Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Melchior Bechter, Rechtsanwalt in Bregenz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Dr. Rainer S*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen 72.100 EUR sA, infolge von Revisionsrekursen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 17. März 2009, GZ 2 R 45/09y-23, womit der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Jänner 2009, GZ 9 Cg 260/07f-18, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.113,36 EUR (darin enthalten 685,56 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei betreibt eine Bodenaushubdeponie. Der Beklagte war für diese Deponie mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung als Bau- und Deponieaufsichtsorgan gemäß den §§ 49 und 63 Abs 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I 2002/102 (AWG 2002) bestellt worden. Als Deponieleiter iSd § 25 Abs 1 Deponieverordnung, BGBl 1996/164 (DeponieVO), fungierte ein Mitarbeiter der klagenden Partei.
Die Gesellschafter der klagenden Partei waren zugleich Inhaber eines Transportbetonwerks. Beabsichtigt war, dort angefallenen Restbeton auf der Deponie zu entsorgen. Da gegen die Deponietauglichkeit des Restbetons Bedenken bestanden, kontaktierte einer der Geschäftsführer den Beklagten. Dieser bestand auf der Durchführung einer Analyse des zu deponierenden Materials. Im Zuge einer Besichtigung wurde im Transportbetonwerk aus diesem Material eine Probe entnommen; der Beklagte veranlasste eine Laboranalyse. Nachdem er von deren Ergebnis telefonisch verständigt worden war, teilte er einem Mitarbeiter der klagenden Partei - ebenfalls telefonisch - mit, dass das Material für das Einlagern in der Deponie geeignet sei. Im schriftlichen Prüfbericht, der dem Beklagten nicht übermittelt wurde, waren nur einzelne Ergebnisse enthalten, eine ausdrückliche Bewertung der Deponietauglichkeit fehlte. Ob und wie der Laborleiter die Deponietauglichkeit anlässlich des Telefonats beurteilt hatte, ist nicht feststellbar. Nachdem 3.409,50 Tonnen Restbeton in die Deponie eingebaut worden waren, erstellte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Deponieaufsichtsorgan den an das Amt der Vorarlberger Landesregierung gerichteten Jahresbericht 2006, in welchem er ausführte, dass der Restbeton entsprechend der von ihm veranlassten Laboranalyse für die Deponierung habe freigegeben werden können. Die Vertreter des Amts der Vorarlberger Landesregierung wiesen in einer Stellungnahme zum Jahresbericht darauf hin, dass einem Deponieaufsichtsorgan lediglich Kontrollaufgaben und nicht Funktionen im Hinblick auf den laufenden Betrieb einer Deponie zukämen und dass entgegen den Ausführungen des Beklagten die Analysen erbracht hätten, dass diverse Grenzwerte erheblich überschritten worden wären. Das deponierte Material sei wieder zu entfernen. In der an die klagende Partei gerichteten Jahresabrechnung für seine „Tätigkeiten als Bau- und Deponieaufsichtsorgan“ der Deponie verzeichnete der Beklagte zwei Arbeitsstunden für die Begehung, Entnahme und Übermittlung der Probe aus dem Betonwerk und weiters eine Arbeitsstunde für die „Abklärung Material Betonwerk“. In Entsprechung der Aufforderung des Amts der Vorarlberger Landesregierung wurde das Material letztendlich aus der Deponie der klagenden Partei entnommen, zu einer anderen Deponie transportiert und dort eingelagert. Dafür entstanden der klagenden Partei Kosten in Höhe von 89.127,61 EUR.
