Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr.Galli (Vorsitz),
Dr.Sommerauer und Mag.Tanczos in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, Herrandstraße 2, 8410 Wildon, vertreten durch Bruckner & Emberger &
Ullrich-Pansi Rechtsanwälte OG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei C*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der D***** (40 S 33/06k des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), Neutorgasse 47/I, 8010 Graz, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 165.097,17) in nichtöffentlicher Sitzung
I. über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2.5.2010, 16 Cg 176/06x-43, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei mit EUR 3.207,06 (darin EUR 534,51 USt) bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig;
II. über den Rekurs der beklagten Partei gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 12.5.2006 verkaufte die A***** ihre Liegenschaften mit der Anschrift Wildon, Herrandstraße 2 und 2a an die Alleingesellschafterin der Klägerin, die der „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“ daran das Baurecht einräumte; von dieser Baurechtsnehmerin nahm die Klägerin die Liegenschaften (zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt) in Bestand. Die spätere Gemeinschuldnerin D***** betrieb bis 30.5.2006 auf diesen Liegenschaften aufgrund eines mit der A***** GmbH geschlossenen Miet- und Betreibervertrages ein Pflege- und Altenwohnheim. Seit 1.6.2006 – sie hatte ab dem Jahr 2005 finanzielle Schwierigkeiten und konnte die Mietzinse nicht mehr an die A***** GmbH bezahlen – erbringt sie dort keine Pflege- und Betreuungsleistungen mehr. Aufgrund einer Übereinkunft mit der A***** GmbH – man war sich einig, dass die Liegenschaften verkauft werden, die spätere Gemeinschuldnerin den Betrieb des Pflege- und Altenwohnheims beendet und die Liegenschaften räumt und dass ein neuer Mieter gesucht wird“ – schloss die spätere Gemeinschuldnerin mit der A***** GmbH einen mit Ablauf des 30.4.2006 vollstreckbaren Räumungsvergleich, dessen Rechtsunwirksamkeit mit einem späteren Versäumungsurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz rechtskräftig festgestellt wurde.
Am 1.6.2006 richtete die spätere Gemeinschuldnerin an die Pflegeheimbewohner (ihre Vertragspartner) eine schriftliche Mitteilung, in der sich die Passagen finden: „Mit 1. Juni 2006 hat die S***** die Einrichtung übernommen. Beruflich mit anderen Agenden eingedeckt, erlauben wir uns, Ihnen auf diesem Wege ein herzliches Lebewohl zu sagen und für all die schönen, teils auch kritischen persönlichen Begegnungen zu danken, die für unseren Lebensweg sehr wichtig waren. Ihr Vertrauen hat unserer Arbeit Kraft gegeben. ... Wir wünschen Ihnen alles erdenklich Gute für die Zukunft und verbleiben mit den besten Grüßen. ...“
Nach der Beendigung der Tätigkeit der späteren Gemeinschuldnerin im Pflegeheim nahmen jene Bewohner, die im Heim blieben (einige Bewohner verließen das Heim) „die Kündigung ihrer bisherigen Verträge durch die spätere Gemeinschuldnerin zustimmend zur Kenntnis, indem sie mit der Klägerin neue Verträge schlossen“.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eröffnete mit Beschluss vom 10.7.2006, 40 S 33/06k, über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren und bestellte die Beklagte zur Masseverwalterin.
