Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Dr. Friedrich Petri und Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm Leopold W*****, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Wien 1, Graben 28, vertreten durch Urbanek|Lind|Schmied|Reisch, Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2010, GZ 37 R 448/09w-20, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. August 2009, GZ 25 C 41/09f-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte erstattete in den Jahren 1999 bis 2007 im Auftrag der C***** AG insgesamt sieben Gutachten über I*****-Aktien. Ihm war dabei bekannt, dass zwischen der Bank und der I***** AG enge geschäftliche Beziehungen und auch personelle Verflechtungen bestanden. Die vom Beklagten erstatteten Gutachten sollten die grundsätzliche Eignung der Aktien zur Mündelgeldveranlagung darstellen. Ein weiterer, konkreter Zweck der Gutachtenserstellung steht nicht fest. Der Beklagte ging aber davon aus, dass die von ihm erstellten Gutachten dazu Verwendung finden würden, um auf geeignete Weise die Veranlagung von Mündelgeldern zu erreichen. Er wurde von seinem Auftraggeber nicht gefragt, ob diese Gutachten im Internet zum Download angeboten werden dürften. Eine derartige Verwendung seiner Gutachten war ihm auch nicht bekannt.
Am 28. Oktober 2003 erstattete der Beklagte ein Sachverständigengutachten. In dessen Punkt 1 stellt er seinen Auftrag und die für das Gutachten verwendeten Unterlagen wie folgt dar:
„Ich wurde von der C***** Aktiengesellschaft mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 beauftragt, ein Gutachten bezüglich der Mündelsicherheit einer Geldanlage in Aktien der I***** AG (in Folge: I***** AG genannt) zu erstatten.
Ein solches Gutachen kann eine Mündelsicherheit dieser Aktien nicht feststellen. Ein positives Gutachten stellt jedoch gemäß § 230e ABGB die Voraussetzung für die Genehmigung eines Erwerbs solcher Wertpapiere durch das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht dar.
Als Unterlagen standen mir zur Verfügung ...“
Über die im Gutachten aufgeführten Unterlagen hinaus verwendete er keine weiteren Unterlagen, um das Gutachten zu erstellen. In dessen Punkt 2 stellte der Beklagte rechtliche Grundlagen dar, in Punkt 3 wirtschaftliche Grundlagen. Unter Punkt 3 führte er unter anderem aus:
„Die zum Bilanzstichtag 30. 4. 2003 ausgewiesenen Kapitalrücklagen betrugen € 542,1 Millionen. Auf diesen Betrag entfallen € 523,6 Millionen auf gebundene Rücklagen, welche aus der Einstellung der Agio-Beträge aufgrund der Kapitalerhöhungen gebildet wurden, und € 18,6 Millionen auf nicht gebundene Rücklagen. … Die Veranlagung der Mittel der I***** AG erfolgt indirekt über Beteiligungen in ausgewählte Liegenschaften in sehr guten Lagen im Großraum Wien, Prag, Budapest sowie Paris, den USA, Italien, der Schweiz und Spanien.“
In der Folge stellte der Beklagte die Beteiligungen der AG an anderen selbständigen Unternehmen laut Bilanz vom 30. 4. 2003 dar und gab die Vermögens- und Finanzlage der AG zu diesem Stichtag laut Bilanz wieder. Weiters stellte er die Entwicklung der Aktien dar. Er führte aus:
„Aus der Entwicklung des Aktienkurses ist ersichtlich, dass das allgemeine Börsenklima wenig bis keine Auswirkung auf den Kurs dieser Immobilienaktie hat. Insbesondere das unsichere Börsenklima und die sich unbeständige entwickelnde Weltwirtschaft sowie die schwankende Kursentwicklung an internationalen Börsen seit September 2001 zeigen keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kursentwicklung der I*****-AG-Aktie.“
In der Folge stellte der Beklagte die Konzernstruktur der AG dar und gab die Vermögens- und Finanzlage des I*****-Konzerns wieder. In Punkt 4 des Gutachtens stellte er die Immobilienprojekte der Tochterunternehmen sowie deren Umsatzerlöse dar. In Punkt 5 nahm er zur Entwicklung des Immobilienmarkts Stellung und führte auszugsweise aus wie folgt:
„Da die Wertentwicklung einer Immobilienaktie sehr maßgeblich von der Entwicklung der Grundstücks- bzw Liegenschaftspreise abhängig ist, wird eine Entwicklung des Immobilienmarkts für den Zeitraum 2000 - 2003 dargestellt. ...“
Im Gutachten folgen - auch grafische - Darstellungen zum Immobilienmarkt in Wien, Prag und Budapest.
In dem mit „Gutachten“ überschriebenen Punkt 6 seines Gutachtens führte der Sachverständige aus wie folgt:
„Gemäß § 230d ABGB sind zur Anlegung von Mündelgeld inländische Liegenschaften geeignet, wenn sich ihr Wert nicht wegen eines darauf befindlichen Abbaubetriebes ständig und beträchtlich vermindert und sie nicht ausschließlich oder überwiegend industriell oder gewerblichen Zwecken dienen.
