TE OGH 2010/7/20 14Os84/10z

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Veröffentlicht am 20.07.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juli 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Skrdla als Schriftführerin in der Strafsache gegen Srdjan S***** und andere wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Milos S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. April 2010, GZ 13 Hv 40/10y-71, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen (im Freispruch des Angeklagten Milos S***** und im Suchtgift betreffenden Einziehungserkenntnis) unberührt bleibt, in sämtlichen Schuldsprüchen, demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch über die Einziehung von „Suchtgiftutensilien“ und weiters der Srdjan S***** betreffende Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Milos S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche des Milos S***** - unter anderem verfehlt (siehe Lendl, WK-StPO § 259 Rz 2) auch wegen weiterer Beitragshandlungen (1 des Freispruchs) - enthält, wurden Srdjan S***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (1), Milos S***** (richtig:) mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall SMG (2) und Damir P***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (3) schuldig erkannt.

Danach haben in Graz

(1) Srdjan S***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen angeboten und überlassen, indem er am 21. Dezember 2009 990,20 Gramm Cannabiskraut (75,83 Gramm Reinsubstanz an THC) einem verdeckten Ermittler verkaufte und 80 Gramm Kokain zum Kauf anbot;

(2 und 3) Milos S***** und Damir P***** zu den zu Punkt 1 geschilderten Handlungen beigetragen, indem Milos S***** am 21. Dezember 2009 Srdjan S***** mit dem Suchtgift von Wien nach Graz chauffierte und Damir P***** im Zeitraum von 15. Dezember bis 21. Dezember 2009 gegen in Aussichtstellung einer Provision von 400 Euro durch Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer des verdeckten Ermittlers den Kontakt zwischen diesem und Srdjan S***** herstellte,

wobei Srdjan S***** und Damir P***** die Tat gewerbsmäßig begingen und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch 2 richtet sich die auf die Gründe der „Z 9“ und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Milos S*****, der aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt.

Ein Schuldspruch nach einem der Tatbestände des § 28a SMG setzt voraus, dass der Täter zumindest eine der in § 28a Abs 1 SMG beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine Suchtgiftquantität setzt, welche die sogenannte Grenzmenge übersteigt. Als deren Bezugspunkt definiert das Gesetz die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs (§ 28b SMG), aus welchem Grund ein Schuldspruch nach § 28a SMG - sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite - Feststellungen genau dazu erfordert. Zutreffend zeigt die Beschwerde auf, dass die angefochtene Entscheidung betreffend die Suchtgiftmengen jegliche Konstatierungen zur subjektiven Tatseite vermissen lässt.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass dem Urteil in mehreren Punkten gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit infolge unrichtiger Anwendung des materiellen Strafrechts (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10) anhaftet, welche teils vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde und teils auch die Schuldsprüche des Srdjan S***** und des Damir P***** betrifft.

Schon objektiv wurde im Urteil lediglich die Wirkstoffreinsubstanz des Cannabiskrauts (75,83 Gramm THC, US 9) festgestellt, betreffend das tatverfangene Kokain lässt sich den Entscheidungsgründen diesbezüglich ebensowenig eine Aussage entnehmen wie - in Bezug auf beide Suchtgiftmengen - zur subjektiven Tatseite auch hinsichtlich Srdjan S***** und Damir P***** (Z 10).

