagten, der ebenfalls die Abweisung des restlichen Klagebegehrens anstrebt. Da beide Entscheidungen am selben Tag fielen, konnte auch keine Änderung zwischen diesen erfolgt sein. Daraus folgt, dass das Nachholen des Bewertungsausspruchs durch die zweite Instanz ausnahmsweise unterbleiben kann, weil die Bewertung im Revisionsrekursverfahren denknotwendig mit der im Berufungsverfahren übereinstimmen muss. Der maßgebliche Wert liegt daher im Zwischenbereich des § 528 Abs 2 Z 1a ZPO.
Das Rechtsmittel der Klägerin wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern vielmehr dem Rekursgericht vorzulegen gewesen; dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben. Ob der nur an den Obersten Gerichtshof gerichtete Revisionsrekurs einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (stRsp, RIS-Justiz RS0109620, [insbesondere T2]).
Textnummer
E94530European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00073.10X.0630.000Im RIS seit
19.08.2010Zuletzt aktualisiert am
18.04.2012