Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und VPr. Susanne Höller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ingrid K*****, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2010, GZ 8 Rs 34/10v-13, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass im Sozialversicherungsrecht nicht einfach die Regeln des Einkommenssteuergesetzes (EStG 1988) uneingeschränkt Anwendung finden können, weil es keine völlige Übereinstimmung der Begriffsbildung gibt und unterschiedliche Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze bestehen. Die Ablehnung einer generellen Rezeption des Steuerrechts schließt aber nicht aus, im Einzelfall auftretende Zweifelsfragen unter Zuhilfenahme steuerrechtlicher Normen zu klären (10 ObS 140/07x = SSV-NF 21/82 mwN; RIS-Justiz RS0085302, RS0085210). Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt hat, ist für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit grundsätzlich auf die Bestimmungen des EStG 1988 zurückzugreifen (10 ObS 198/09d mwN). Es spricht daher grundsätzlich nichts dagegen, zB Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit dem Gewinn im Sinne des Steuerrechts gleichzusetzen. In diesem Sinn hat es der Oberste Gerichtshof beispielsweise als gerechtfertigt angesehen, im Ausgleichszulagenrecht bei selbständig Erwerbstätigen grundsätzlich vom steuerlichen Gewinn, vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge, auszugehen, wenn die ausgleichszulagenrelevanten Einkünfte aus einer steuerrelevanten Einkunftsart erfließen (10 ObS 421/01m = SSV-NF 16/67 ua). Es ist letztlich aber Aufgabe der Gerichte, zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge bei der Ermittlung der Höhe des Erwerbseinkommens im Sinne der Sozialversicherungsgesetze zu berücksichtigen sind (10 ObS 198/09d mwN).
Die im vorliegenden Fall relevante Zuverdienstgrenze für den Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld stellt gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) auf den „maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8)“ ab. Es wird dabei grundsätzlich von den (steuerpflichtigen) Einkünften gemäß dem EStG 1988 ausgegangen. § 8 Abs 1 Z 2 KBGG regelt die Ermittlung der für die Zuverdienstgrenze des § 2 Abs 1 Z 3 KBGG maßgeblichen Einkünfte aus den Einkunftsarten gemäß §§ 21 bis 23 EStG. Auch bei diesen Einkunftsarten ist gleich den Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit grundsätzlich der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte iSd § 2 Abs 2 EStG 1988 maßgeblich. So sind nach § 8 Abs 1 Z 2 KBGG die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG 1988) nur der nach den §§ 4 bis 14 EStG 1988 zu ermittelnde Gewinn (vgl Ehmer ua, KBGG2 133 und 146). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 128/08 ua, ausgeführt hat, ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er den steuerrechtlichen Einkommensbegriff aus verwaltungsökonomischen Überlegungen auch für Zwecke der Bemessung familienfördernder Leistungen heranzieht, zumal eine alternative, vom Steuerrecht losgelöste „willkürfreie“ Ermittlung des „tatsächlichen Einkommens“ allein für Zwecke des KBGG kaum vorstellbar ist, jedenfalls aber nur mit einem unverhältnismäßig hohen administrativen Ermittlungsaufwand im Einzelfall zu verwirklichen wäre.
Im vorliegenden Fall wurde der maßgebende Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin iSd § 2 Abs 2 EStG 1988 aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG) für den maßgeblichen Zeitraum 2004 mit rechtskräftigem Einkommenssteuerbescheid vom 8. 10. 2007 mit 32.765,18 EUR festgestellt. Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, es sei ihr davon aufgrund der angespannten finanziellen Situation des gewerblichen Betriebs nur ein Teilbetrag von 13.176,01 EUR tatsächlich zugeflossen, ist ihr entgegen zu halten, dass es ohne rechtliche Bedeutung ist, ob sie die ihr zustehenden Anteile am Gewinn bzw ihr „Einkommen“ aus selbständiger Erwerbstätigkeit auch tatsächlich ausbezahlt erhalten hat. Sozialversicherungsrechtlich sind der Klägerin die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit zuzurechnen, auch wenn sie tatsächlich nur einen Teil dieser Einkünfte aus dem gewerblichen Betrieb entnommen hat (vgl 10 ObS 2471/96x = SSV-NF 11/16; VwGH 20. 7. 2001, 99/02/0051 zur Rückzahlung eines unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes).
Da der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte gemäß § 8 KBGG in der Höhe von 32.765,18 EUR den für das Jahr 2004 geltenden Grenzbetrag gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG von 14.600 EUR bei weitem überschreitet, ist nach der insoweit nicht mehr bekämpften zutreffenden Rechtsansicht der Vorinstanzen der Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 KBGG erfüllt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht somit im Einklang mit der zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.
Schlagworte
Sozialrecht,Textnummer
E94760European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00104.10G.0727.000Im RIS seit
12.09.2010Zuletzt aktualisiert am
18.02.2011