Gemäß § 230e Abs 2 Z 1 sind Wertpapiere, die im Sinn des § 230b ABGB nicht genannt sind, zur Anlegung von Mündelgeldern geeignet, sofern dafür vorgesorgt ist, dass die Verwaltung der Wertpapiere einschließlich eines Verkaufes, falls er durch die Marktlage geboten sein sollte, sachkundig vorgenommen wird.
Die Aktien der I***** AG verbriefen keine direkten Rechte an Liegenschaften. Die mit den Geldern angeschafften Liegenschaften beinhalten keine Industriegrundstücke und keine überwiegend gewerblich genutzten Grundstücke, sodass den Veranlagungsbeschränkungen gemäß § 230d ABGB - für diese indirekte Veranlagung - entsprochen ist.
Aus der Analyse des Unternehmens, der Veranlagungsstrategie sowie den in der Vergangenheit zu verzeichnenden Kursentwicklung der I***** AG ist unter Berücksichtigung der zukünftig erwarteten Entwicklung der Mietpreise und der erwarteten Renditen auf dem Immobilienmarkt anzunehmen, dass die Aktien der I***** AG ihren Wert dauerhaft erhalten. Eine jederzeitige Veräußerung der Anteile ist durch die Notierung an der Wiener Börse gewährleistet. Weiters zeigt sich aus der beobachteten Kursentwicklung, dass diese stark an der Substanzentwicklung des Unternehmens orientiert ist und somit von zyklischen Schwankungen auf Aktienmärkten nur unwesentlich beeinflusst ist.
Die geringere Volatilität des Wertpapiers drückt auch die niedrigere Risikoerwartung eines Anlegers aus, der seine Rendite durch die Partizipation an laufenden Kurssteigerungen erzielen kann. Die Kursbeobachtung zeigt weiters, dass die Sicherheit der Veranlagung sowie die laufende Rendite in annähernd gleichen Ausmaß gewährleistet ist wie bei Anleihen des Bundes oder der Länder und bei Pfandbriefen und Kommunalschuldverschreibungen im Sinne des § 230b Z 1-3 ABGB.
Nach Meinung des Sachverständigen sind daher Aktien der I***** AG derzeit zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet, sofern die Veranlagung im Rahmen eines sinnvollen Portfoliomix erfolgt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Veranlagungen das Ziel der Risikostreuung bei gleichzeitiger Ertragsoptimierung sinnvoller Weise nur im Rahmen einer Diversifikation in verschiedene Veranlagungen, die unterschiedliche Risikoverläufe aufweisen, erreichbar ist.
Im Einzelfall ist die Zusammensetzung des Veranlagungsmix an die persönlichen Voraussetzungen des Investors anzupassen, wobei neben den Zielen der Risikostreuung und Ertragsoptimierung auch die Verwertbarkeit der einzelnen Portfoliobestandteile zu berücksichtigen ist.“
Eine obsorgeberechtigte Mutter von zwei minderjährigen Kindern, die aus einer Erbschaft über Vermögen verfügen, wandte sich im Frühjahr 2004 an ihren Vermögensberater und erzählte ihm, dass sie Geld für die Kinder mündelsicher zu veranlagen habe. Der Berater riet ihr daraufhin, eine Anlage mit einer guten Rendite zu kaufen. Nach einer Rückfrage bei der zuständigen Pflegschaftsrichterin wandte sich die Mutter nochmals an den Berater. Der teilte ihr mit, dass es ein Gutachten gebe, das bestätigte, dass die I*****-Aktien mündelsicher seien. Daraufhin faxte der Berater an die Mutter die Seiten 25 und 26 des Gutachtens des Beklagten vom 28. Oktober 2003. Sie erhielt nur diese beiden Seiten zur Verfügung gestellt. Nach Übermittlung dieser Unterlagen genehmigte das Pflegschaftsgericht die Veranlagung von jeweils 2.500 EUR pro Kind in I*****-Aktien, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Im Zeitpunkt der Veranlagung verfügte jedes Kind über ein Gesamtvermögen von etwa 19.000 EUR, wobei das restliche Geld in „Mündelrent“-Anlagen bzw auf einem Sparbuch angelegt war. Die Mutter, der bewusst war, dass es sich bei den ihr vom Berater übermittelten zwei Seiten nur um einen Auszug des Gutachtens handelte, erkundigte sich beim Berater nicht über die Möglichkeit, das gesamte Gutachten zu übermitteln.