Am 17.7.2006 richtete die Beklagte an alle Heimbewohner, „die ursprünglich einen Vertrag mit der Gemeinschuldnerin hatten“, eine schriftliche Mitteilung, in der sich die Passage findet:
„Ich halte fest, dass die grundsätzlichen Vereinbarungen nach wie vor ausschließlich mit der D***** GmbH bestehen; eine Zustimmung der Gemeinschuldnerin zu einem allfälligen Unternehmensübergang auf die S***** gemeinnützige PflegeheimbetriebsgmbH (FN 278933x) liegt nicht vor. Bei meinen bisherigen Erhebungen musste ich zudem feststellen, dass weder ein Unternehmenskaufvertrag noch sonstige formale Schritte gesetzt wurden, die einen Übergang des gegenständlichen Pflegeheimes – und sohin auch eine Forderungsberechtigung – der S***** (FN *****) rechtfertigen. Ich darf Sie daher ersuchen, Zahlungen, die sich aufgrund von Betreuungsleistungen ergeben, ausschließlich mit schuldbefreiender Wirkung auf das Konkursanderkonto .... zu leisten. Zur Vermeidung von allfälligen Problemen ersuche ich daher dringend von Zahlungen im direkten Wege an die S*****..GmbH Abstand zu nehmen.“
Die Klägerin begehrt von der Beklagten zuletzt, Aufforderungen an Heimbewohner zu unterlassen, Zahlungen für von der Klägerin seit 1.6.2006 erbrachte Betreuungs- und Pflegeleistungen (mit der Behauptung, wegen des Weiterbestehens der Betreuungs- und Pflegevereinbarungen mit der Gemeinschuldnerin sei die Klägerin nicht forderungsberechtigt, sodass mit schuldbefreiender Wirkung ausschließlich auf das Konkursanderkonto geleistet werden könne) auf das Konkursanderkonto zu leisten und die Annahme derartiger Zahlungen zu unterlassen. Die Klägerin führe seit 1.6.2006 das Pflege- und Altenwohnheim, habe mit den Heimbewohnern die Verträge abgeschlossen und sämtliche Betreuungsleistungen erbracht, während das Unternehmen der Gemeinschuldnerin, die schon vor Konkurseröffnung die Betreuungsverträge mit Zustimmung der Heimbewohner aufgelöst und seit 1.6.2006 keinerlei Tätigkeit mehr entfaltet habe, mit Beschluss des Konkursgerichtes geschlossen worden sei. Mit der an die Heimbewohner gerichteten Aufforderung vom 17.7.2006, das Heimbetreuungsentgelt nicht an die Klägerin, sondern an die Beklagte zu bezahlen, habe die Beklagte in unzulässiger Weise in Rechte der Klägerin eingegriffen. Da die Beklagte den in dieser Aufforderung eingenommenen Rechtsstandpunkt aufrecht erhalte, liege Wiederholungsgefahr vor.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der Behauptung, die Mehrheit der Bewohner des Alten- und Pflegeheims verfüge über aufrechte Verträge mit der Gemeinschuldnerin und sei daher ausschließlich ihr gegenüber zahlungspflichtig, auch wenn die Gemeinschuldnerin infolge der Einstellung ihres Betriebes keine Leistungen mehr erbringe. Die Tätigkeit der Klägerin könne nur als Geschäftsführung ohne Auftrag gewertet werden, betreibe die Klägerin doch „rechtswidrig das Unternehmen der Gemeinschuldnerin“ (ON 9, Seite 4), weil „ein Unternehmensübergang mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Titels nicht erkennbar“ (ON 10, Seite 5) sei. Als unredliche Betreiberin des Unternehmens habe die Klägerin keinen vertraglichen Anspruch auf Entgeltzahlungen der Heimbewohner. „Das im Raum stehende Anerkenntnis des eingeschränkten Klagebegehrens sei mangels Wiederholungsgefahr nicht möglich“ (ON 12, Seite 1); außerdem habe der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin am 2.8.2006 mitgeteilt, „dass bis zur Klärung des Sachverhalts keine weiteren Schreiben“ an die Pflegeheimbewohner gerichtet werden (ON 6, Seite 5).
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt.
Über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus traf es die auf den Seiten 2 bis 4 (AS 187 bis 191) sowie 5 bis 7 (AS 193 bis AS 197) seiner Entscheidung ersichtlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist.
Aus diesem Sachverhalt zog es den rechtlichen Schluss, die verbliebenen Heimbewohner hätten dem Angebot der späteren Gemeinschuldnerin zur Vertragsauflösung zugestimmt und neue Heimbetreungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen. Die einvernehmliche Auflösung der Betreuungsverträge zwischen der späteren Gemeinschuldnerin und den Heimbewohnern habe zur Folge, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, Zahlungen von den Bewohnern zu fordern. Mit ihrem Schreiben vom 17.7.2006 habe die Beklagte daher „in unzulässiger Weise in die Rechtssphäre der klagenden Partei eingegriffen“, weshalb die Klägerin zu Recht die Unterlassungsklage erhoben habe. Da die Beklagte im Prozess weiterhin die Auffassung vertrete, zur Entgeltforderung gegen die Heimbewohner berechtigt zu sein, liege auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es in Klagsabweisung abzuändern, in eventu es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die spätere Gemeinschuldnerin beendete Ende Mai 2006 (mehr als einen Monat vor der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen) ihre Pflege- und Betreuungstätigkeit im Pflegeheim und sie kündigte am 1.6.2006 die Betreuungsverträge mit den Heimbewohnern, worauf einige das Heim verließen und die im Heim verbliebenen Bewohner der Auflösung ihrer Verträge zustimmten (wodurch Dissolutionsvereinbarungen zustande kamen) und mit der Klägerin Betreuungsverträge abschlossen.
