TE OGH 2010/6/30 3Ob63/10a

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Veröffentlicht am 30.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der führenden betreibenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Brandstetter Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in Wien, und weiterer betreibender Parteien gegen die verpflichteten Parteien 1. Elfriede K*****, vertreten durch Dr. Peter Hallas, Rechtsanwalt in Mödling, als Verfahrenshelfer, und 2. Stefan K*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, wegen 218.093,96 EUR sA und weiterer betriebener Forderungen, über den Revisionsrekurs der führenden betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25. November 2009, GZ 18 R 125/09z-313, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 30. Jänner 2002, GZ 5 E 16303/93d-239, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der führenden betreibenden Partei wird auf U***** AG berichtigt.

              2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

3. Die Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind wie weitere Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 30. September 1991 hatte das Erstgericht der führenden betreibenden Partei zur Hereinbringung von 3.001.038,37 S (218.093,96 EUR) die Zwangsversteigerung zweier im Hälfteeigentum der Verpflichteten stehenden Liegenschaften und von Liegenschaftsanteilen bewilligt.

Am 23. März 1994 wurden diese Liegenschaften und Liegenschaftsanteile teils dieser betreibenden Partei und teils einer Bietergemeinschaft zugeschlagen. Der Zuschlag erwuchs - letztlich durch Zurückweisung eines Revisionsrekurses der Erstverpflichteten durch den Obersten Gerichtshof (3 Ob 51, 1060/95) - in Rechtskraft.

Vor der Meistbotsverteilungstagsatzung am 25. März 1996 brachte die Erstverpflichtete am 21. März 1996 (ON 125) - gestützt auf einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung beim Titelgericht - einen Aufschiebungsantrag ein, über den bislang nicht (ausdrücklich) entschieden wurde.

Mit dem (nach einer weiteren Meistbotsverteilungstagsatzung am 16. Jänner 2001) gefassten Meistbotsverteilungsbeschluss vom 30. Jänner 2002 wies das Erstgericht sämtliche Meistbote (teils „nicht in bar“) der führenden betreibenden Partei zu. Im Spruch seiner Entscheidung stellte das Erstgericht weiters fest: Die auf die Erstverpflichtete entfallende Hälfte aller Meistbote werde jedoch derzeit noch nicht an die Betreibende ausgefolgt (bzw nicht zur Gegenverrechnung überlassen); vielmehr sei vorerst die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens zur Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Titels beim Titelgericht … abzuwarten; weiters komme die Ausfolgung oder Überlassung an die … [führende betreibende Partei] nur in Frage, wenn sie siegreich bleibe, die „Vollstreckbarkeit“ des Anerkenntnisurteils vom 24. Jänner 1991 also nicht aufgehoben werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem ihm am 14. Juli 2009 nach zuvor erfolgter Verfahrensunterbrechung neuerlich zur Entscheidung vorgelegten Rekurs des Zweitverpflichteten gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss nicht Folge und bestätigte den ihn betreffenden Teil dieser Entscheidung mit einer Maßgabe; dagegen gab es dem zugleich vorgelegten Rekurs der Erstverpflichteten dahin Folge, dass es in Ansehung der Verteilung des auf sie entfallenden Meistbots den Meistbotsverteilungsbeschluss aufhob und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Zum aufhebenden Teil ließ das Rekursgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Das Erstgericht habe über den Aufschiebungsantrag der Erstverpflichteten nicht entschieden, sondern lediglich die Auszahlung des auf diese entfallenden Meistbots sistiert. Aus seinem Beschluss ergebe sich nicht, was zu geschehen habe, wenn diese Partei die „Beseitigung des Titels“ erreiche.