Zum 16. August 2004 kaufte die Mutter für ihre Kinder jeweils rund (?) 366 Stück I*****-Aktien zu einem Kurs von 6,66 EUR, wofür inklusive Spesen jeweils 2.500 EUR zu zahlen waren. Mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts verkaufte sie zum Kurstag 31. Jänner 2007 jeweils rund (?) 155 Stück dieser Aktien zu einem Kurs von 11,51 EUR, wodurch je Kind ein Verkaufserlös von 1.788,96 EUR erzielt wurde. Seit diesem Zeitpunkt befinden sich rund (?) 211 Aktien der I***** AG je Kind auf den Wertpapierdepots. Der Wert je Aktie beträgt derzeit etwa 1,50 EUR.
Mit Abtretungsvereinbarung vom 12. Dezember 2008 traten die Minderjährigen, vertreten durch ihre Mutter, sämtliche Ansprüche gegen den Beklagten an den klagenden Verein zum Zweck der Klageführung ab. Die klagende Partei nahm diese Abtretung an. Mit Beschluss vom 6. Jänner 2009 genehmigte das Pflegschaftsgericht diese Abtretung. Im November 2005 befand sich auf der Homepage der AG unter anderem folgender Text:
„Ein Sachverständigengutachten bescheinigt, dass die Aktien der I***** AG als mündelsichere Veranlagung gemäß § 230e geeignet sind. Ein derartiges positives Gutachten ist Voraussetzung dafür, dass Vormundschafts- und Pflegschaftsgerichte eine Vermögensveranlagung in I*****-Aktien genehmigen. Damit ist nicht gesagt, dass in allen Fällen, die jeweils von der konkreten Einzelsituation geprägt sind, eine derartige Genehmigung erfolgen wird bzw erfolgt ist. Den Eignungstest als mündelsichere Veranlagung hat die I***** Aktie jedenfalls bestanden.“
Weiters wurde auf dieser Seite ein Gutachten des Beklagten zum Download angeboten.
In einem Gutachten vom Juni 2006 führte ein anderer gerichtlich beeideter Sachverständiger aus, dass zusammenfassend festgestellt werden könne, dass Aktien der I***** AG aus Sicht des Sachverständigen unabhängig von den zweifellos bestehenden Ertragspotentialen nicht für eine Veranlagung von Mündelgeld geeignet seien.
Die klagende Partei, ein unbestrittenermaßen bevorrechteter Verein iSd § 29 KSchG, begehrte die Feststellung der Haftung des Beklagten für jeden Schaden, der den minderjährigen Konsumenten aus der fehlerhaften Begutachtung der mit Kaufauftrag vom 16. August 2004 erworbenen Wertpapiere (…) als mündelsicher entstehe. Dazu brachte er im Wesentlichen vor:
Ihm seien sämtliche Ansprüche der minderjährigen Konsumenten zum Inkasso abgetreten worden. Deren Mutter habe dem Pflegschaftsgericht einen Auszug aus einem Gutachten des Beklagten über die Eignung der gegenständlichen Anlage für die Anlegung von Mündelgeld überlassen. Daraufhin habe das Pflegschaftsgericht ihr die Ermächtigung erteilt, insgesamt 5.000 EUR in Aktien der AG anzulegen. Diese hätten seit dem Zeitpunkt der Veranlagung einen massiven Kursverlust erlitten. Das Gutachten des Beklagten sei unrichtig und schadenskausal gewesen, weil die Mutter der Minderjährigen ohne dieses Gutachten keinen entsprechenden Antrag an das Pflegschaftsgericht gestellt hätte. Der Beklagte hafte für sein falsches Gutachten, weil dieses nach der Verkehrsübung und dem Zweck der Gutachtenserstattung auf Dispositionen Dritter als Grundlage dienen habe sollen und auch gedient habe. Er habe weiters damit rechnen müssen, dass nur die Zusammenfassung seines Gutachtens den Pflegschaftsgerichten sowie interessierten Anlegern zur Verfügung gestellt werde. Er sei von einer Bank mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt worden. Da diese mit der AG eng verflochten sei, habe er damit rechnen müssen, dass der Zweck des Gutachtens unter anderem die Unterstützung des Vertriebs der Aktien gewesen sei. Als Zweck des Gutachtens sei für ihn die Verwendung im Rahmen einer Genehmigung durch Pflegschaftsgerichte ebenso erkennbar gewesen wie die marketingtechnische Verwertung des Gutachtens. Er habe sein inhaltlich unrichtiges Gutachten auf unzulängliche Grundlagen gestützt, die es ihm grundsätzlich gar nicht erlaubt hätten, die im Gutachten getätigten Aussagen zu machen.
