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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 22. Mai 1964 geborenen ILE in Linz, vertreten durch Dr. Georg Buder, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bethlehemstraße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. November 1998, Zl. 205.852/0-XI/33/98, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 2. August 1998 nach Österreich ein und stellte am 3. August 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an:
"Mein Vater hatte einer Geheimgesellschaft der sog. Ogboni-Gesellschaft angehört.
Vor dem Tod meines Vaters wusste ich sehr wenig darüber. Die Leute sprachen davon, dass es eine sehr alte Gesellschaft wäre, dass sie nicht gut wäre und dass dort Menschen gegessen und Magie betrieben wird.
Nach dem Tod meines Vaters am 10.07.1998 gab es am 17.07.1998 ein Familientreffen.
Das Begräbnis sollte Ende Juli stattfinden, ein best. Datum war aber noch nicht fixiert.
Am 18.07.1998 kam ein Freund meines Vaters und bat mich, in sein Haus zu kommen, wo bereits andere Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft anwesend waren.
Ich wurde darüber informiert, dass jemand die Position der verstorbenen Person, also meines Vaters, übernehmen muss, bevor die Person beerdigt wird.
Da ich der älteste Sohn meines Vaters war, sollte ich seine Position übernehmen.
Der Name des Freundes meines Vaters lautete Chief Onafor.
Mein Vater war Heide, der verschiedene Gottheiten anbetete, während ich selber Christ bin.
Aus diesem Grund teilte ich den Mitgliedern der Gesellschaft mit, dass ich unter keinen Umständen Mitglied werden kann und will.
Die Mitglieder sprachen in der Folge von Konsequenzen, die ich zu tragen hätte, wobei ich jedoch nicht weiß, welcher Art diese Konsequenzen sind.
Ich war verärgert und ging nach Hause; Chief Onafor schickte mir seinen Sohn hinterher, der mich überreden sollte, in das Haus von Chief Onafor zurückzukehren, was ich jedoch ablehnte.
In der Folge ging ich zu meinem Gemeindepriester, Ref. Father Alex Ezemaka; dies war am Morgen des 19.07.1998.
Der Reverend sagte mir, ich dürfe der Gesellschaft nicht beitreten, wenn ich ein wahrer Gläubiger sei.
Im Falle eines Beitrittes wäre ich verdammt. Er trug mir daher auf, viel zu beten.
Ich hatte auch Albträume und ging daher am Abend des 19.07.1998 zu Ref. John Bosco, dem ich alles erzählte.
Dieser konnte mir aber auch nicht weiterhelfen.
In der Nacht des 20.07.1998 kamen Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft, um in unserem Haus ein Ritual zu feiern. Andere Familienmitglieder waren ebenfalls anwesend. Dabei erfuhr ich, dass der älteste Bruder meines Vaters ebenfalls ein Mitglied der Gesellschaft war.
Anlässl. dieses Ereignisses erfuhr ich auch, dass es Aufnahmevoraussetzung für die Gesellschaft sei, einen nicht näher bezeichneten Körperteil meines Vaters zu essen.
Für den Fall einer Ablehnung meinerseits würden mir schreckliche Dinge innerhalb von 7 Tagen zustoßen.
Die Mitglieder zogen ums Haus, sangen und verschwanden schließlich.
Mein Onkel sagte mir, dass mein Vater im Falle meiner Weigerung nicht begraben werden könnte und ich alle meine Rechte verlieren würde (Erbe etc.).
Noch in derselben Nacht wurde ich zu Chief Ekhator Obasogie of Benin beordert, der mir nochmals klar machte, dass durch meine Weigerung die Ordnung in der Gesellschaft durcheinander gerät.
Noch in derselben Nacht begab ich mich zu Ref. John Bosco, wo ich den Rest der Nacht verblieb.
Am nächsten Morgen kehrte ich nach Hause zurück.
Ich wurde wieder von Ogboni-Leuten abgeholt und man brachte mich in ein Ogboni-Haus in Iyaro, dies ist ein Stadtteil von Benin City.
Man wollte wieder auf mich einreden, es gelang mir jedoch zu entkommen.
Ich lief zu John Bosco, wo Ref. Scott anwesend war; ich ging mit diesem in mein Haus.
Nachdem Scott nach Hause gegangen war, kamen die Ogboni Leute wieder; es handelte sich um ca. 7 Personen.
Diese gingen aber wieder, da sie annahmen, ich sei nicht zu Hause.