Mit der Behauptung, mangels eines Unternehmensüberganges auf die Klägerin bestünden die Betreuungsverträge mit der Gemeinschuldnerin weiter, forderte die beklagte Masseverwalterin am 17.7.2006 die im Heim verbliebenen Bewohner auf, das Entgelt für die Betreuungsleistungen nicht an die Klägerin, sondern an die Beklagte zu leisten. Während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens (und noch in ihrer Berufungsschrift) vertrat die Beklagte den Standpunkt, zu dieser Aufforderung berechtigt zu sein.
Mit dem Argument, das Unternehmen der Gemeinschuldnerin sei nicht wirksam auf die Klägerin übergegangen, hat die Beklagte am 17.7.2006 die Vertragspartner der Klägerin (die im Heim verbliebenen Bewohner) dadurch zum Vertragsbruch aufgefordert, dass sie von ihnen verlangte, ihre Hauptleistung aus dem Vertrag (das Entgelt für die Betreuung) nicht an die Klägerin, sondern an die Beklagte zu bezahlen. Die am Unternehmen (als organisierter Erwerbsgelegenheit, zu der ein Kundenstock gehört) orientierte Argumentation der Berufungswerberin lässt außer Acht, dass die Heimbewohner am 17.7.2006 nicht mehr Kunden der Gemeinschuldnerin waren - die Berufungswerberin gesteht auch zu, dass die Klägerin die Bewohner des Pflegeheims betreut (ON 44, Seite 4) –, weil die Verträge zwischen der Gemeinschuldnerin und den Heimbewohnern schon aufgelöst waren. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn sich im Verfahren 20 Cg 202/06z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz herausstellen sollte, dass die Gemeinschuldnerin Mieterin des Gebäudes W*****, ***** ist und wenn die Gemeinschuldnerin im Verfahren 28 Cg 5/07i des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz die „Rückstellung des an der Adresse *****, ***** betriebenen Unternehmens (eines Pflegeheimes) in ihre Verfügungsgewalt“ erreichen sollte, weil in beiden Fällen die aufgelösten Heimbetreungsverträge nicht wiederaufleben.
Die an die Heimbewohner gerichtete Aufforderung vom 17.7.2006 ist daher eine gemäß § 1 UWG (aF und nF) sittenwidrige (§ 1 UWG aF), unlautere (§ 1 UWG nF) und damit rechtswidrige Verleitung zum Vertragsbruch im geschäftlichen Wettbewerb um Heimbewohner (Schmid in Wiebe/Kodek UWG § 1 UWG Rz 497ff; Duursma in M.Gumpoldsberger/Baumann (Hg.), UWG Rz 224 mwN; RdW 1995, 10; SZ 32/79), ein rechtswidriger Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut (Rechberger in Rechberger3 § 406 ZPO Rz 13 mwN), der die Klägerin zur Unterlassungsklage berechtigt. Dass der Beklagten die Beseitigung der Wiederholungsgefahr (und der Erstbegehungsgefahr, soweit es um die Annahme von Zahlungen geht) nicht gelungen ist, hat das Erstgericht zutreffend damit begründet, dass die Beklagte im Prozess ihre Unterlassungspflicht bestreitet, behauptet, zu den beanstandeten Handlungen berechtigt zu sein, und sie während des Verfahrens verteidigt (Rechberger aaO, Rz 14, 15; RIS-Justiz RS0079564; RS0012055 [T 5]; MR 1993, 226).
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Da gegen die Bewertung des Unterlassungsanspruches durch die Klägerin keine Bedenken bestehen, war der Entscheidungsgegenstand gemäß § 500 Abs 2 und Abs 3 ZPO mit mehr als EUR 30.000,-- zu bewerten.
Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO waren nicht zu beantworten, sodass kein Anlass besteht, die ordentliche Revision zuzulassen.