Der Beklagte wendete ein, dass er in den Jahren 1999 bis 2007 von der Bank beauftragt worden sei, Gutachten zum Thema der grundsätzlichen Eignung der Aktien zur Veranlagung von Mündelgeld zu erstatten. Jedes dieser Gutachten sei fachlich lege artis erstellt worden. Keines davon habe die Mündelsicherheit der Aktien attestiert. Vielmehr habe er bereits zu Beginn des jeweiligen Gutachtens klargestellt, dass durch diese Gutachten eine Mündelsicherheit der Aktien nicht festgestellt werden könne. Er habe weiters klargestellt, dass bei konkreter Veranlagung von Mündelgeld in solche Aktien jedenfalls ein Gutachten im Einzelfall erforderlich sei. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sein Gutachten nur in Auszügen an Dritte weiter gegeben werde. Auch für eine falsche Darstellung des Gutachtens durch Vermögensberater könne er nicht verantwortlich gemacht werden. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen habe er auch nicht davon ausgehen müssen, dass sein Gutachten als Entscheidungsgrundlage des Pflegschaftsgerichts Verwendung finde. Er habe im Gutachten darauf hingewiesen, dass die Aktien derzeit zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet seien, sofern die Veranlagung im Rahmen eines sinnvollen Portfoliomix erfolge. Das Gutachten basiere auf ausreichenden Grundlagen, wenn man den Gutachtensauftrag bedenke. Die Bewertung der von der AG verwalteten Liegenschaften sei zur Erstattung des Gutachtens nicht erforderlich gewesen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf im Wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass eine deliktische Haftung von Sachverständigen, die grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt sei, gegenüber Dritten für reine Vermögensschäden in der Regel nur bei zumindest bedingtem Vorsatz des Gutachters in Betracht komme. Eine darüber hinausgehende Haftung gegenüber Dritten werde von der Rechtsprechung dann anerkannt, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar gerade auch die Interessen des Dritten mitverfolge. In diesem Fall seien die objektiv-rechtlichen Sorgfaltspflichten auf den Dritten zu erstrecken. Dies sei der Fall, wenn der Sachverständige damit rechnen müsse, dass sein Gutachten Dritten zur Kenntnis gelangen und diesen als Grundlage für ihre Dispositionen dienen werde. Geschützt sei demnach der Dritte, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet sei, also ein Vertrauenstatbestand vorliege, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen sollte. Wesentlich sei daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde. Mangels ausdrücklicher Bestimmung im Vertrag könne sich die Beurteilung nach der Verkehrsübung richten. Der bloße Umstand, dass die Sphäre eines Dritten durch ein Privatgutachten berührt werde, sei noch nicht haftungsbegründend. Am Gutachtensauftrag sei die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens zu messen. Der Sachverständige könne Dritten nur verantwortlich werden, so weit seine Aufgabe reiche. Von diesen Grundsätzen ausgehend sei die Haftung des Beklagten im gegenständlichen Fall zu verneinen. Er habe bereits im Punkt 1 des Gutachtens dargestellt, dass dieses Gutachten eine Mündelsicherheit der konkret untersuchten Aktien nicht feststellen könne, ein solches positives Gutachten jedoch gemäß § 230e ABGB Voraussetzung für die Genehmigung eines Erwerbs solcher Wertpapiere durch das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht sei. Schon daraus sei erkennbar, dass es nicht Zweck des Gutachtens gewesen sei, die konkrete Veranlagung von Mündelgeld in die beurteilten Aktien abzusichern. Unter Berücksichtigung der Verkehrsübung sei es lediglich der Zweck des Gutachtens gewesen, eine grundsätzliche Eignung der Aktien zur Veranlagung von Mündelgeld zu prüfen. Dieser Zweck wäre für den durchschnittlichen Erklärungsempfänger bei Lesen des gesamten Gutachtens auch erkennbar gewesen. Zweifellos habe der Beklagte damit rechnen müssen, dass dieses Gutachten Dritten zur Verfügung gestellt und mit diesem Gutachten auch „Werbung“ gemacht werde. Das bedeute aber nicht, dass er auch damit rechnen habe müssen, dass lediglich die letzten beiden Seiten seines Gutachtens Dritten zur Verfügung gestellt würden und die Grundlage von deren Dispositionen bilden könnten. Er habe auch nicht mit einer Verwendung seines Gutachtens auf der Homepage der AG rechnen müssen. Dabei sei zu bemerken, dass der Beklagte eben umso weniger Einfluss auf die textliche Gestaltung der Homepage nehmen habe können. Überdies habe das Beweisverfahren keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Mutter der Minderjährigen den Internetauftritt zur Basis ihrer Entscheidung gemacht hätte. Nach der eindeutigen Anordnung des § 230e ABGB sei vor Genehmigung des Erwerbs von Wertpapieren jedenfalls ein Sachverständiger für das Börsen- oder Bankwesen anzuhören. Nach dieser Norm und der Rechtsprechung dazu habe der Beklagte davon ausgehen können, dass ein Pflegschaftsgericht vor Genehmigung einer konkreten Veranlagung von Mündelgeld in I*****-Aktien ein (weiteres) Gutachten einholen würde. Der klagenden Partei sei zuzugestehen, dass bei isolierter Betrachtung aufgrund des auf S 26 des Gutachtens verwendeten Fettdrucks beim Satzteil „Aktien der I***** AG derzeit zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet“ bei einem verständigen Erklärungsempfänger der Eindruck entstehen könnte, dass das Gutachten des Beklagten die Mündelsicherheit dieser Aktien tatsächlich attestiere. Die Aussage werde aber bereits durch den nächsten Halbsatz relativiert. Daher sei bei Gesamtbetrachtung des Gutachtens trotz einer gewissen „Tendenz“ davon auszugehen, dass es keine Aussage darüber treffe, dass die Aktien stets als mündelsicher bezeichnet werden könnten. Da demnach eine Haftung des Beklagten zu verneinen sei, könne die Frage, ob das Gutachten bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung als inhaltlich richtig zu bezeichnen wäre, dahingestellt bleiben.
