TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/25 2000/20/0153

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Veröffentlicht am 25.01.2001
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Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

WaffG 1996 §12 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, in der Beschwerdesache des B S in K, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. März 2000, Zl. III-4609-91/99, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen und nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. März 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 3. August 1999, mit dem über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot verhängt worden war, keine Folge gegeben.

Zur Begründung stützte sich die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges auf einen Bericht des Gendarmeriepostens Götzis vom 4. Februar 1999, dem entnommen werden könne, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers am 19. Jänner 1999 telefonisch mitgeteilt hätte, der Beschwerdeführer habe Alkoholprobleme und werde in betrunkenem Zustand sehr aggressiv. Er habe mehrere Langwaffen sowie die dazugehörige Munition im Haus verwahrt. Die Ehegattin des Beschwerdeführers befürchte nunmehr, dass er in alkoholisiertem Zustand von den Waffen Gebrauch machen und "ein Unheil" anrichten könnte. Am 2. Februar 1999 sei der Gendarmerieposten Götzis von einem Mitarbeiter der Caritas Feldkirch verständigt worden, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe auch ihm von ihrer Angst mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer von den Waffen Gebrauch machen könnte. Weiters wird im angefochtenen Bescheid der Inhalt eines vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch angeregten und in der Folge eingeholten Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 26. Mai 1999 (teilweise wörtlich) wiedergegeben. Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens habe der Amtsarzt eine ergänzende Beurteilung vorgenommen, der entnommen werden könne, dass beim Beschwerdeführer Hinweise für chronischen Alkoholüberkonsum vorlägen. Er sei diesbezüglich jedoch nicht einsichtig und bagatellisiere seinen Alkoholkonsum. Aus diesen Gründen bestünden aus nervenärztlicher Sicht Bedenken gegen den Besitz und das Führen von Schusswaffen.

Danach folgerte die belangte Behörde, dem Beschwerdeführer sei somit von beiden Ärzten attestiert worden, dass Hinweise für chronischen Alkoholüberkonsum vorlägen. Unter Alkoholeinwirkung trete ein erhöhtes Aggressionspotential und ein vermindertes Kontrollvermögen auf. Hinzu komme, dass sich die Ehegattin des Beschwerdeführers an mehrere Stellen gewandt und die Alkoholprobleme ihres Ehegatten mitgeteilt habe. Sie habe sich besorgt gezeigt, weil er in betrunkenem Zustand sehr aggressiv werde. Sie befürchte, dass er in alkoholisiertem Zustand von den zu Hause verwahrten Waffen Gebrauch machen und "Unheil" anrichten könnte. Auf Grund der Feststellungen der untersuchenden Ärzte sowie der Aussagen der Ehegattin des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, dass dieser durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Diese Vorschrift dient, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits wiederholt ausgeführt hat (z.B. jüngst das Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/20/0226 mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0020, mwN), der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen (das ist ein "gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch"). Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht werden könnte und dadurch die in § 12 Abs. 1 WaffG angeführten Rechtsgüter gefährdet werden könnten. Wegen des dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweckes ist bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahren ein strenger Maßstab anzulegen.

Eine schon erfolgte missbräuchliche Verwendung von Waffen ist (zwar) nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes (hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0191, mwN). Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt (aber) voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Wesentlich ist daher, dass dem Beschwerdeführer die missbräuchliche Verwendung von Waffen auf Grund bestimmter Tatsachen zuzutrauen ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. November 2000).