Die Tathandlung des „Anbietens“ wurde mit der SMG-Novelle 2007 in die Straftatbestände der §§ 27 Abs 1, 28a Abs 1, 30 Abs 1, 31a Abs 1 und 32 Abs 3 SMG aufgenommen. Nach den EBRV 301 BlgNR 23. GP 10 ist für die Verwirklichung des Tatbestands maßgebend, ob das Angebot, und zwar die an eine andere Person gerichtete Offerte zur Übertragung der Verfügungsgewalt über Suchtgift, nur noch angenommen werden muss, hingegen irrelevant, ob der Anbieter bereits im Besitz des Suchtgifts ist. Eine Legaldefinition dieses Begriffs findet sich im Suchtmittelgesetz nicht. Er setzt als empfangsbedürftige Willenserklärung - ohne dass es darauf ankäme, ob das Suchtgift für den Anbietenden tatsächlich (also real) verfügbar ist - voraus, dass das Angebot inhaltlich ausreichend bestimmt ist (also die wesentlichen Punkte enthält) und einen endgültigen Bindungswillen des Offerenten zum Ausdruck bringt (siehe zum Ganzen: 15 Os 5/10i). Die festgestellte Willenserklärung des Srdjan S*****, zusammen mit etwa einem Kilogramm Cannabiskraut am 21. Dezember 2009 in Graz auch 80 Gramm Kokain übergeben zu wollen (US 8), ist in objektiver Hinsicht ausreichend bestimmt, eine Aussage über die Ernsthaftigkeit des Anbots - somit den in subjektiver Hinsicht erforderlichen Bindungswillen - trifft das Erstgericht hingegen nicht (Z 9 lit a).

In Ansehung des Schuldspruchs 3 bleibt offen, inwieweit die zum Überlassen des Cannabiskrauts (objektiv) konstatierten Beitragshandlungen des Damir P***** (US 7) auch für das durch Srdjan S***** erfolgte Anbieten von 80 Gramm Kokain an den verdeckten Ermittler (welches im Übrigen entgegen dem Referat der entscheidenden Tatsachen [US 2] nach den Entscheidungsgründen nicht am 21. Dezember 2009, sondern am 15. Dezember 2009 telefonisch gegenüber dem verdeckten Ermittler „VE Nr. 2“ erfolgte [US 8], während Srdjan S***** anlässlich der Übergabe des Cannabiskrauts am 21. Dezember 2010 dem verdeckten Ermittler „VE Nr. 1“ mitgeteilt hat, dass er das von ihm zugesagte Kokain in Wien vergessen habe [US 9]), kausal geworden wäre. Feststellungen zur inneren Tatseite fehlen zur Gänze (Z 9 lit a).

Handlungen des Beschwerdeführers, die das Anbieten der 80 Gramm Kokain ermöglicht, erleichtert, abgesichert oder in anderer Weise gefördert hätten (vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 87) sind den Urteilskonstatierungen, nach welchen er Srdjan S***** mit einem von ihm gelenkten, zur Durchführung des Suchtmitteltransports ausgeliehenen PKW von Wien nach Graz fuhr, um die Übergabe des Suchtgifts zu ermöglichen (US 8), ebenfalls nicht zu entnehmen.

Letztendlich vermag die Feststellung, Srdjan S***** und Damir P***** hätten „jeweils mit dem Vorsatz“ gehandelt, „durch den Suchtgiftdeal sich eine Einkommensquelle zu erschließen“ (US 9), die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, welche die Absicht voraussetzt, sich durch das wiederholte Überlassen bzw Anbieten von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht zu tragen (Z 10).

Dies erfordert die Aufhebung sämtlicher Schuldsprüche zur Gänze, weil nach Kassation eines Schuldspruchs nach § 28a SMG bei Fraglichkeit der Beurteilung einer überlassenen oder angebotenen Suchtgiftmenge als groß (§ 28b SMG) auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 (und Abs 3) SMG allenfalls zu tragen vermögen, für sich alleine nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884).

Schließlich fehlt es hinsichtlich des Ausspruchs über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien“ an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von (ausschließlich als Grundlage in Frage kommend) § 26 Abs 1 StGB als Voraussetzung für eine Einziehung genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (RIS-Justiz RS0121298).

Die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts gemäß § 34 SMG bleibt - da das Urteil ausreichende Feststellungen zu einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem SMG enthält - von der Aufhebung des Schuldspruchs unberührt (RIS-Justiz RS0088115).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Milos S***** auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94608

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00084.10Z.0720.000

Im RIS seit

28.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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