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des klagenden Vereins nicht Folge. Nach Verweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zog das Berufungsgericht eine Parallele zur Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Erweiterung der Haftung aufgrund vertraglicher Schutzwirkungen in Betracht komme, sei vor allem zu klären, ob eine willensmäßige Grundlage für eine Extension vorhanden sei. Es liege beispielsweise nahe, dass beim Bauwerkvertrag der Bauunternehmer auch zur Sorgfalt gegenüber der körperlichen Integrität der Angehörigen des Bauherrn verpflichtet sei.
Wenngleich nach der Judikatur der Gutachter immer auch gegenüber Dritten haften solle, wenn er damit rechnen müsse, dass sein Gutachten die Grundlage für die Disposition des Dritten bilden werde, sei im vorliegenden Fall dennoch die Haftung des Beklagten zu verneinen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts habe der Beklagte von 1999 bis 2007 im Auftrag der Bank insgesamt sieben Gutachten über die strittigen Aktien erstellt. Er habe in seinem Gutachten bereits zum Ausdruck gebracht, dass sein Gutachten nicht die Basis dafür sein könne, dass das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht einen Erwerb von Wertpapieren zur Anlegung von Mündelgeld bewillige. Sei aber eine Haftung des Beklagten auf jeden Fall zu verneinen, komme es auf die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens nicht an. Es liege daher auch der gerügte Feststellungsmangel nicht vor.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil dem Berufungsgericht nicht bekannt sei, dass der Oberste Gerichtshof schon einmal mit einer Fallkonstellation wie der vorliegenden befasst gewesen sei.
Mit seiner Revision beantragt der klagende Verein die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise, dass dem Rechtsmittel nicht stattgegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zu den Fragen des Umfangs der Prüfpflicht eines Gutachters nach § 230e ABGB sowie der Drittwirkung eines Privatgutachtens erhebliche Rechtsfragen vorliegen. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
A) Vor Eingehen auf die entscheidungswesentlichen Themen des Umfangs der Prüfpflicht des Sachverständigen bei der Befundaufnahme und der sachlichen Richtigkeit des Gutachtens ist zu den vorgelagerten grundsätzlichen Haftungsvoraussetzungen Folgendes auszuführen:
I.1. Zur Haftung der Sachverständigen gegenüber Dritten:
Die Vertragshaftung besteht zunächst nur gegenüber dem Besteller des Gutachtens (RIS-Justiz RS0026645), gegenüber Dritten aber dann, wenn der Besteller erkennbar auch die Interessen Dritter mitverfolgt (RIS-Justiz RS0026552; RS0017178). Die objektiv- rechtlichen Sorgfaltspflichten erstrecken sich auf einen Dritten, wenn der Sachverständige damit rechnen muss, dass sein Gutachten Dritten zur Kenntnis gelangen wird und eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll (RIS-Justiz RS0106433). Der Sachverständige haftet bei drittgerichteten Aussagen für die geschaffene Vertrauenslage (2 Ob 191/06m; 8 Ob 51/08w uva). Primär beantwortet der Zweck des Gutachtens die Frage, ob es (auch) drittgerichtet ist. Nach diesen Grundsätzen kann hier die Haftung des Beklagten gegenüber Dritten nicht ernstlich in Frage gestellt werden. Die Absicht der (wahren) Bestellerin (die Zwischenschaltung der auftraggebenden Bank spielt keine Rolle), das Gutachten im Geschäftsverkehr für Werbezwecke zu verwenden, war klar erkennbar. Der Zweck eines Gutachtens über die Sicherheit von Wertpapieren iSd § 230e ABGB besteht auch in der Schaffung einer Vertrauenslage für Dritte.
2. Die Haftung des Beklagten ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Pflegschaftsgericht vor seiner Veranlagungsgenehmigung gemäß § 230e Abs 1 ABGB einen Sachverständigen für das Börsen- oder Bankwesen zu hören hat. Nach dieser Bestimmung reicht wohl ein dem Pflegschaftsgericht vorgelegtes Privatgutachten für die Genehmigung des Erwerbs der Wertpapiere nicht aus, das Privatgutachten könnte aber durchaus als Entscheidungsgrundlage mit herangezogen werden, wenn ein anderer Sachverständiger dem Gericht die Richtigkeit des Privatgutachtens bestätigt. Hier ist dem Standpunkt des Klägers zu folgen, dass eine allfällige Amtshaftung die Haftung des beklagten Gutachters nicht ausschließt, sondern nur zu dieser Haftung solidarisch hinzutritt.
