Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Alois B*****, und 2. Sabine B*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, wegen 11.388,40 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. April 2010, GZ 1 R 79/10d-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 4. März 2010, GZ 10 C 297/10i-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Kläger begehrten in ihrem Hauptbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihnen Zug um Zug gegen Rückstellung einer bestimmten Anzahl von Aktien einer AG 11.388,40 EUR samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2010 zu zahlen. Sie brachten dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte habe sie durch unrichtige Informationen zum Erwerb der Aktien um einen Preis von 9.824,99 EUR veranlasst. Sie hätten daher aus dem Titel des Schadenersatzes Anspruch auf Rückabwicklung des abgeschlossenen Geschäfts im Sinne einer Naturalrestitution. Darüber hinaus sei ihnen ein weiterer positiver Schaden durch das Unterlassen einer alternativen Veranlagung entstanden. Der entgangene Zinsgewinn, für dessen Berechnung (vorläufig nur) ein Zinssatz von 4 % veranschlagt werde, betrage für den Zeitraum vom 9. 12. 2004 bis 1. 3. 2010 1.563,41 EUR, weshalb die gesamte Rückforderungssumme 11.388,40 EUR ergebe und den „verfahrensgegenständlichen Streitwert“ darstelle.
Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück, weil Bezirksgerichte nur für Streitsachen mit einem Streitwert bis einschließlich 10.000 EUR zuständig seien.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers handle es sich beim geltend gemachten Zinsenentgang nicht um eine Nebenforderung nach § 54 Abs 2 JN, die bei der Wertberechtigung unberücksichtigt zu bleiben hätte. Die geltend gemachten Zinsen stellten vielmehr einen eigenständigen Schadenersatzanspruch dar, der von der ebenfalls begehrten Rückabwicklung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution unabhängig sei. Die Geltendmachung von Naturalrestitution im Wege des Schadenersatzes sei nicht als Hauptforderung anzusehen, zu der der Anspruch auf Ersatz des Schadens in Form eines Zinsenentgangs wegen Schlechtberatung eine Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN darstelle. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Beurteilung von als positiver Schaden geltend gemachten Zinsenentgängen als eigene Hauptforderung keine gefestigte Judikatur vorliege und im Hinblick auf die Vielzahl von Anlegerverfahren der Klärung dieser Frage eine über den konkreten Fall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig, weil in jüngerer Zeit zahlreiche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zur vorliegenden Problematik ergangen sind, sodass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht (mehr) zu lösen ist.
In den zuletzt ergangenen Entscheidungen (1 Ob 84/10z, 9 Ob 25/10g, 4 Ob 90/10d, 4 Ob 95/10i ua) wurde die Rechtsansicht des Rekursgerichts als zutreffend erachtet, wobei im Einzelnen auf die - im Wesentlichen übereinstimmenden - Begründungen der angeführten Beschlüsse zu verweisen ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Zinsen nur dann eine nach § 54 Abs 2 JN bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigende Nebenforderung darstellen, wenn sie gleichzeitig mit einer Hauptforderung als deren Annex bzw als „akzessorisches Nebenprodukt“ geltend gemacht werden. Davon kann allerdings in Konstellationen keine Rede sein, in denen ein Teil des Schadens im Erwerb eines unerwünschten Wertpapiers besteht, ein anderer hingegen im Entgang jenes Vermögensgewinns, der bei einer Alternativveranlagung erzielt worden wäre.
Textnummer
E94601European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00122.10P.0706.000Im RIS seit
27.08.2010Zuletzt aktualisiert am
27.08.2010