Scott fuhr nach Lagos, gab mir aber die bereits erwähnte Adresse, wohin ich mich später begab.
Bis zum 29.07.1998 war ich bei div. Freunden in Benin City aufhältig.
An diesem Tag ging ich zu John Bosco und fuhr schließlich weiter zu Ref. Scott nach Lagos, wo dieser unter der zuvor erhaltenen Adresse aufhältig war.
Die Fahrt nach Lagos dauerte 3 Stunden.
Am 30.07.1998 fuhren wir nach Cotonu."
Weiters gab der Beschwerdeführer an, im Fall einer Rückkehr in seinen Heimatstaat könne es sein, dass ihn die Obgoni-Leute töten würden, deshalb habe er das Land verlassen, um sein Leben zu retten. Die meisten Polizisten seien Ogboni, er wisse dies auf Grund seiner Tätigkeit für John Bosco. Auch in anderen Landesteilen Nigerias würde er auf Grund der magischen Kräfte der Ogboni gefunden werden. Die Polizisten trügen bestimmte Zeichen ihrer Mitgliedschaft bei den Ogboni, nämlich einen Ring; auch sein Vater habe einen solchen Ring getragen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Oktober 1998 wurde der Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I) und ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II). Die Behörde erster Instanz ging von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers aus und traf eine rechtliche Beurteilung dahingehend, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen könnten. Dass die staatlichen Behörden des Heimatlandes des Beschwerdeführers nicht in der Lage oder nicht gewillt gewesen wären, dem Beschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zu gewähren, ergebe sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Der Beschwerdeführer habe dazu ausgeführt, er hätte bei der Polizeibehörde keine Anzeige erstattet, dies deshalb, weil der Großteil der Polizisten ebenfalls dem Obgoni-Geheimbund angehörten. Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer von den Vorfällen nicht einmal bei den Behörden Meldung erstattet habe, könne nicht davon ausgegangen werden, der Staat sei nicht gewillt bzw. nicht in der Lage, die vom Beschwerdeführer befürchteten Schwierigkeiten bzw. Befürchtungen hintanzuhalten, zumal der Staat nicht für Vorfälle zur Verantwortung gezogen werden könne, von denen er nicht einmal in Kenntnis gesetzt worden sei. Bei den Befürchtungen des Beschwerdeführers handle es sich darüber hinaus lediglich um Vermutungen, also bloß um subjektiv empfundene Furcht, die durch keinerlei Anhaltspunkte für konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen untermauert worden wären. Der Beschwerdeführer habe angegeben, mehrmals von Ogboni-Leuten aufgesucht und bedroht worden zu sein; es würde dem Beschwerdeführer "innerhalb von 7 Tagen etwas Schlimmes passieren", wenn er der Verbindung nicht beitrete. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich im gesamten Staatsgebiet mit allfälligen vom Beschwerdeführer befürchteten Folgen der Weigerung des Beitrittes zum Ogboni-Geheimbund zu rechnen gehabt hätte. Abschließend sei bemerkt, dass das Asylrecht nicht in der Lage sei, Menschen vor Aberglauben oder bösen Geistern oder Flüchen zu schützen, weshalb ein anderer Staat zu einem solchen Schutz des Flüchtlings daher ebenso wenig in der Lage sei wie Nigeria selbst.
Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides wurde damit begründet, dass die Erklärung des Beschwerdeführers, er habe Angst, von den Ogboni-Leuten getötet zu werden, bei weitem nicht ausreiche, um die notwendige konkrete Gefährdung darzulegen. Durch die Aufstellung dieser lapidaren Behauptung und Unterlassung der Schilderung von für eine drohende Verfolgung sprechenden Gründen unter Angabe genauer Einzelheiten sei der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Konkretisierung der ihm drohenden Gefährdung nicht nachgekommen. Im Übrigen sei nochmals auf die bereits erörterte innerstaatliche Fluchtalternative hinzuweisen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung und betonte, er habe seinen Heimatstaat verlassen, weil er von Angehörigen der Geheimgesellschaft der Ogboni verfolgt, bedroht und genötigt worden sei und von der nigerianischen Polizei weder Hilfe noch Schutz erhalten habe und einen solchen auch nicht erwarten habe können. Der Einflussbereich der Ogboni-Gesellschaft gehe über religiöse Bräuche und Rituale weit hinaus und beziehe alle Lebensbereiche umfassend ein. Grund seiner Frucht seien befürchtete, angedrohte und zu erwartende Repressalien der Ogboni-Gesellschaft. Diese kriminellen Übergriffe drohten zwar durch Privatpersonen, doch sei davon auszugehen, dass der Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht in der Lage und jedenfalls nicht gewillt sei, eine derartige Verfolgung hintanzuhalten bzw. ihm effektiven Schutz dagegen zu Gewähr leisten. Er habe sich mehrmals an die Polizei in Benin-City um Hilfe gewandt und sei jedes Mal mit dem Hinweis, die Polizei habe keinen Grund und keine Veranlassung einzugreifen, abgewiesen worden, wobei man ihm zu verstehen gegeben habe, man würde gegen Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft prinzipiell nicht vorgehen. Viele politische Funktionäre wie auch zahlreiche Angehörige der Exekutive und des Justizapparates seien Mitglieder oder Sympathisanten der Ogboni-Gesellschaft. Hinsichtlich der innerstaatlichen Fluchtalternative sei festzuhalten, dass die Ogboni-Gesellschaft auf Grund der vielen Mitglieder über umfassende Informationsquellen verfüge und somit leicht Personen ausfindig machen könne. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat werde er weiterhin in seinen Rechtsgütern auf Leben und Freiheit der Person aus Gründen seiner Religion bzw. seiner politischen Gesinnung bedroht. Daher seien die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG 1997 erfüllt; allerdings seien auch die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Bestimmung gegeben, weil ihm im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat unmenschliche Behandlung drohe. Dabei handle es sich um eine aktuelle Bedrohungssituation, die sich bereits in den Vorfällen kurz vor seiner Flucht manifestiert hätten und die noch immer bestehe, weil sich die politischen, sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Nigeria bis dato nicht geändert hätten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Die belangte Behörde schloss sich der Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes, den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, den bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und der darauf gestützten Beurteilung der Rechtsfrage vollinhaltlich an und erhob diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Ergänzend merkte die belangte Behörde an, es ergebe sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die von ihm beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung vom Staat ausginge. Eine lediglich von Privatpersonen ausgehende Verfolgung vermöge die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Überdies sei eine Verfolgungshandlung, die ausschließlich etwa durch die religiöse Überzeugung des Täters geleitet werde, nicht als asylrelevante Verfolgung zu erkennen. Derartige Übergriffe, mögen sie auch religiös motiviert sein, seien nicht anders zu beurteilen, als solche gewöhnlicher Krimineller bzw. krimineller Organisationen. Selbst wenn man davon ausginge, dem Beschwerdeführer würde kein staatlicher Schutz vor der besagten Geheimorganisation zuteil, so sei daraus nichts für ihn zu gewinnen, zumal nicht einmal die Charakterisierung eines Geheimbundes als gesellschaftsbeherrschend dahin verstanden werden könne, der Heimatstaat des Asylwerbers sei generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage, derartige Verfolgungsmaßnahmen zu verhindern.
Nur der Vollständigkeit halber sei über die Sekten betreffende Situation in Nigeria angemerkt, dass nach Angaben der österreichischen Botschaft in Lagos (Schreiben vom 11. September 1997) in Nigeria Hunderte von Sekten und Religionsgemeinschaften bestünden, die für europäische Verhältnisse mehr oder weniger sonderbare Rituale pflegten. Auch wäre es nach Ansicht der Botschaft durchaus möglich, dass etwa der Tod eines Anführers einer Sekte etwa die Opferung eines anderen Mitgliedes fordere, doch wäre dies gewöhnlich nicht auf eine spezielle Person zugeschnitten, sondern meist auf eine bestimmte Gruppe (zB. Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren). Praktiken, wie sie vom Asylwerber geschildert würden, seien hinsichtlich der Ogboni-Gesellschaft amtsbekannt. Lagos wäre eine Stadt von fast 10 Millionen Einwohnern ohne Meldepflicht oder ähnliche Erfassung der Bewohner. Es bedürfe daher in Lagos nach Ansicht der Botschaft nicht einmal großer Mühe, den Mitgliedern einer bestimmten Sekte aus dem Weg zu gehen.
Wenngleich es der nigerianischen Regierung nicht gelungen sei, "das Sektenunwesen" (durch Auflösung und Verbot der Sekten und Geheimorganisationen) in den Griff zu bekommen, "sei anzumerken", dass es "vermehrt zu Verhaftungen militanter Sektenmitglieder durch die Sicherheitsorgane gekommen ist".