3. Schon an dieser Stelle ist festzustellen, dass eine Haftung des Beklagten nicht darauf gestützt werden kann, dass sein Gutachten der Mutter der Kinder nicht zur Gänze zur Verfügung gestellt wurde. Diesen Umstand hat er nicht zu vertreten. Eine nur auf diesen Umstand zurückzuführende Irreführung im Sinne einer Unrichtigkeit wegen Unvollständigkeit des Gutachtens kann seine Haftung nicht begründen. Dieser Umstand fällt alleine in die Sphäre der werbenden Aktiengesellschaft bzw der Bank.
B) Zur Haftung für ein unrichtiges Gutachten:
Der Kläger wirft dem Beklagten unter Vorlage von Privatgutachten (Beil ./J und M) eine Fülle von Erhebungsmängeln vor. Da die Unrichtigkeit des Gutachtens nur auf diese Sachverhaltsbehauptungen gestützt wurde, seien diese hier wörtlich wiedergegeben:
Es „fand keine Prüfung und Analyse des Liegenschaftsbestandes bzw der -erwerbe durch die einzelnen Immobiliengesellschaften der I*****-Gruppe statt;
erfolgte keine Prüfung der Lagequalität und sonstiger wertbestimmender Faktoren (Mieterstruktur, Bonität, Mietentgelte, Laufzeiten, Leerstände, etc);
erfolgte keine eingehendere Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Nutzung oder von Verkehrswertermittlungen des Immobilienbestandes, weshalb auch keine Aussagen zur Erfüllung des § 230e Abs 2 ABGB getroffen werden konnten;
fanden keine Verkehrswertüberprüfungen der Immobiliengesellschaften der I***** bzw deren Immobilien statt;
waren die weitschweifigen Ausführungen zur 'allgemeinen Immobilienmarktentwicklung' für Feststellungen zum aktuellen Immobilienbestand völlig ungeeignet, da Vermietungsgrad, Mietverträge, Mieterstrukturen, Mietindexierungen und Laufzeiten bei den Objektgesellschaften bereits bekannt waren und daher nur eine Mietvertragsinventur in Verbindung mit einer Überprüfung der konstanten Mietzuflüsse Aufschluss über die Nachhaltigkeit von Erträgen bei einzelnen Immobilienobjekte gebracht hätte;
ließ eine Analyse der Aktienkursentwicklung im vorliegenden Fall keine Rückschlüsse auf bloß endogene Faktoren (Gewinnthesaurierung, Reinvestition erzielter Gewinne, etc) zu, da externe Kurseinflussfaktoren aus Transaktions- und Handelsdaten gar nicht erst untersucht wurden;
ist der Vergleich von Aktien der I***** mit der Rendite- und Risikoerwartung von Anleihen des Bundes oder der Länder oder von Pfandbriefen und Kommunalschuldverschreibungen im Sinne des § 230b Z 1 bis 3 ABGB im vorliegenden Fall völlig unzutreffend, weil deren Haftungsunterlegung in keiner Weise mit dem Deckungsstock in Immobilien oder sonstiger Sachwerte der I***** vergleichbar war/ist und im Übrigen ein solcher vom beklagten Sachverständigen auch gar nicht geprüft wurde;
erfolgte keine tiefergehende Analyse der Mittelverwendung aus den verschiedenen Kapitalerhöhungen;
hätten die deutlichen regionalen und funktionalen Verschiebungen im Immobilienportefeuille der I***** einer Überprüfung der regional getätigten Investitionen und einer Risikoevaluierung bedurft;
muss die Verarbeitung einer einzigen Datenquelle für die Beurteilung von Immobilienmärkten für ein Sachverständigengutachten als unzureichend eingestuft werden.“
Dazu ist Folgendes auszuführen:
I.1. Die aus den Jahren 2008 und 2009 stammenden, den Immobilienmarkt analysierenden Privatgutachten verweisen ua auf in der Branche zunächst (bis 2007) stattgefundene hohe Kurssteigerungen, auf unrealistische Zuschläge von bis zu 30 % auf den „Net Asset Value“ und die ab 2007 einsetzenden überdurchschnittlichen Verluste von Immobilienaktien. Den Risken hätten die Unternehmen durch höhere Risikozuschläge Rechnung tragen müssen. „Bewertungs- und bilanzpolitische Gestaltungsspielräume“ seien genutzt worden. Zum Kursrückgang ab 2007 wird in den Privatgutachten ua auf die US-Hypothekenkrise, die rückläufige Wirtschaftsentwicklung in Osteuropa und später bekannt gewordene Kursmanipulationen einzelner Unternehmen verwiesen. In den Privatgutachten wird eine Fülle von Gutachtensgrundlagen angeführt (Beil ./M S 21 ua: Bau- und Ausstattungsbeschreibungen; Mietverträge; Zinslisten; Luftaufnahmen von den Objekten; Erhebungsunterlagen über gleichwertige Objekte; zusätzliche Fotodokumentationen; Online-Abfragen über Flächenwidmungs- und Bebauungspläne ua).