Zum Kostenrekurs:
Unmittelbar vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 12.1.2010 findet sich im Tagsatzungsprotokoll (ON 39, Seite 6) die Formulierung: „Die Parteienvertreter legen Kostennoten.“ Da die Beklagte in ihrem Kostenrekurs nichts Gegenteiliges behauptet und sich darin inhaltlich mit dem Kostenverzeichnis der Klägerin auseinandersetzt, ist davon auszugehen, dass ihr die Klägerin damals gemäß § 54 Abs 1a ZPO ein Kostenverzeichnis ausgehändigt hat (OLG Wien 7 Rs 145/09h; RW000466).
Am 2.2.2010, also nach Ablauf der 14-tägigen Einwendungsfrist des § 54 Abs 1a ZPO, erhob die Beklagte Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin, in denen sie sich gegen die Zuerkennung von Kosten für eine „Kommission LG für ZRS/Konkursabteilung“, gegen die Zuerkennung einer Verbindungsgebühr von 25 % für einen mit der Klage verbundenen (in der Zwischenzeit rechtskräftig abgewiesenen) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die Zuerkennung von Kosten für eine „Bekanntgabe vom 20.3.2007“, für einen Fortsetzungsantrag vom 20.12.2007, für eine „Äußerung vom 18.3.2008 und für die Kosten einer ZMR-Abfrage vom 12.2.2008 aussprach.
Das Erstgericht, das mit dem in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluss diese Einwendungen als verspätet zurückwies, verpflichtete die Beklagte mit der angefochtenen Kostenentscheidung gemäß § 41 ZPO (unter Hinweis auf § 54 Abs 1a ZPO, wonach das Kostenverzeichnis der Klägerin der Kostenentscheidung zugrunde gelegen sei) zum Ersatz der gesamten von der Klägerin verzeichneten Verfahrenskosten von EUR 22.971,40.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, sie in gegenseitige Aufhebung der Verfahrenskosten abzuändern, in eventu sie dahin abzuändern, dass der klagenden Partei Kosten von EUR 18.680,74, in eventu EUR 19.148,38 zuerkannt werden.
Die Rekurswerberin strebt eine Abänderung der Kostenentscheidung im Sinne ihrer verspäteten Einwendungen an; außerdem behauptet sie, in der Umformulierung des Unterlassungsbegehrens durch die Klägerin in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 6.12.2006 liege eine Klagseinschränkung,die dazu führe, dass die Beklagte bis zu dieser Einschränkung zur Gänze obsiegt habe.
Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Der Rekurs ist nicht zulässig.
Gemäß § 54 Abs 1a ZPO hat das Gericht die am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz verzeichneten Kosten seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit der Gegner dagegen keine begründeten Einwendungen erhebt. Diese Norm hat zum Entfall der amtswegigen Ermittlung des Verfahrenskostenersatzes geführt und die Dispositionsmaxime auf den Kostenersatzanspruch ausgeweitet (Fucik in Fucik/Klauser/Kloiber, ZPO10 Anm zu § 54a ZPO). Der Sinn der Regelung besteht darin, die strittigen Kostenpositionen herauszufiltern und die vormals erst im Fall eines Kostenrekurses vorzunehmende Überprüfung der gegnerischen Kostennote in ein früheres Verfahrensstadium vorzuverlegen. Um zu verhindern, dass das Gericht die vom Gegner verzeichneten Kosten ungeprüft seiner Entscheidung zu Grunde legt, muss die Partei begründete Einwendungen erheben (Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten - § 54 Abs 1a ZPO/Die Dispositionsmaxime im Kostenersatzrecht, ÖJZ 2009/80 (745, 748); Fucik, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86; Woller, Budgetbegleitgesetz 2009, ecolex 2009, 567; OLG Wien, 7 Rs 145/09h; RIS-Justiz RW00466; 113 BlgNr. XXIV GP 31).
