TE OGH 2010/7/28 9Ob67/09g

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Veröffentlicht am 28.07.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** M*****, 2. A***** M*****, 3. O***** M*****, 4. S***** GmbH & Co KG, *****, 5. Dr. O***** P*****, 6. Dipl.-Ing. G***** M*****, vertreten durch die Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. W***** C*****, vertreten durch Mag. Markus Adam, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert 8.954,16 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2009, GZ 41 R 98/09d-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. Februar 2009, GZ 30 C 200/08y-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den erst- bis viertklagenden Parteien und der sechstklagenden Partei die mit 930 EUR (darin 155 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung zu, dass zur Aktivlegitimation der Mehrheitseigentümer bei der Räumungsklage eine Judikaturdivergenz bestehe. Der Revisionswerber schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an und machte überdies geltend, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Die Revisionsgegner bestritten demgegenüber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragten die Nichtzulassung der Revision des Beklagten.

              Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme, muss fallbezogen nicht gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es nur mehr um das auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumungsbegehren der Erst- und der Zweitklägerin, des Drittklägers, der Viertklägerin und des Sechstklägers. Die Abweisung des Räumungsbegehrens des Fünftklägers und die Abweisung des Zinsenbegehrens aller Kläger (nach Einschränkung des Klagebegehrens infolge Zahlung des Mietzinsrückstandes des Beklagten in der Höhe von 3.730,90 EUR nach Klageeinbringung) erwuchsen schon vorher in Rechtskraft. Über ein aufrechtes Mietzinsbegehren der Kläger muss daher nicht mehr entschieden werden. Die Überlegungen des Revisionswerbers zur Aktivlegitimation bei Geltendmachung von Mietzinsforderungen durch mehrere Miteigentümer gehen an der im Revisionsverfahren zu behandelnden Räumung vorbei. Die allenfalls fehlende Aktivlegitimation einzelner von mehreren Vermietern für ein Mietzinsbegehren ändert selbstverständlich nichts am Vorliegen eines Mietzinsrückstandes des Mieters.

Ein von den Miteigentümern eines Hauses mit außenstehenden Dritten abgeschlossener Mietvertrag kann nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von der Mehrheit der Miteigentümer im eigenen Namen gekündigt werden (5 Ob 190/70, SZ 43/157; 5 Ob 44/98a, SZ 71/46; 8 Ob 349/99b ua). Die Anteilsmehrheit der Miteigentümer ist zur Kündigung legitimiert (RIS-Justiz RS0013441 ua); dies gilt auch für die Räumung wegen Mietzinsrückstandes gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB (vgl 10 Ob 379/98b ua).

Die Auffassung, die Entscheidung 10 Ob 2445/96y weiche von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, kann aus der Begründung dieser Entscheidung - es handelte sich um die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision - nicht eindeutig nachvollzogen werden. Richtig ist, dass dort offenbar ein Mietzins- und Räumungsbegehren einer Miteigentümerin abgewiesen wurde. Ob diese Miteigentümerin allerdings die Anteilsmehrheit hatte, ist der Begründung nicht zu entnehmen. Erörtert wurde dort nur - fallbezogen und in Auseinandersetzung mit der Revisionsbeantwortung - die fehlende Zustimmung der übrigen Miteigentümer zur Mietzinsklage. Widersprüche in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die der Klarstellung bedürften, werden somit in der Revision nicht aufgezeigt. Der Oberste Gerichtshof blieb auch in der Folge bei der bisherigen Linie der Rechtsprechung (8 Ob 349/99b ua), von der auch das Berufungsgericht ausgegangen ist. Der gegenteilige Vorwurf in der Revision geht daher ins Leere. Allfällige Widersprüche in der Rechtsprechung der Instanzgerichte müssen im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht näher erörtert werden; sie begründen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Ein Räumungsbegehren nach § 1118 zweiter Fall ABGB ist davon abhängig, dass der Mieter nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Mietzinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Vom Vorliegen eines Mietzinsrückstandes des Beklagten bei Klageeinbringung ist nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen auszugehen. Danach wurde der laut Mietvertrag jeweils im Voraus am Ersten des Kalendermonats fällige Mietzins für die Monate Februar und März 2008 erst nach Klageeinbringung am 16. 9. 2008 bezahlt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden des Mieters an der Nichtzahlung des Zinses nicht vorliegt, trifft den Mieter (8 Ob 131/06g; 9 Ob 29/99a ua). Dieser hat den entschuldigenden Sachverhalt in jede mögliche Richtung zu konkretisieren; dabei geht jeder Zweifel zu seinen Lasten (RIS-Justiz RS0069316 ua). Die Frage, ob den Mieter am Mietzinsrückstand ein grobes Verschulden trifft, hängt dabei regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0042773 ua). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass den Beklagten am Mietzinsrückstand ein grobes Verschulden trifft, ist nach der Lage des Falls vertretbar. Mit den anderslautenden Überlegungen des Revisionswerbers wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Trifft den Mieter am entstandenen Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden, entfallen sowohl die Beschlussfassung gemäß § 33 Abs 2 MRG als auch die bloße Fällung eines Teilurteils über den Mietzinsrückstand im Fall eines auf Räumung und Zahlung geführten Rechtsstreits (vgl 1 Ob 653/89; 1 Ob 69/04k; 2 Ob 149/06k ua).

Auch die Frage, ob zwischen den Parteien eine schlüssige Stundungsvereinbarung zustandegekommen ist, hängt - wie alle Fragen der Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen (RIS-Justiz RS0042936 ua) - von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet demzufolge ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage. Nähere Feststellungen zur Frage, ob eine Mahnung nach Klageeinbringung als Stundungsanbot des Vermieters an den Mieter zu qualifizieren ist, waren hier schon deshalb entbehrlich, weil vom Beklagten das Zustandekommen einer Stundungsvereinbarung (durch ein einvernehmliches Abgehen von der im Mietvertrag vereinbarten Fälligkeit des Mietzinses) nicht schlüssig behauptet wurde. Dass er nämlich ein allfälliges Stundungsanbot bereits vor der tatsächlichen Zahlung angenommen habe, wurde nicht geltend gemacht. Seine erst am 16. 9. 2008 erfolgte Zahlung entsprach nicht der in der Mahnung vom 1. 7. 2008 vorgesehenen Zahlungsfrist von drei Tagen (Beil./C); sie scheidet als Annahme eines allfälligen Stundungsanbots aus.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die fallbezogen gelöst werden müsste, ist die Revision des Beklagten, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsgegner haben ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua). Beim verzeichneten Streitgenossenzuschlag war allerdings zu berücksichtigen, dass der Klagevertreter im Revisionsverfahren nur mehr die Erst- und die Zweitklägerin, den Drittkläger, die Viertklägerin und den Sechstkläger zu vertreten hatte. Die Abweisung des Klagebegehrens des Fünftklägers wurde nämlich, wie schon erwähnt, im Revisionsverfahren nicht bekämpft. Es gebührt daher gemäß § 15 lit a und b RATG lediglich ein Streitgenossenzuschlag von 25 % (und nicht wie von den Klägern verzeichnet 30 %).

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E94815

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00067.09G.0728.000

Im RIS seit

18.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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