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten - gestützt auf die §§ 1293, 1299, 1300, 1311 ABGB und „auf sämtliche gesetzliche Bestimmungen sowie auf Verstöße gegen die Deponieverordnung und gegen den Bescheid“ - 72.100 EUR sA an Schadenersatz, vor allem für die Umlagerung des deponierten Materials. Der Beklagte sei in Ansehung der Einlagerung des Restbetons ausschließlich auf privatrechtlicher Ebene für die klagende Partei als Berater und Sachverständiger gegen Entgelt tätig geworden. Die von ihm erteilte Auskunft sei aber inhaltlich unrichtig gewesen. Als Deponiebeauftragter sei er zu dieser Auskunft auch nicht befugt gewesen und habe die ihm gesetzlich eingeräumten Kompetenzen überschritten. Er hafte für den hiedurch verursachten Schaden; Amtshaftung komme nicht zum Tragen.
Der Beklagte wendete insbesondere ein, er habe als Deponieaufsichtsorgan in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen der staatlichen Hoheitsverwaltung in Vollziehung des AWG 2002 gehandelt, weshalb der ordentliche Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Das Gesetz sehe zwar nur vor, dass das Deponieaufsichtsorgan die Deponiefähigkeit eingebrachter Materialien im Nachhinein zu kontrollieren habe. Eine vor Einlagerung vorgenommene Bewertung des Materials diene aber demselben Zweck wie die vom Gesetz vorgesehene nachträgliche Kontrolle, nämlich der Sicherstellung einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Deponie. Auch wenn die Probenentnahme nicht in der Deponie erfolgte, sondern im Transportbetonwerk, habe sie doch in die Deponie einzulagerndes Material betroffen. Angesichts dieser identischen Zielsetzung könne es für die Einschätzung als (hoheitliches) Organhandeln keinen entscheidenden Unterschied machen, ob die Probe vor - oder wie vom Gesetz vorgesehen - nachträglich zur Kontrolle entnommen und bewertet wurde.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei der gemäß § 9 Abs 5 AHG erforderlichen Beurteilung der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs komme es nicht darauf an, ob die Klage ausdrücklich auf das Amtshaftungsgesetz oder auf andere Bestimmungen gestützt werde. Entscheidend sei lediglich die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs. Die klagende Partei leite ihren Anspruch aus hoheitlichem Handeln des Beklagten mit der Begründung ab, dass dessen Tätigwerden den im Abfallwirtschaftsgesetz festgeschriebenen Zielsetzungen und damit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gedient habe. Der in § 63 AWG bzw § 32 DeponieVO normierte Tätigkeitsbereich des Deponieaufsichtsorgans umfasse auch die Kontrolle des eingebrachten Materials. Dass der Beklagte die Deponiekontrolle nicht erst im Nachhinein, sondern bereits im Vorfeld der beabsichtigten Einlagerung vorgenommen hat, hindere nicht die Zuordnung dessen Handelns zu jenem Rechtsträger, der ihn bestellt hatte. Wesentlich sei, dass die Tätigkeit des Beklagten in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den von ihm wahrzunehmenden hoheitlichen Kontrollaufgaben gestanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse der klagenden Partei sowie der auf deren Seite beigetretenen Nebenintervenientin sind zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach Ansicht der Revisionsrekurswerber stellt die schadenskausale Tätigkeit des Beklagten kein hoheitliches Wirken, sondern ausschließlich eine „private“ Beratungstätigkeit auf Werkvertragsbasis dar; dies vor allem deshalb, weil der Beklagte seine Kompetenzen als Deponieaufsichtsorgan überschritten habe. Hiezu ist auszuführen:
1. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen finden sich im AWG 2002 und in der auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwendenden (mittlerweile durch das BGBl II 2008/39 aufgehobenen) Deponieverordnung BGBl 1996/164 (in der Folge DeponieVO). Nach § 63 Abs 3 AWG hat die Behörde zur Überprüfung von Deponien mit Bescheid eine Deponieaufsicht zu bestellen; § 49 Abs 3 bis 6 AWG gelten sinngemäß. Nach § 49 Abs 1 AWG hat die Behörde zur Überwachung der Bauausführung bei Deponien geeignete Aufsichtsorgane durch Bescheid zu bestellen. Die Aufsichtsorgane sind berechtigt, jederzeit Untersuchungen, Vermessungen und Prüfungen an der Baustelle vorzunehmen, Einsicht in Behelfe oder sonstige Unterlagen zu nehmen und erforderlichenfalls Baustoffe, Bauteile und bautechnische Maßnahmen zu beanstanden. Wird keine Übereinstimmung über die zu treffenden Maßnahmen erzielt, so ist unverzüglich die Entscheidung der Behörde einzuholen (§ 49 Abs 3 AWG). Das Deponieaufsichtsorgan hat die Einhaltung des AWG und der darauf beruhenden Verordnungen und Bescheide, insbesondere betreffend die Instandhaltung, den Betrieb, einschließlich der zu führenden Aufzeichnungen, und die Nachsorge, regelmäßig zu überprüfen. Es hat der Behörde darüber jährlich zu berichten. Wird bei Beanstandungen keine Übereinstimmung zwischen dem Deponieaufsichtsorgan und dem Inhaber der Deponie über die zu treffenden Maßnahmen erzielt, ist unverzüglich der Behörde zu berichten. Weitere Maßnahmen sind, soweit im Einzelfall erforderlich, von der Behörde mit Bescheid festzulegen. Die Kosten der Deponieaufsicht sind vom Inhaber der Deponie zu tragen (§ 49 Abs 6 AWG). Die Bestimmungen der §§ 49 und 63 AWG wurden in Orientierung an § 120 WRG geschaffen (Oberleitner, WRG2 § 120 Rz 10; § 120a Rz 1; Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr, 399). Nach der zu § 120 WRG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat die Behörde mit dem Bauaufsichtsorgan einen Werkvertrag zu schließen. Die ihr daraus erwachsenden - notwendigen - Kosten sind dem Inhaber der Deponie als Barauslagen iSd § 76 AVG vorzuschreiben (Schmelz in List/Schmelz, AWG 2002, 338 unter Hinweis auf die Entscheidung des VwGH 94/07/0102 zu § 120 WRG).
Nach § 8 Abs 1 der DeponieVO hat der Deponiebetreiber dafür Sorge zu tragen, dass die angelieferten Abfälle vor dem Einbau in den Deponiekörper einer Eingangskontrolle unterzogen werden, die sicherstellt, dass nur für die jeweilige Deponie zugelassene Abfallarten abgelagert werden. Gemäß Abs 2 der zitierten Bestimmung hat die Eingangskontrolle in jedem Fall eine Überprüfung der begleitenden Papiere auf Übereinstimmung mit den Erfordernissen der DeponieVO, insbesondere auf Vollständigkeit und Plausibilität zu umfassen. Darüber hinaus sind visuelle Kontrollen und stichprobenartige Identitätskontrollen gemäß § 9 DeponieVO durchzuführen sowie stichprobenartige Rückstellproben gemäß § 10 DeponieVO zu nehmen. Nach § 25 Abs 4 DeponieVO hat der Leiter der Eingangskontrolle oder sein Stellvertreter während der Übernahmezeiten von Abfällen auf der Deponie anwesend zu sein. Er ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Eingangs- und Identitätskontrolle, insbesondere für die Einhaltung der Bestimmungen des § 8 DeponieVO sowie für die Entnahme der Rückstellproben und deren Überprüfung verantwortlich. Der Leiter der Eingangskontrolle sowie erforderlichenfalls ein Stellvertreter sind vom Deponiebetreiber zu bestellen; diese sind mit entsprechenden Befugnissen auszustatten und der für die Aufsicht zuständigen Behörde namhaft zu machen (§ 25 Abs 1 DeponieVO).