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die erwähnten Behauptungen seiner Ehegattin gegenüber der Gendarmerie, die in einem "bloßen" Telefonat erhoben worden seien. Zum einen sei "wohl bekannt", mit welcher Vorsicht gerade Anschuldigungen dieser Art zu begegnen sei; "bezeichnender Weise" sei die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht einmal zeugenschaftlich einvernommen worden. Im übrigen seien deren Anschuldigungen dadurch widerlegt, dass der Beschwerdeführer vollkommen unbescholten sei, gegen ihn nichts Negatives vorliege, er noch niemals gegen andere Menschen tätlich oder auch nur aggressiv geworden sei und auch niemals jemanden bedroht habe. Seine Ehegattin habe ihn aus einer "aktuellen Missstimmung heraus" falsch bezichtigt. Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Schlussfolgerungen im Sachverständigengutachten, wonach "Hinweise für erhöhte psychische Labilität im Sinne einer vermehrten Reizbarkeit" und Hinweise in Richtung eines "chronischen Alkoholüberkonsums" bestünden. Der Vorwurf, er würde im alkoholisierten Zustand aggressiv reagieren, sei nicht berechtigt. Tatsächlich habe er kein Alkoholproblem und sei in keiner Weise aggressiv. Zum Nachweis dafür, dass er niemals - auch nicht im Zuge gelegentlichen Alkoholkonsums - leicht reizbar (gewesen) sei oder in Erregung unbeherrscht (geworden sei) werde, und dass er bisher keinerlei Verhaltensweise gesetzt habe, welche auf irgendeine Selbst- bzw. Fremdgefährdung schließen lasse, habe er bereits im Berufungsverfahren die Einvernahme seiner drei Söhne, die Einholung von Strafregisterauskünften zum Nachweis seiner Unbescholtenheit, sowohl in strafgerichtlicher als auch verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht, und schließlich ein amtsärztliches Gutachten und ein ergänzendes nervenfachärztliches Gutachten beantragt. Die belangte Behörde habe sich mit diesen Beweisanträgen "mit keinem Wort" befasst. Durch die Nichtaufnahme der beantragten Beweise sei eine erschöpfende Prüfung, Feststellung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts unterblieben. Die beantragten Beweise hätten ergeben, dass er keinem Alkoholüberkonsum bzw. gar Alkoholmissbrauch unterliege, und dass er - selbst bei fallweisem Alkoholkonsum - nicht zur Aggressivität neige, weshalb keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG angenommen hätte werden dürfen.

Diese Beschwerdeausführungen sind berechtigt.

Zunächst ist aufzugreifen, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet ist (zum Umfang der Begründungspflicht siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 19 ff zu § 60 AVG, abgedruckten Entscheidungen), weil es die belangte Behörde unterließ, jene Tatsachen, die sie für erwiesen erachtete, konkret festzustellen. Derartige Sachverhaltsfeststellungen können nicht durch die bloße Wiedergabe des Inhalts eines Gendarmerieberichtes und der Sachverständigengutachten ersetzt werden (vgl. aaO, E 34). Dabei handelt es sich nur um Beweisergebnisse, die einer (begründeten) Würdigung bedurft hätten. Dem angefochtenen Bescheid ist aber weder eine solche Beweiswürdigung noch sind ihm konkrete Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen, die der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden, sodass der angefochtene Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich ist. Schon deshalb liegt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG vor (vgl. das hg Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/17/0180), was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen muss.

Aber selbst wenn man unterstellt, die belangte Behörde habe den wiedergegebenen Inhalt des Gendarmerieberichtes und der Sachverständigengutachten feststellen wollen, liegt ein mängelfreier Bescheid nicht vor:

Die belangte Behörde stützt sich zunächst auf den erwähnten (zusammenfassenden) Bericht des Gendarmeriepostens Götzis über Telefonate mit der Ehegattin des Beschwerdeführers und einem Mitarbeiter der Caritas, wonach diese befürchte, der Beschwerdeführer könnte in alkoholisiertem Zustand mit den zu Hause verwahrten Waffen "ein Unheil" anrichten. Dem Bericht lässt sich aber weder der Anlass für das Telefonat entnehmen, noch die konkrete Schilderung (in der Vergangenheit liegender) aggressiver Verhaltensweisen des Beschwerdeführers, sondern lediglich der ganz allgemeine Hinweis auf "Alkoholprobleme" und darauf, dass der Beschwerdeführer in betrunkenem Zustand sehr aggressiv werde. Diese Behauptungen wurden aber - wie die Beschwerde zur Recht, insbesondere mit dem Hinweis auf die unterlassene Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers und seiner als Zeugen beantragten Söhne, aufzeigt - im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend geprüft.