Das OLG Linz (4 R 205/09h, AnwBl 2010/8226
[Salficky]) vertritt die Ansicht, die in den Gesetzesmaterialien vertretene Ansicht, das Gericht müsse nicht bestrittene Positionen seiner Kostenentscheidung ungeprüft zu Grunde legen, sei schon durch den Wortsinn des § 54 Abs 1a ZPO nicht gedeckt, weil „zu Grunde legen“ bloß „als Grundlage nehmen“ bedeutet, weshalb § 54 Abs 1a ZPO seinem Wortlaut nach „nichts Neues“ bringe. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht aus folgenden Erwägungen nicht:
Ausgehend davon, dass schon gemäß § 54 Abs 1 ZPO das Kostenverzeichnis „bei sonstigem Verluste des Ersatzanspruches“ die Grundlage der Kostenentscheidung bildet, liegt der innovative Gehalt des § 54 Abs 1a Satz 3 ZPO nach Ansicht des Rekursgerichtes tatsächlich nicht im „zu Grunde legen“ des Kostenverzeichnisses, sondern in der Abhängigkeit der gerichtlichen Prüfpflicht von begründeten Einwendungen: Erst wenn die Partei plausible Argumente gegen bestimmte Positionen des Kostenverzeichnisses vorbringt, löst sie insoweit die gerichtliche Prüfpflicht aus (Höllwerth aaO, 745). So wie ein Rechtsmittelgericht nicht „sehenden Auges falsch entscheidet“ (OLG Linz, 4 R 205/09h), wenn es unangefochtene (oder nicht gesetzmäßig angefochtene) Tatsachenfeststellungen oder Rechtssätze seiner Entscheidung ungeprüft zu Grunde legt (Kodek in Rechberger3 § 471 ZPO Rz 8, 9 mwN), hat ein Erstgericht gemäß § 54 Abs 1a Satz 3 ZPO jene Positionen eines Kostenverzeichnisses seiner Entscheidung ungeprüft zu Grunde zu legen, gegen die der Gegner keine begründeten Einwendungen erhoben hat, weil die der Disposition der Parteien überlassene Überprüfung des Kostenverzeichnisses vom Kostenrekursverfahren in das Verfahren erster Instanz vorverlegt wurde (vgl Höllwerth aaO, 748). Dieser mit einer zwingenden Anordnung an das Gericht (arg: „hat ... zu Grunde zu legen“) verbundene Vorrang der Dispositionsmaxime vor der amtswegigen Überprüfung der verzeichneten Kosten – das Gericht prüft erst, wenn und soweit eine Partei durch begründete Einwendungen (also durch eine Prozesshandlung) die Prüfpflicht auslöst – spricht gegen die vom OLG Linz herangezogenen Analogien zum Verbot eines Versäumungsurteils gemäß § 396 Abs 1 ZPO (wenn Tatsachenvorbringen „durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird“), zum Entfall der Bindung des Gerichts an offenkundig unrichtige Geständnisse (7 Ob 130/08f; RIS-Justiz RS0107489), zum Entfall der Zustimmungsfiktion bei Verstoß gegen zwingend gesetzliche Vorschriften gemäß § 56 Abs 2 und Abs 3 EO (Jakusch in Angst, EO2 § 56 Rz 8) und zum Entfall der Säumnisfolgen des § 17 AußStrG bei unschlüssigem Begehren (Fucik/Kloiber § 17 AußStrG Rz 2f).
Gleiches gilt für die als Analogiebasis herangezogene Rechtsprechung zu § 39 GebAG (RIS-Justiz RW0000268; RI0000108), wonach bei unterlassenen Einwendungen gegen die Gebührennote des Sachverständigen vor dem Erstgericht im Rekursverfahren eine Überprüfung des Gebührenanspruchs auf „Schlüssigkeit der Kostennote, Übereinstimmung mit dem Akteninhalt und mit dem Gesetz“ (OLG Linz aaO) stattzufinden hat, kann das Gericht doch bei unterlassenen Einwendungen gegen den Gebührenantrag des Sachverständigen gemäß § 39 Abs 3 GebAG den Gebührenanspruch jedenfalls von Amts wegen kürzen, wenn es Bedenken gegen die Höhe der Gebühren hegt.
Da die Beklagte gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin binnen 14 Tagen keine begründeten Einwendungen erhoben hat, fehlt ihr – nachdem das Erstgericht das Kostenverzeichnis der Klägerin ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat – das für die Anfechtung erforderliche Rechtsschutzinteresse (die Beschwer), weshalb ihr Rekurs zurückzuweisen war (Höllwerth aaO (747); OLG Wien 7 Rs 145/09h; RIS-Justiz RW000466; RS0006880), weil alle Anfechtungspunkte des Rekurses Kostenpositionen betreffen, gegen die schon bei Legung des Kostenverzeichnisses der Klägerin Einwendungen erhoben werden konnten.
Die Kosten ihres unzulässigen Rekurses hat die Beklagte gemäß §§ 40, 50 Abs 1 ZPO jedenfalls selbst zu tragen.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
Textnummer
EG00067European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2010:00300R00096.10B.0729.000Im RIS seit
18.10.2010Zuletzt aktualisiert am
18.10.2010