Tatsache sei, dass das Titelgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 6. März 2003 die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Exekutionstitels aufgehoben habe. Überdies habe der dem Titelgericht übergeordnete Gerichtshof mit Beschluss vom 18. Mai 2009 in Ansehung der Vollstreckbarkeitsbestätigung die Nichtigkeit des Titels und des ihm vorangehenden Verfahrens ausgesprochen. Eine Entscheidung über den Aufschiebungsantrag sei daher „überholt“. Aufgrund der geänderten Situation durch Wegfall der führenden betreibenden Partei in dieser Funktion sei die Zuweisung der auf die Erstverpflichtete entfallenden Meistbote an jene als betreibende Partei nicht mehr zulässig. Grundlage sowohl der Verteilung als auch der vorangehenden Tagsatzung sei der inzwischen nichtige Titel gewesen. Es werde daher die Meistbotsverteilungstagsatzung zu wiederholen und eine der neuen Situation entsprechende Entscheidung über die auf die Erstverpflichtete entfallenden Teile der Meistbote zu fällen sein.

Der Rekurs sei zuzulassen, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die gegenständliche Konstellation fehle. Die [Bedeutung der] sich daraus ergebenden Rechtsfragen gehe über den Einzelfall hinaus.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Erstverpflichteten ist zulässig, weil sie zu Recht aufzeigt, dass das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, wonach Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren auf derselben Sachverhaltsgrundlage wie in erster Instanz zu fällen sind. Das Rechtsmittel ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Die Änderung der Firma der betreibenden Partei ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN 150714p; ebenso schon 6 Ob 19/09a). Die Parteibezeichnung ist daher gemäß § 78 EO iVm § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

2. Wie auch das Gericht zweiter Instanz im Grunde richtig erkennt, hat die Verteilung des Meistbots auf der Meistbotsverteilungstagsatzung zu beruhen, die nach § 209 Abs 1 EO zwingend durchzuführen ist (Angst in Angst, EO² § 209 Rz 3; Lecher in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 209 Rz 1; ebenso schon zur nach Art III Abs 1 der EONov 2000 hier noch anzuwendenden Fassung vor dieser Novelle Heller/Berger/Stix, EO4 1431; bei sonstiger Nichtigkeit, Verzicht wäre unzulässig: 3 Ob 109/90 [zur Nachtragsverteilung]). Wie für nach einer mündlichen Verhandlung ergehende Entscheidungen nach der ZPO (stRsp, Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 406 Rz 1 mwN) ist für den Meistbotsverteilungsbeschluss die Sach- und Rechtslage bei Schluss der Meistbotsverteilungstagsatzung maßgeblich (RIS-Justiz RS0050095; RS0003260; ebenso Angst aaO § 214 Rz 6); dasselbe gilt aber auch wegen des Neuerungsverbots (Jakusch in Angst aaO § 65 Rz 33 mwN) für die Rechtsmittelentscheidungen.

3. Zu Recht macht nun die führende betreibende Partei geltend, dass die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung (und erst recht die des Titelurteils) lange nach dem Schluss der (in der Exekutionsordnung an sich nicht vorgesehenen) zweiten Meistbotsverteilungstagsatzung (und auch nach dem etwa ein Jahr später gefassten Meistbotsverteilungsbeschluss) erfolgte. Anders als etwa bei Verneinung der materiellen Beschwer (wie auch aus § 50 Abs 2 ZPO abzuleiten ist, der die Berücksichtigung des nachträglichen Wegfalls der Beschwer in der Hauptsache voraussetzt), die für den Aufschiebungsantrag eine Rolle spielen könnte, über den aber vom Rekursgericht mangels einer anfechtbaren erstinstanzlichen Entscheidung dazu nicht abzusprechen war, durfte es daher bei seiner aufhebenden Entscheidung diese neuen Tatsachen nicht berücksichtigen.