Die belangte Behörde übernahm dazu nur die - lediglich auf "allgemeine Erfahrungen bezüglich psychischer Veränderungen durch Alkoholeinwirkung" gestützte - Schlussfolgerung des nervenfachärztlichen Sachverständigen, unter Alkoholeinwirkung trete ein erhöhtes Aggressionspotential und ein vermindertes Kontrollvermögen (verminderte Impulskontrolle, beispielsweise bei Ärgernissen infolge von Bagatellkonflikten) auf. Eine konkrete, in nachvollziehbarer Weise begründete Auseinandersetzung mit den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Alkoholkonsum (durchschnittlich drei Bier pro Tag bzw. ein bis zwei Bier pro Tag, aber nicht täglich) und zu seiner Einschätzung, er habe keine Probleme im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum, er reagiere darauf (nur) etwas lustig und mache dann gerne Spaß, erfolgte nicht. Dazu folgerte der Sachverständige vielmehr nur, der Beschwerdeführer sei bezüglich seines "Alkohol-Trinkverhaltens" nicht einsichtig und bagatellisiere seinen Alkoholkonsum. Es bestehe beim Beschwerdeführer keinerlei Problemeinsicht, dass er im alkoholisiertem Zustand aggressiv reagieren würde bzw. könnte.

Eine nachvollziehbare Begründung für diese Beurteilung, der der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren entgegengetreten ist, kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Gleiches gilt für die Feststellung (im Befund), die Affizierbarkeit sei erhöht und es bestünden Hinweise für erhöhte psychische Labilität im Sinne einer vermehrten Reizbarkeit. Die aus diesem - insoweit nicht überprüfbaren - Gutachten von der belangten Behörde übernommene (zusammenfassende) Schlussfolgerung, "aus nervenärztlicher Sicht bestünden Bedenken gegen den Besitz oder das Führen von Schusswaffen", reicht daher allein jedenfalls nicht aus, um ein Waffenverbot nach § 12 Abs. 1 WaffG zu rechtfertigen.

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Frage, ob Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, eine Rechtsfrage ist, die nicht von einem Sachverständigen zu beantworten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0543). Der Sachverständige kann lediglich bei der Ermittlung dieser Tatsachen behilflich sein. Ob diese vorliegen und unter die genannte Bestimmung des Waffengesetzes zu subsumieren sind, oder deren Voraussetzungen nicht erfüllen, ist eine im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von der Behörde vorzunehmende Wertungsfrage. Dazu weist die Beschwerde in rechtlicher Hinsicht zutreffend darauf hin, dass der angenommene "chronische Alkoholüberkonsum" für sich allein ein Waffenverbot nicht zu rechtfertigen vermag. Vielmehr wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbotes nur dann angenommen, wenn zum Alkoholkonsum noch zusätzliche Gefährdungsmomente hinzutraten, so z.B. wenn sich die Person nach dem Genuss von Alkohol wiederholt aggressiv zeigte (vgl. nur jene Fälle, die dem Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0142, und den dort angeführten Erkenntnissen vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0128, vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0337, und vom 29. November 1994, Zl. 94/20/0334, zu Grunde lagen).

Zur abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbotes ist es daher erforderlich, nach (eingehender) Prüfung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers - wobei, wie schon erwähnt, die Einvernahme seiner Ehegattin und der von ihm beantragten Zeugen (Söhne) jedenfalls, unter Umständen aber auch die Ergänzung des Sachverständigengutachtens und die Einholung der beantragten Strafregisterauskünfte notwendig erscheint - konkrete (nachvollziehbar und schlüssig begründete) Feststellungen zum Alkoholkonsum des Beschwerdeführers sowie vor allem zu seiner Neigung zu Aggressivität und zu sonstigen waffenrechtlich relevanten Verhaltensweisen zu treffen. Erst dann kann beurteilt werden, ob die strengen Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen und eine Prognose im Sinne dieser Bestimmung gerechtfertigt ist.

Der angefochtene Bescheid ist auch aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 25. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200153.X00

Im RIS seit

24.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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