§ 32 Abs 1 DeponieVO legt die Aufgaben bzw Befugnisse des Deponieaufsichtsorgans fest. Dieses hat die fortlaufenden Aufzeichnungen zu kontrollieren und anhand derselben zu überprüfen, ob die Eingangskontrolle und Identitätskontrolle ordnungsgemäß durchgeführt und die erforderlichen Rückstellproben genommen wurden. Weiters hat das Deponieaufsichtsorgan mindestens einmal jährlich und maximal viermal jährlich Überprüfungen der abgelagerten Abfälle mittels Entnahme von Stichproben und deren Analyse zu veranlassen (§ 32 Abs 3 DeponieVO). Bei der Untersuchung der abgelagerten Abfälle sind insbesondere jene Parameter zu überprüfen, die auch unter Berücksichtigung der möglichen chemischen Veränderung der Probe eine Aussage darüber erlauben, ob tatsächlich nur Abfälle abgelagert wurden, die den Bestimmungen der DeponieVO entsprechen (§ 32 Abs 4 DeponieVO). Es sind fortlaufende Aufzeichnungen über die Aufsichtstätigkeit zu führen und diese der für die Aufsicht zuständigen Behörde jeweils bis spätestens 10. April des Folgejahres vorzulegen. Ergeben sich im Rahmen der Kontrolltätigkeit deutliche Hinweise auf Verstöße gegen die DeponieVO hat das Deponieaufsichtsorgan diese unverzüglich der für die Aufsicht zuständigen Behörde zu melden (§ 32 Abs 5 und 6 DeponieVO). Wer als Bauaufsicht gemäß § 49 AWG oder Deponieaufsicht gemäß § 63 Abs 3 AWG die ihm obliegenden Überwachungs-, Verschwiegenheits- oder Informationspflichten grob vernachlässigt, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist (§ 79 Abs 1 Z 11 AWG). Der Deponieinhaber darf die Deponieaufsicht an der Ausübung seiner Tätigkeit bei sonstiger Strafandrohung nicht hindern (§ 79 Z 10 AWG). Die Verantwortlichkeit des Inhabers einer Deponie kann durch Bestellung eines Deponieaufsichtsorgans nicht eingeschränkt werden (§ 49 Abs 5 Satz 2 iVm § 63 Abs 3 Satz 2 AWG).
Aus diesen Bestimmungen des AWG und der DeponieVO ergibt sich, dass die Bestellung des Beklagten als Deponieaufsichtsorgan nach § 49 iVm § 63 Abs 3 AWG 2002 und der DeponieVO einen der (zahlreichen) Fälle der Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben an Private darstellt. Das Deponieaufsichtsorgan wird durch einen Hoheitsakt zu Amtshandlungen im Namen des Rechtsträgers ermächtigt. Auch wenn dem Beklagten als Deponieaufsichtsorgan keine Entscheidungsbefugnis zukam, sondern er der Behörde über seine Wahrnehmungen über die Deponietauglichkeit- oder -untauglichkeit eingelagerten Materials zu berichten hatte (§ 63 Abs 3 AWG), war er mit Aufgaben in Vollziehung der Gesetze betraut. Die Organstellung Privater ist nämlich auch dann zu bejahen, wenn sie keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht bzw sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten (RIS-Justiz RS0104351; RS0049972). Dass für die als hoheitlich zu wertende Leistung Entgelt zu entrichten ist, vermag die Anwendung des Amtshaftungsgesetzes und damit auch die Qualifikation als Organ nicht auszuschließen (1 Ob 296/03s mit weiteren Beispielsfällen, etwa die Transportbegleitung und die Überprüfung nach § 57a KFG).