Den Ausspruch nach § 8 AsylG begründete die belangte Behörde ergänzend damit, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stelle zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen habe, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun sei. Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers beziehe sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen seien und deren Kenntnisse sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen könne. Der Fremde müsse die für das Vorliegen einer drohenden Gefahr im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG 1997 sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildern und es sei weiters erforderlich, dass diese Gründe objektivierbar seien. Die Gefahr müsse sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und müsse eine drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, d.h. ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen. Dabei setze die das "Refoulement-Verbot" enthaltende Bestimmung voraus, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat ausgehe. Eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen ausgehe, falle nicht darunter.
Die Abstandnahme von der mündlichen Berufungsverhandlung wurde nicht begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1998 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden. Deshalb finden für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG Anwendung, sofern im AsylG oder in einem anderen Gesetz keine spezielle Bestimmung normiert ist. Im AsylG findet sich zu § 67d AVG keine spezielle Regelung. Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG hat der unabhängige Bundesasylsenat § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat etwa dann nicht als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn in der Berufung ein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. insoweit dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).
Die belangte Behörde ging zu Unrecht (implizit - eine Begründung findet sich diesbezüglich im angefochtenen Bescheid nicht) davon aus, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß der Verfahrensvorschrift des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG vorgelegen seien. Eine mündliche Berufungsverhandlung wäre aber zum einen deshalb durchzuführen gewesen, weil die belangte Behörde selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche neue Sachverhaltsfeststellungen (über die Situation von Sekten in Nigeria - Bericht der österreichischen Botschaft in Lagos vom 11. September 1997, des Electronic Mail&Guardian vom 21. Mai 1997 u. a.) traf und zum anderen, weil der Beschwerdeführer in der Berufung durch seine Behauptung, sich bereits mehrfach erfolglos an die Polizei gewandt zu haben, ein neues Sachverhaltsvorbringen erstattet hatte.
Allerdings führt nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht auszuschließen.
Im Falle der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde vorgebracht - geltend machen können, er sei (auch) deshalb von den Ogboni verfolgt worden und müsse im Fall einer Rückkehr mit dem Tode rechnen, weil er Christ und ihm deshalb der Eintritt in den Geheimbund verboten sei. Er sei somit auch wegen seiner christlichen Konfession durch die Ogboni verfolgt worden. Mit diesem Vorbringen hätte der Beschwerdeführer aber ein persönliches Merkmal (seine religiöse Überzeugung) geltend gemacht, an welches sich eine Verfolgung im Sinne der FlKonv knüpfen könnte.
Dem angefochtenen Bescheid ist weiters nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Angaben des Beschwerdeführers in der Berufung als glaubwürdig angesehen wurden oder nicht; die belangte Behörde verweist hinsichtlich der Beweiswürdigung allgemein auf den Bescheid der Behörde erster Instanz, der von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausging und befasst sich mit der Glaubwürdigkeit seiner Berufungsangaben nicht näher; sie legt insbesondere nicht dar, aus welchem Grund diese nicht glaubwürdig sein sollten.
Auf welcher Grundlage die belangte Behörde - ausgehend von glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers - dann aber zur Auffassung gelangen konnte, es sei nicht vom Fehlen staatlicher Schutzgewährung auszugehen, wird nicht näher dargestellt; die belangte Behörde bezieht sich diesbezüglich nur auf das Fehlen von "Hinweisen" und von vom Asylwerber vorzulegenden Bescheinigungen. Es ist nicht erkennbar, ob sich die belangte Behörde überhaupt mit dem Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer mehrfach erfolglos Schutz bei der Polizei gesucht und man ihm zu verstehen gegeben habe, gegen die Verfolgung durch die Ogboni werde grundsätzlich nicht eingeschritten, befasst hat, bezieht sie sich in ihren diesbezüglichen Ausführungen (S. 6 oben des angefochtenen Bescheides) doch offenbar auf die allgemeinen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz und nicht auf die erstmals in der Berufung erfolgte Nennung konkreter, aber gescheiterter Versuche, Schutz zu finden.
Im Falle der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre es aber möglich gewesen, den Beschwerdeführer - wie dieser ausdrücklich beantragt hat - auch zu seinen erfolglosen Versuchen, staatlichen Schutz vor Verfolgung zu finden, näher zu befragen. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen, über keine entsprechenden Bescheinigungsmittel zu verfügen, weil ihm die Beischaffung solcher unmöglich sei, weshalb er neben seiner Einvernahme die amtswegige Beischaffung entsprechender Beweismittel angeregt hat.
