TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/25 2000/20/0463

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Veröffentlicht am 25.01.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des S S in Wien, geboren am 6. Mai 1961, vertreten durch Dr. Klaus Schimik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. September 2000, Zl. 218.321/0-II/39/00, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund den Aufwand in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, betrat am 10. April 2000 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 13. April 2000 einen Asylantrag, den er bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 26. Juli 2000 wie folgt begründete:

"Ich habe mein Heimatland verlassen, da ich dort keine Arbeit gefunden habe. Mein Ziel war es, mein Heimatland zu verlassen, in irgendein europäisches Land zu gelangen, um dort Arbeit zu finden.

...

Ich bin Angehöriger einer niedrigen Kaste, der 'Chamar'. Ich konnte nirgendwo Arbeit finden. Ich bin nach Europa gereist, weil ich von Freunden gehört habe, dass man in Europa Arbeit findet."

Die Frage, ob dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung drohe, verneinte der Beschwerdeführer ebenso wie die Frage, ob er je politisch tätig gewesen sei oder je Probleme mit der Polizei gehabt habe.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 6 Z 1 AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es stellte zur politischen und menschenrechtlichen Situation im Heimatland des Beschwerdeführers fest, dass Art. 15 der Indischen Verfassung die Diskriminierung auf Grund der Religion, der Rasse, der Kaste, des Geschlechts oder des Geburtsortes verbiete. Die Entwicklungsrechte von Minderheiten und Kasten würden durch Art. 29 und 46 der Verfassung geschützt. Für Minderheiten und Mitglieder unterer Kasten gäbe es Quoten in wählbare Institutionen, Universitäten, der öffentlichen Verwaltung und der politischen Repräsentation. In Art. 17 der Verfassung sei die Diskriminierung auf Grund der "Unberührbarkeit" abgeschafft worden. Das seit 1997 amtierende Staatsoberhaupt entstamme einer der untersten Kasten. Die Neuwahlen im Herbst 1999 habe die regierende Nationale Demokratische Allianz unter der Führung der rechtsnationalen Bharatiya Janata Party (BJP) klar für sich entschieden. Am 5. Februar 1998 habe die BJP ihre Toleranz gegenüber allen Religionen erklärt. Indien sei das siebtgrößte Land der Erde mit der zweitgrößten Bevölkerungszahl und einer großen ethnischen und religiösen Vielfalt. Dies ermögliche dem Einzelnen, der sich wegen seiner ethnischen oder Religionszugehörigkeit verfolgt fühle, die Niederlassung in anderen Landesteilen. Eine unmittelbare staatliche Verfolgung bestimmter Personengruppen aus den in der Genfer Konvention genannten Gründen im Sinne eines zielgerichteten vorsätzlichen Handelns durch den Staat gebe es nicht. Auch für Personen ohne spezielle berufliche Qualifikationen bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, vor allem im städtischen Bereich immer wieder Gelegenheitsarbeiten zu finden, die es ermöglichen, den Lebensunterhalt zu bestreiten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt aus, dass die schlechten wirtschaftlichen Perspektiven des Beschwerdeführers in Indien die Asylgewährung nicht rechtfertigten. Nachteile, die auf die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen seien, stellten keine Verfolgung im Sinne des AsylG dar. Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Gefahr liefe, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, bestünden nicht.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus:

"Ich gehöre einer niedrigen Kaste und deswegen habe ich nicht nur die Staatliche Verfolgung sondern auch die Gesellschaftliche Verfolgung in Indien, ich kriege keine Arbeit auch nicht gelegentlich weil das nach dem Hindu Religion verboten ist. Die jetzige regierende Hindu Partei BJP macht eine grosse Aktion gegen andere Religionen und gegen niedrige Kasten. Diese Art von Verfolgung ist auch weltbekannt und die Menschenrechte Organisationen kritisieren die jetzige Indische Regierung für ihre Unterstützung für die BJP und Rechtsextremist Organisationen. Ich gehöre die bestimmte sozial Gruppe nach Artikel 1 Abschnitt A Z der Genfer Flüchtlingskonvention."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 6 Z 1 in Verbindung mit Z 4 und § 8 AsylG ab.