4. Dennoch ist der angefochtene Beschluss zu bestätigen, weil die neuerliche Entscheidung über die Verteilung der Meistbote für die Anteile der Erstverpflichteten nicht zu vermeiden ist. Auch das Rekursgericht hielt fest, dass das Erstgericht über den Aufschiebungsantrag nicht oder zumindest nicht im Sinn der EO (wenn man, was denkbar scheint, die angeordnete Sistierung der Auszahlung als teilweise Aufschiebung wertet) entschied. Der Aufschiebungsantrag war zulässig, weil das Exekutionsverfahren, hier die Zwangsversteigerung, noch nicht beendet war (3 Ob 41/91; SZ 1 Ob 734/50 = 24/3 [erst mit Zahlung des Drittschuldners]); dies ist bei der Zwangsversteigerung erst mit der Ausfolgung der aus dem Meistbot zugewiesenen Beträge der Fall (RIS-Justiz RS0001247). Den Verfahrensmangel hat die Erstverpflichtete in ihrem Rekurs gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss hinreichend dargelegt, wenn sie die unterbliebene „Unterbrechung“ des Verfahrens rügt. Dass es einen wesentlichen Verfahrensmangel bedeutet, ohne vorherige oder (bei Abweisung zumindest gleichzeitige) Entscheidung über einen vorliegenden Aufschiebungsantrag den Meistbotsverteilungsbeschluss zu erlassen, unterliegt keinem Zweifel: Nach Stellung eines Aufschiebungsantrags hat sich das Exekutionsgericht bis zur Entscheidung darüber aller nicht mehr rückgängig zu machenden Exekutionsakte zu enthalten (zutr Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 43 Rz 2 (zur Meistbotsverteilung); Jakusch in Angst, EO² § 43 Rz 2). Da die Aufhebung bereits vollzogener Exekutionsakte nach § 43 Abs 2 EO wegen der Notwendigkeit, für die volle Befriedigung des betriebenen Anspruchs Sicherheit zu leisten, nur in den seltensten Fällen möglich sein wird, durfte das Erstgericht über die Meistbotsverteilung in Ansehung der Aufschiebungswerberin nicht mehr entscheiden.

5. Demnach hat es bei der Aufhebung des die Erstverpflichtete betreffenden Teils des Meistbotsverteilungsbeschlusses zu bleiben. Einer neuerlichen (dritten) Tagsatzung bedarf es aber (jedenfalls vorerst) nicht; das Erstgericht wird über den Aufschiebungsantrag und nach Rechtskraft dieser Entscheidung - falls sich nicht bis dahin die Verfahrenslage nochmals entscheidend ändert (Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 9 EO) - erneut unter Beachtung der oben zu 2. und 3. dargelegten Rechtslage sowie der folgenden Erwägungen über die Verteilung des restlichen Meistbots zu entscheiden haben: Für eine Sistierung der Ausfolgung der Meistbote wie in der aufgehobenen Entscheidung fehlt eine gesetzliche Grundlage. Zwar ist auf das schon 1991 eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren noch die EO idF vor der EONov 2000 BGBl I 2000/59 anzuwenden (Art III Abs 1 leg cit); die mit dieser Novelle abgeschaffte, der Entscheidung des Erstgerichts vergleichbare „zinstragende Anlegung“ eines Meistbots auf längere Zeit war aber nur für pfandrechtlich sichergestellte bedingte Forderungen (§ 221 EO aF) und solche auf wiederkehrende Leistungen (§ 219 EO aF) sowie bestimmte Dienstbarkeiten, Reallasten und Ausgedinge (§§ 225, 226 EO aF) vorgesehen. Solche Forderungen sind hier nicht zu beurteilen.

6. Bei der neuerlichen Entscheidung wird auch zu berücksichtigen sein, dass die damals nach der Aktenlage nicht mehr unter Sachwalterschaft stehende Erstverpflichtete in der zweiten Meistbotsverteilungstagsatzung (ON 221) einen weiteren Aufschiebungsantrag gestellt hatte, über den eine Entscheidung noch aussteht.

7. Obwohl der Rekurs der betreibenden Partei formell keinen Erfolg hatte, war die Entscheidung über die darauf entfallenden Kosten vorzubehalten, weil das Rechtsmittel zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat (§ 78 EO iVm § 52 ZPO; RIS-Justiz RS0036035).

Schlagworte

5 Exekutionssachen,Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E94502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00063.10A.0630.000

Im RIS seit

17.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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