Die belangte Behörde hat (auch in diese Richtung) eigene Ermittlungen durchgeführt und u.a. den Bericht der österreichischen Botschaft in Lagos vom 11. September 1997 zitiert, dessen in Bescheiden der belangten Behörde wiederholt wiedergegebene Inhalt dem Verwaltungsgerichtshof aus einer Reihe ähnlicher Fälle bekannt ist. Im vorliegenden Fall fällt aber auf, dass der Bericht nur unvollständig zitiert und (u.a.) die Passage nicht wiedergegeben wurde, in der auf die - im Unterschied von anderen Sekten - landesweite Verbreitung der Ogboni-Sekte und ihr Bezug zur Bevölkerungsgruppe der Yoruba hingewiesen wird. Bei Zutreffen des erstgenannten Umstandes der landesweiten Verbreitung, der sich mit der - nicht als unglaubwürdig bewerteten - Darstellung des Beschwerdeführers deckt, wonach man "ihn überall finden" würde, und der im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern gewesen wäre, erscheint es aber nicht von vornherein als unmöglich, dass - wie der Beschwerdeführer vorbringt - auch die Sicherheitskräfte im ganzen Land von Sektenmitgliedern unterwandert sein könnten und eine staatliche Schutzgewährung nicht gewährleistet wäre.
Es ist daher nicht auszuschließen, dass bei fehlender staatlicher Schutzgewährung eine mittelbare staatliche Verfolgung des Beschwerdeführers aus religiösen Gründen vorliegen könnte, weshalb sich der aufgezeigte Verfahrensmangel als für den Verfahrensausgang relevant erweist.
Ergänzend wird bemerkt, dass auch das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, in dem er eine Verfolgung (auch) wegen seiner anders lautenden religiösen Überzeugung nicht ausdrücklich behauptet hatte, auf Basis der Ermittlungsergebnisse des angefochtenen Bescheides noch nicht den Schluss nahe legt, in seiner Person finde sich kein Anknüpfungspunkt für ein Verfolgungsmotiv der FlKonv. Es wäre nämlich denkbar, dass aus der Sicht der "Gesellschaft der Ogboni" jeder, der sich weigert, sich bestimmten Nachfolgeritualen nach dem Tod eines Führers zu unterwerfen, dadurch die Regelung der Nachfolge in diese Funktion blockiert und die Organisation dieser Gesellschaft nachhaltig stört, als (nunmehriger) Gegner der Ideologie der Organisation angesehen wird. Die in der Reaktion auf diese Weigerung gesetzten Maßnahmen könnten daher durch das Motiv der Organisation bestimmt sein, dadurch die vermutete ablehnende Gesinnung dieses Gedankengutes zu treffen. Demnach wäre das Vorbringen des Beschwerdeführers während des Verwaltungsverfahrens auch unter dem in der Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkt einer Verfolgung aus Gründen der Religion zu prüfen gewesen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, und vom heutigen Tag, Zl. 98/20/0555). Die belangte Behörde hätte sich diesfalls damit auseinander zu setzen gehabt, ob die in Nigeria weit verbreitete Bewegung der Ogboni auf religiösen Grundwerten in dem im erstgenannten Vorerkenntnis näher dargestellten Sinn aufbaut. Derartige Ermittlungen bzw. die Befragung des Beschwerdeführers könnten ergeben, dass die den Beschwerdeführer bedrohende "Gesellschaft der Ogboni" auf religiösen Vorstellungen beruhe, deren Ablehnung dem Beschwerdeführer durch seine Weigerung, seinem Vater nachzufolgen, unterstellt wurde, und dass er deshalb bestraft und zum Eintritt gezwungen werden sollte; bei fehlender staatlicher Schutzgewährung läge diesfalls eine mittelbare staatliche Verfolgung des Beschwerdeführers aus religiösen Gründen vor, weshalb sich auch auf Basis des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren die aufgezeigten Verfahrensmängel als für den Verfahrensausgang relevant erweisen.
Der angefochtene Bescheid war daher (aus den im hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0207, näher ausgeführten Erwägungen auch hinsichtlich dessen Ausspruch gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG betreffenden Spruchteiles) zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 25. Jänner 2001
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200133.X00Im RIS seit
03.04.2001