TE OGH 2010/7/27 10ObS102/10p

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Veröffentlicht am 27.07.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und VPr. Susanne Höller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Hannes S*****, praktischer Arzt, *****, vertreten durch Holter - Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, wegen Versehrtenrente, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. April 2010, GZ 12 Rs 43/10w-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 26. 2. 1950 geborene Kläger ist als freiberuflich tätiger Gemeindearzt unfallversichert. Seine Ordinationsräumlichkeiten sind im Erdgeschoss seines Privathauses untergebracht. Das Haus wird über eine Zentralheizung wahlweise mit Öl oder mittels eines Holzvergaserkessels beheizt. Während der Sommermonate benützt der Kläger die Holzheizung nur zum Verbrennen der Ordinationsabfälle, die im Hausmüll nicht entsorgt werden dürfen. Aufgrund der anfallenden Mengen ist es notwendig, die Ordinationsabfälle alle zwei bis drei Wochen zu verbrennen und zu diesem Zweck den Ofen anzuheizen. Um die nötige Betriebstemperatur zu erreichen, gibt der Kläger auch im Sommer überlicherweise einige Holzscheite dazu, die im Heizraum gelagert sind.

Am 23. 8. 2008 wurde das Grundstück des Klägers bei einem Hochwasser überflutet, wobei sich auch Schwemmgut in Form von Ästen und Zweigen im Gartenzaun entlang des an seinem Grundstück vorbei fließenden Baches verfangen hatte.

Am 26. 8. 2008 kam der Kläger um etwa 14:45 Uhr von den Hausvisiten in seine Ordination zurück; der nächste Patiententermin sollte um 15:15 Uhr stattfinden. In der verbleibenden Zeit wollte der Kläger noch schnell den angefallenen Müll im Holzofen verbrennen. Zu diesem Zweck zündete er die in den Brennraum des Ofens gesteckten Müllsäcke an, ließ die Ofentüre offen, um ausreichend Luftzufuhr zu gewährleisten, und wollte dann noch Holz zum Hochheizen holen. Der Kläger hatte nun die Idee, anstatt der sonst von ihm verwendeten Holzscheite das im Zaun verfangene Treibgut zum Dazuheizen zu verwenden. Zu diesem Zweck ging er in den Garten. Als er sich mit dem Oberkörper über den Zaun beugte, um daraus ein Stück Holz zu lösen, gab das betreffende Segment des Zauns plötzlich nach. Der Kläger stürzte mitsamt dem Zaun kopfüber auf das gegenüberliegende Bachufer und fiel dann in den Bach. Dabei erlitt er schwere Verletzungen.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

In seiner außerordentlichen Revision vertritt der Kläger den Standpunkt, dass sich der Unfall bei einer - unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden - „gemischten Tätigkeit“ ereignet habe. Für einen praktischen Arzt gehöre es nämlich zu den betrieblichen Aufgaben, für eine ordnungsgemäße (thermische) Entsorgung des in der Arztpraxis anfallenden Mülls zu sorgen. Das Holzholen sei als vorbereitende Tätigkeit anzusehen; die Verrichtung habe nicht dem Aufräumen nach dem Hochwasser gedient.

Rechtliche Beurteilung

Damit macht der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend.

In Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hat das Berufungsgericht das Fehlen des Versicherungsschutzes darauf gestützt, dass der betriebliche Zweck bei der vom Kläger verrichteten „gemischten Tätigkeit“ (Holz holen und Entfernung von Treibgut) hinter die eigenwirtschaftlichen Zwecke zurücktritt. Für „gemischte Tätigkeiten“ besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen (RIS-Justiz RS0084271). Die Entscheidung hängt somit von den Umständen des Einzelfalls ab.

Ein Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine Tätigkeit auch wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (Krasney in SGB VII-Kommentar [157. Lfg Sept 2006] § 8 Rz 50). Greift der Versicherte nicht - wie sonst - auf das in der Nähe des Ofens gelagerte trockene Brennholz zurück, sondern holt er vom Hochwasser angeschwemmtes Treibgut aus dem Garten, verfolgte er damit betriebsfremde Zwecke. Ob das Einsammeln einer geringen Menge Treibguts optische Wirkungen hatte ist für die Frage des Unfallversicherungsschutzes ohne Belang.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E94756

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00102.10P.0727.000

Im RIS seit

12.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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