2. Zur Abgrenzung der Kompetenzen des Leiters der Eingangskontrolle und des Deponieaufsichtsorgans ergibt sich aus dem AWG und der DeponieVO, dass die Eingangskontrolle grundsätzlich nicht in den Aufgabenbereich des Deponieaufsichtsorgans fällt, sondern zum Aufgabenbereich des Deponiebetreibers gehört, der einen (fachlich versierten) Leiter der Eingangskontrolle zu bestellen hat (Tessar, Grundriss des Abfallwirtschaftsrechts, 244; Bergthaler/Wolfslehner, Das Recht der Abfallwirtschaft2, 149). Selbst wenn die Entnahme einer Probe des zu deponierenden Materials und dessen „Freigabe“ nach Vorliegen der Laborergebnisse als zur Deponierung geeignet, eine Überschreitung der Befugnisse eines Deponieaufsichtsorgans darstellen sollte, ist der Ansicht beider Rechtsmittelwerber nicht zu folgen, aus einer solchen Überschreitung der Zuständigkeit ergebe sich zwingend, dass der Beklagte als „privater“ Sachverständiger in Erfüllung eines zwischen ihm und dem Deponiebetreiber bestehenden Werkvertrags und nicht in seiner Eigenschaft als Organ tätig geworden sei. Der Rechtsträger haftet nämlich selbst dann, wenn ein von ihm zur Vollziehung der Gesetze bestelltes Organ auch nur unter dem Anschein hoheitlichen Handelns Schaden zufügt, vor allem wenn es sich auf seine Amtsstellung beruft (RIS-Justiz RS0049981). Die bloße Überschreitung der Zuständigkeit kann die Qualifikation als Organhandlung nicht ausschließen; eine schuldhafte Gesetzesverletzung, für die der Rechtsträger zu haften hat, liegt vielmehr nicht selten gerade darin, dass ein Organ nicht im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit handelte (SZ 54/171; 1 Ob 38/04a; Schragel aaO Rz 27). Eine Zurechnung kann der Rechtsträger, der das Organ bestellt hat und in dessen Namen das Organ handelte, nur dann ablehnen, wenn das dem Organ vorgeworfene Verhalten seiner Art nach und für den Geschädigten erkennbar nicht zu dessen Vollzugsbereich gehörte. Ob dies der Geschädigte hätte erkennen müssen, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zu beurteilen. Ein Rechtsträger muss sich im Zweifel das Verhalten, das ein von ihm - wenn auch für andere Aufgaben - bestelltes Organ in Vollziehung der Gesetze setzte, schon als Folge der von ihm durch die Bestellung für Außenstehende geschaffenen Vertrauenslage zurechnen lassen (1 Ob 165/05d; Schragel aaO).
Dass der Beklagte als Deponieaufsichtsorgan eine Amtshandlung durchführen wollte, ergibt sich schon daraus, dass er den für seine hier maßgebliche Tätigkeit entstandenen Zeitaufwand in die Jahresabrechnung für seine „Tätigkeiten als Bau- und Deponieaufsichtsorgan“ aufnahm. Zu bejahen ist auch der für die Abgrenzung einer Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze von einer privaten Tätigkeit maßgebliche äußere und innere Zusammenhang zwischen der Erfüllung von Aufgaben hoheitlicher Zielsetzung und der schädigenden Handlung (RIS-Justiz RS0050075). In der Regel liegt ein hinreichend enger Zusammenhang nämlich selbst dann vor, wenn ein an sich ordnungsgemäß bestelltes Organ Handlungen setzt, zu deren Vollziehung es nicht berufen ist, es also seine Kompetenzen überschreitet oder allenfalls sogar sein Amt missbraucht (RIS-Justiz RS0103735).