Die belangte Behörde stellte die Ladung des Beschwerdeführers zur mündlichen Berufungsverhandlung vom 4. September 2000 dem vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten Dr. E.D. zu. In der mündlichen Berufungsverhandlung wurde lediglich der Verwaltungsakt verlesen und von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen, weil der Beschwerdeführer unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht erschienen war.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde Folgendes aus:

"Der Berufungswerber hat im gesamten Verfahren vorgebracht, dass er einer niederen Kaste angehöre und daher keine Arbeit bekomme. (...) Die Erstbehörde hat zurecht auf die Artikel 15, 17, 29 und 46 der indischen Verfassung vom 26. 1. 1950 sowie darauf, dass für Minderheiten und Mitglieder unterer Kasten es Quoten in wählbaren Institutionen, Universitäten, der öffentlichen Verwaltung und der politischen Repräsentation (zumeist 22 % Posten) gibt, verwiesen. (...) Zumal im Berufungsverfahren keine neuen Sachverhaltselemente vorgebracht wurden, bezieht sich die erkennende Behörde - um Wiederholungen zu vermeiden - zustimmend auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und erhebt diese zur Begründung im vorliegenden Fall."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Bereits dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt war zu entnehmen, dass er als Angehöriger einer niedrigen Kaste, der Chamar, nirgendwo Arbeit habe finden können. Die Behörde erster Instanz ist auf dieses Vorbringen, dem auch eine angebliche Benachteiligung des Beschwerdeführers auf Grund seiner Kastenzugehörigkeit zu entnehmen war, eingegangen und hat auf Grund der im Einzelnen zitierten Beweismittel ausführliche Feststellungen darüber getroffen, dass die Kasten in Indien durch den Staat nicht diskriminiert würden und dass auch für Personen ohne spezielle berufliche Qualifikation eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, vor allem im städtischen Bereich immer wieder Gelegenheitsarbeiten zu finden, die es ermöglichten, den Lebensunterhalt zu bestreiten. In seiner Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer zwar, auf Grund seiner Kastenzugehörigkeit keine Arbeit finden zu können, er trat jedoch den Feststellungen der Behörde erster Instanz nur durch generelle gegenteilige Behauptungen und durch das unsubstanziierte Vorbringen entgegen, dass die regierende Partei BJP "eine große Aktion" gegen niedrige Kasten mache.

Der Beschwerdeführer hätte Gelegenheit gehabt, in der von der belangten Behörde anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung die gegen ihn gerichtete angebliche Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer niedrigen Kaste näher darzulegen und zu beweisen. Sollte er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sein, an der mündlichen Berufungsverhandlung teilzunehmen, so wäre ihm ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG offen gestanden.

Auch in der Beschwerde vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen, durch welche konkreten staatlichen bzw. dem Staat zuzurechnenden privaten Vorgehensweisen er gerade wegen seiner Zugehörigkeit zu einer niedrigen Kaste in Indien verfolgt werde, sondern er beschränkt sich darauf, die nicht näher substantiierten Behauptungen der Berufung zu wiederholen. Er unterlässt es insbesondere darzulegen, wodurch er "allfällige Unklarheiten" über seine Asylgründe hätte beseitigen können und worin die nähere Schilderung seiner "Verfolgung in staatlicher und gesellschaftlicher Weise" bestanden hätte, wozu er im vorliegenden Fall insbesondere deshalb Anlass gehabt hätte, weil die behauptete Verfolgung in der Unterlassung, ihm Arbeit zu geben, bestanden haben soll. Der Beschwerdeführer hat somit nicht dargelegt, inwieweit die belangte Behörde durch die Wiederholung der mündlichen Berufungsverhandlung und Vernehmung des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Soweit die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass die verfassungsmäßige Situation in Indien lediglich einen Soll-Zustand darstelle, der nicht mit dem gegebenen Ist-Zustand übereinstimme, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen.

Der bloße Umstand, in Indien keine Arbeit finden zu können, stellt keinen Asylgrund dar, weshalb die belangte Behörde die Abweisung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet zu Recht bestätigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Indien einer der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Gefahren ausgesetzt sein könnte, sind nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200463.X00

Im RIS seit

09.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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