Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R*****, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. März 2010, GZ 6 R 43/10a-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß
§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Sobald der Angehörige eines freien Berufs mit Sitz im Ausland auch im Inland tätig wird, hat er zusätzlich die hier geltenden Berufs- und Standesregeln einzuhalten (vgl 4 Ob 233/03y betreffend einen europäischen Rechtsanwalt). Die Beurteilung des Rekursgerichts, ein Zahnarzt werde bereits dann im Inland tätig, wenn er hier durch Werbemaßnahmen Patienten für eine Behandlung an seinem ausländischen Ordinationsstandort zu gewinnen versucht, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach Standesrichtlinien auch für jede im Inland vorgenommene Werbung zugunsten ausländischer Ärzte gelten (4 Ob 2170/96p mwN).
1.2. An dieser Rechtslage hat auch § 35 Zahnärztegesetz und die aufgrund dieser Bestimmung erlassene Werberichtlinie nichts geändert, weil die dort normierten Werbebeschränkungen sowie Verbote standeswidrigen Verhaltens und der Provisionsannahme weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszweck auf im Inland ansässige Zahnärzte beschränkt sind. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel ist aus § 30 Zahnärztegesetz nichts Gegenteiliges zu gewinnen. Diese Bestimmung regelt nämlich nur, unter welchen Bedingungen zahnärztliche Tätigkeiten im Inland ausgeübt werden dürfen, macht hingegen keine Aussagen über die Zulässigkeit und Rechtsfolgen inländischer Werbemaßnahmen für zahnärztliche Behandlung im Ausland.
2. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 35 Zahnärztegesetz und die diese Bestimmung konkretisierende Werberichtlinie unter Umständen zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen kann und daher (zumindest) dann unter § 1 Abs 1 Z 1 UWG fällt, wenn er nicht mit guten Gründen vertreten werden kann (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch; 4 Ob 199/08f mwN). Seine Auffassung, dass verbotene „Vergütungen“ iSd § 35 Abs 3 Zahnärztegesetz nicht nur geldmäßige Vergütungen, sondern auch einen vom Beklagten versprochenen „individuellen Extrabonus“ umfasse, dass Art 3 lit f Werberichtlinie die Gewährung eines Nachlasses auf zahnmedizinische Leistungen mittels Gutscheins dem Anbieten solcher Leistungen auf Gutschein gleich zu halten sei und dass auch die Versendung von Briefen an den in Art 3 lit h Werberichtlinie genannten Personenkreis unter den Tatbestand dieser Bestimmung falle, legt die genannten Bestimmungen in vertretbarer Weise aus.
3. Im Sicherungsverfahren kann das Gericht zweiter Instanz nach der Aktenlage auch einen von der Tatsachengrundlage des Erstgerichts abweichenden oder diese ergänzenden Sachverhalt als bescheinigt annehmen (RIS-Justiz RS0005656 [T4]). Der Revisionsrekurswerber bekämpft daher unzulässigerweise die vom Rekursgericht getroffenen Feststellungen zur Verlautbarung der Werberichtlinie; eine Aktenwidrigkeit liegt im Hinblick auf die Urkundenvorlage in ON 18 jedenfalls nicht vor.
Textnummer
E94611European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00084.10X.0713.000Im RIS seit
01.09.2010Zuletzt aktualisiert am
24.05.2011