Der Beklagte wäre nur dann nicht als Organ, sondern „privat“ als Sachverständiger im Auftrag der klagenden Partei, tätig geworden, wenn er Handlungen vorgenommen hätte, die in keinerlei Zusammenhang mit seinen Aufgaben als Deponiebeauftragter stünden oder wenn er seine Zuständigkeit erkennbar gar nicht hätte wahrnehmen wollen. Das ihm hier vorgeworfene Verhalten bestand aber in der einem Deponieaufsichtsorgan an sich zustehenden Bewertung der Deponietauglichkeit eines Materials nach Entnahme von Proben und Veranlassung einer Laborüberprüfung. Der Zeitpunkt dieses Tätigwerdens - vor Einlagerung des Materials - kann den sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben als Deponiebeauftragter nicht aufheben; dies trifft auch auf den Ort der Probenziehung (im Betonwerk) zu; beiden Umständen kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Für die klagende Partei konnte die von ihr nun behauptete Überschreitung der Kompetenzen gar nicht erkennbar sein, machte es doch von ihrem Standpunkt aus bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise durchaus Sinn, dass der Deponiebeauftragte bei Bedenken gegen die Deponietauglichkeit die Materialkontrolle nicht erst im Nachhinein, sondern bereits im Vorfeld der beabsichtigten Einlagerung vornimmt, um nachträgliche Beanstandungen und etwaige Umlagerungskosten zu vermeiden. Es liegt geradezu auf der Hand, dass es den Geschäftsführern der klagenden Partei bei der erbetenen Auskunft wesentlich auf die Organstellung des Beklagten als Deponieaufsichtsorgan ankam und sie durch dessen Beiziehung trachteten, das in einem „Problemfall“ gegebene unternehmerische Risiko aus einer etwaigen Fehleinschätzung der Deponietauglichkeit zu vermeiden. Der Beklagte wiederum wurde als Deponieaufsichtsorgan aufgrund eines Auskunftsersuchens tätig; dies mit der Zielsetzung, dem Inhaber der von ihm zu beaufsichtigenden Deponie eine wirtschaftliche Disposition zu erleichtern. Er erteilte die Auskunft nicht nur ohne jeden Vorbehalt, sondern erweckte den Eindruck, es handle sich um eine in seine Befugnisse als Deponieaufsichtsorgan fallende, vollständige und abschließende Auskunft, auf deren Richtigkeit die klagende Partei vertrauen und die sie ihrer Entscheidung über die Einlagerung des Materials zu Grunde legen durfte. Liegt ein enger innerer und äußerer Zusammenhang zu den Rechten und Pflichten des Beklagten als Deponieaufsichtsorgan vor, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob seine schadensverursachende Tätigkeit innerhalb seiner Kompetenzen als Deponieaufsichtsorgan erfolgte oder bereits eine Befugnisüberschreitung vorlag. Der verursachte Vermögensschaden ist - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - durch die Gewährung von Schadenersatz im Rahmen des Amtshaftungsgesetzes ersetzbar (1 Ob 173/03b; RIS-Justiz RS0113716; Schragel aaO Rz 295).
3. Liegt ein fehlerhafter Hoheitsakt eines Organs vor, sind daraus allein Amtshaftungsansprüche abzuleiten. Ansprüche nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht scheiden aus, weil § 1 Abs 1 AHG in der Frage der Rechtsträgerhaftung eine abschließende Regelung der Haftung von Rechtsträgern für ihre Organe trifft, die den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts vorgehen (RIS-Justiz RS0082339). Für eine (Schadenersatz-)Klage gegen das Organ ist gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig. Bei Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs kommt es nicht darauf an, wie der Kläger den Anspruch qualifiziert hat, ob er also seine Klage ausdrücklich auf das Amtshaftungsgesetz oder - wie hier - (auch) auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt hat, weil allein die Natur und das Wesen des geltend gemachten und durch das Gericht zu beurteilenden Streitgegenstands maßgeblich ist (1 Ob 296/03s = SZ 2004/145). Entscheidend ist, dass die klagende Partei in Wahrheit den Beklagten als Organ wegen dessen hoheitlichen Handelns belangt. Die für die Klage gegen das Organ gegebene Unzulässigkeit des Rechtswegs kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, der Ersatzanspruch werde nicht nur auf das AHG gestützt, sondern aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht abgeleitet (1 Ob 49/95 = SZ 68/220). Stellt sich heraus, dass der Beklagte als Deponieaufsichtsorgan in Vollziehung der Gesetze gehandelt hat, ist die Klage zurückzuweisen, was auch immer die klagende Partei vorbrachte (Schragel aaO Rz 258).
Die Vorinstanzen haben die Klage somit mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zu Recht zurückgewiesen (SZ 68/220 uva). Beide Revisionsrekurse müssen daher erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Schlagworte
4 Amtshaftungssachen,Textnummer
E94646European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00121.09I.0706.000Im RIS seit
03.09.2010Zuletzt aktualisiert am
14.02.2012