TE OGH 2010/7/1 12Ns36/10f

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Veröffentlicht am 01.07.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2010 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Marco E***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG im Zuständigkeitsstreit der Bezirksgerichte Linz und Rattenberg betreffend das Verfahren 5 U 32/10p des Bezirksgerichts Rattenberg gemäß § 38 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Strafverfahren ist vom Bezirksgericht Linz zu führen.

Text

Gründe:

Am 7. April 2010 brachte die Bezirksanwältin der Staatsanwaltschaft Innsbruck beim Bezirksgericht Rattenberg einen Strafantrag gegen Marco E***** ein (ON 3). Diesem Angeklagten wird zur Last gelegt, er habe am 11. Dezember 2009 in R***** und anderen Orten 0,5 Gramm Cannabisharz sowie 200 mg Substitol erworben und besessen und hiedurch das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 (erster und zweiter Fall) SMG begangen.

Angesichts eines gegen Marco E***** zu AZ 17 U 243/09i beim Bezirksgericht Linz anhängigen offenen (Haupt-)Verfahrens wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB trat das Bezirksgericht Rattenberg das Verfahren am 8. April 2010 gemäß § 37 StPO dem Bezirksgericht Linz ab.

Dieses wiederum beschloss die getrennte Verfahrensführung gemäß § 27 StPO und die Rückabtretung an das Bezirksgericht Rattenberg gemäß § 36 StPO und begründete dies damit, dass das Gericht gemäß § 37 SMG die zwingende Vorschrift des § 35 SMG anzuwenden habe (S 2).

Das Bezirksgericht Rattenberg übermittelte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der - auch im bezirksgerichtlichen Verfahren anzuwendenden (Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 7) - Vorschrift des § 37 Abs 2 StPO sind gegen einen Angeklagten anhängige Hauptverfahren zu verbinden, wobei das Verfahren im Falle mehrerer Straftaten jenem Gericht (gleicher Ordnung) zukommt, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO).

Da im Zeitpunkt der Einbringung des Strafantrags gegen Marco E***** beim Bezirksgericht Linz gegen ihn bereits ein Verfahren aufgrund eines am 28. August 2009 eingebrachten Strafantrags wegen des Vorwurfs des Diebstahls nach § 127 StGB anhängig war, war das Bezirksgericht Linz auch für die Führung des Verfahrens aufgrund des nunmehr eingebrachten Strafantrags zuständig. Die Tatsache, dass das Bezirksgericht Linz formal keine Einbeziehung nach § 37 StPO verfügte und das gegen den Angeklagten geführte Verfahren AZ 17 U 243/09i in der Zwischenzeit abgeschlossen ist, vermag an der aufgrund des Zusammenhangs im Gesetz vorgegebenen Zuständigkeit nichts zu ändern, läge es doch andernfalls in der Hand des zur Einbeziehung verpflichteten Gerichts, durch die Verweigerung der Einbeziehung eine berechtigte Verfahrensabtretung und durch eigene rasche Verfahrensführung das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) zu beeinflussen (12 Ns 67/08m; Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 10).

Eine Trennung aus Gründen der Verfahrensökonomie nach § 36 Abs 4 StPO - hier zwecks Prüfung der Voraussetzungen für ein Vorgehen gemäß § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG - kann eine aufgrund des Zusammenhangs bestehende Zuständigkeit, von den hier nicht vorliegenden Ausnahmen der Ausscheidung einer allgemein strafbaren Handlung durch ein Gericht mit Sonderzuständigkeit oder der Ausscheidung einer vor das Bezirksgericht gehörenden Straftat durch ein Landesgericht abgesehen, nicht beseitigen.

§ 450 StPO regelt - anders als § 485 Abs 1 Z 1 StPO im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter - ausschließlich die sachliche Zuständigkeit. Erachtet sich das Bezirksgericht indes für örtlich unzuständig, hat es - gegebenenfalls auch erst in der Hauptverhandlung - nach § 38 StPO vorzugehen und das Verfahren dem zuständigen Gericht zu überweisen (Bauer, WK-StPO § 450 Rz 9).

Das bislang zum AZ 5 U 32/10p des Bezirksgerichts Rattenberg geführte Verfahren fällt daher in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Erwerb und Besitz von Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu unterstellen ist.

Textnummer

E94503

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120NS00036.10F.0701.000

Im RIS seit

17.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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