2. Die kursorische Darstellung der wohl extrem kostspieligen Privatgutachten dient der folgenden Darlegung, dass
a) das bekämpfte Gutachten des Beklagten einer ex-ante-Prüfung zu unterziehen ist, es also auf die Vorhersehbarkeit des Wertverlusts der Aktien ankommt und
b) dass die Einholung eingehender und kostspieliger Gutachten in § 230e ABGB keineswegs gefordert wird.
II. Die Richtigkeit des Gutachtens ist ex ante nach dem Zeitpunkt seiner Erstellung, also nach den damals zur Verfügung gestandenen Erkenntnisquellen, zu beurteilen:
Zur Begründung der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens aus dem Jahr 2003 kann die zumindest in ihrem Ausmaß und den Folgen notorischerweise die gesamte Welt überraschende US-Hypothekenkrise ebenso wenig ins Treffen geführt werden wie spätere Kursmanipulationen (also wohl auch strafrechtlich relevante, ex ante nicht vorhersehbare Sachverhalte). Mit dem heutigen Wissen ausgestattet kann sogar der Standpunkt vertreten werden, Aktien seien generell nicht mehr als sichere Anlagen zu bewerten (vgl die Probleme des milliardenschweren BP-Konzern), ja nicht einmal mehr Staatsanleihen (vgl die Griechenlandkrise).
III.1. Dessen ungeachtet lässt der Gesetzgeber die Anlegung von Mündelgeld in Wertpapieren zu. Nach § 230 Abs 1 ABGB ist das Vermögen nicht nur sicher, sondern auch „möglichst fruchtbringend“ anzulegen. Auch zu letzterem ist das Pflegschaftsgericht verpflichtet. Maßstab dabei ist, ob auch ein Fachmann auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung sein Geld auf die vom gesetzlichen Vertreter vorgeschlagene Weise anlegen würde (RIS-Justiz RS0111790). Spekulative Veranlagungen sind allerdings nicht zu genehmigen (7 Ob 29/10f).
2. Den Aspekt der Sicherheit will der Gesetzgeber mit der Anhörung eines Sachverständigen (§ 230e Abs 1 ABGB) wahren. Zum Umfang der Prüfpflicht des Sachverständigen ist Folgendes auszuführen:
Auffällig ist zunächst, dass der Gesetzgeber nur eine Anhörung und nicht eine schriftliche Gutachtenserstattung anordnet und weiters, dass nur von einem Sachverständigen für das Börsen- oder Bankwesen die Rede ist. Schon daraus ist zu schließen, dass nicht umfangreiche Bewertungsgutachten über den Wert der Aktiengesellschaft und den Wert ihres Gesellschaftsvermögens (Liegenschaften; Inventar; Beteiligungen) zu erstatten sind, dass vielmehr die gutachtliche Stellungnahme eines Sachverständigen für Börsen- oder Bankwesen ausreicht, der im Ergebnis zu beurteilen hat, ob auch ein vorsichtiger Anleger solche Aktien kaufen würde. Für eine solche Auslegung spricht schon der Umstand, dass das anzulegende Mündelgeld im Normalfall nicht so groß ist, dass die Einholung der nach dem Standpunkt des Klägers notwendigen umfangreichen Gutachten in Anbetracht deren hohen Kosten in Frage käme. Ein solcher Standpunkt führte vielmehr dazu, dass Aktien von großen, schon jahrezehntelang am Markt tätigen und eine gesunde Börsenentwicklung aufweisenden Aktiengesellschaften a priori für die Anlegung von Mündelgeld ausgeschieden werden müssten, der gesetzlichen Anordnung einer auch ertragreichen Veranlagung (§ 230 Abs 1 ABGB) also gar nicht entsprochen werden könnte.
3. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Sachverständige seine Sorgfaltspflichten bei der Befundaufnahme nicht verletzt hat:
a) Die festgestellten Erhebungen (Bilanzen Prüfungsberichte über Jahresabschlüsse, Statistiken über die Aktienkursentwicklung und die Entwicklung des Immobilienmarkts) waren ausreichend, die Beischaffung von öffentlich nicht zugänglichen weiteren Erkenntnisquellen (vgl die Schwierigkeiten des Beschaffens wegen Geschäftsgeheimnissen) war ohne begründete Zweifel etwa an der Richtigkeit der veröffentlichten Bilanzen oder an einer günstigen künftigen Marktentwicklung entbehrlich. Relevante Zweifel hätten allenfalls aufgrund von Presseberichten oder einschlägigen Publikationen bestehen können. Derartiges wurde vom behauptungspflichtigen Kläger aber nicht einmal vorgebracht. Festzuhalten bleibt also, dass sich ein Sachverständiger bei der Beurteilung von Aktien iSd § 230e ABGB bei der Befundaufnahme auf öffentlich zugängliche Erkenntnisquellen (Jahresabschlüsse; Prüfberichte; Börsenstatistiken; Branchenstatistiken; Presseberichte) beschränken darf.
b) Neben dem nicht berechtigten Vorwurf ungenügender Stoffsammlung bei der Befundaufnahme führte der Kläger im Verfahren erster Instanz zur Unrichtigkeit des Gutachtens nur den vom Sachverständigen angestellten Sicherheitsvergleich mit Bundesanleihen und anderen im § 230b Z 1 bis 3 ABGB angeführten Wertpapieren ins Treffen:
Der Sachverständige hat die Aktien nicht als „sicher wie Anleihen des Bundes“ bewertet, sondern abgeschwächt eine Sicherheit der Veranlagung „in annähernd gleichem Ausmaß“ als gewährleistet erachtet. Das ist zweifellos eine besonders hohe Bewertung der Sicherheit. Die Anlegevorschrift des § 230e ABGB dient wie die vorhergehenden Vorschriften über andere Anlageformen der sicheren Erhaltung von Mündelvermögen. Die beispielsweise in der Haftung von Gebietskörperschaften liegende Sicherheit kann bei Aktien nie zur Gänze erreicht werden. Die zwingend erforderliche Beiziehung eines Sachverständigen soll gewährleisten, dass eine zumindest vergleichbare Sicherheit gegeben ist. Die bekämpfte Formulierung ist also nicht überschießend und deshalb falsch, wenn sie einer ex-ante-Prüfung standhält, der später eingetretene Kursverlust also auf nicht vorhersehbare Entwicklungen zurückzuführen ist. Aufgrund welcher Umstände der Beklagte im Jahr 2003 nach stetiger Kurssteigerung der Aktien bis zum Jahr 2007 den dann einsetzenden Wertverfall vorhersehen hätte können, führte der Revisionswerber in allen Instanzen bisher konkret nicht aus. Zu seiner Kritik am Sicherheitsvergleich des Sachverständigen (der Aktien mit Bundesanleihen) ist der Revisionswerber mit dem Erstgericht daran zu erinnern, dass die Richtigkeit des Gutachtens nach dem Zusammenhang der Äußerungen in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist. Daraus geht aber klar hervor, dass es sich beim Gutachten um eine Beurteilung nach § 230e ABGB handelt, bei der a priori nicht eine Sicherheit ebenso, wie sie für Bundesanleihen gegeben ist, attestiert wird und dass eben deshalb vom Sachverständigen auch der Hinweis auf einen „sinnvollen Portfoliomix“ erfolgte. Den Revisionsausführungen zu einer vom Beklagten attestierten Mündelsicherheit und zur Unzulässigkeit von Relativierungen kann also nicht gefolgt werden. Bei der dargelegten Auslegung des Gutachtens kann von einem infolge von Relativierungen herbeigeführten sittenwidrigen Haftungsausschluss keine Rede sein.
4. Die Sache ist entgegen den Revisionsausführungen spruchreif. Der Kläger scheitert an seiner Behauptungslast zum Thema der Unrichtigkeit des Gutachtens:
Der Revisionswerber bekämpft die Ansicht der Vorinstanzen, sie hätten die Richtigkeit des Gutachtens des Beklagten nicht zu prüfen, rügte im Berufungsverfahren aber nur die Unterlassung der behaupteten Einholung eines Gutachtens, ohne im Verfahren erster Instanz zum Thema der Unrichtigkeit des Gutachtens des Beklagten ein geeignetes Sachverhaltsvorbringen erstattet zu haben. Er führte nur unterlassene Prüfschritte des Beklagten ins Treffen, ohne konkrete Unrichtigkeiten zu behaupten. Bloß aus dem behaupteten und festgestellten Wertverlust der Aktien ist für die gestellte Frage noch nichts zu gewinnen, weil es auf eine ex-ante-Beurteilung ankommt. Der behauptungs- und beweispflichtige Kläger hätte konkret darzulegen gehabt, aus welchen Gründen das Gutachten des Beklagten falsch wäre. Ein zu einem nicht konkretisierten Beweisthema beantragter Sachverständigenbeweis ist ein unzulässiger Erkundungsbeweis (RIS-Justiz RS0039880). Ein Mangel des Verfahrens der Vorinstanzen liegt daher nicht vor. Die Bejahung der Spruchreife stellt auch keine Überraschungsentscheidung dar, hat doch der Kläger zur Unrichtigkeit des Gutachtens einen Sachverhalt releviert, der aber aus den dargelegten rechtlichen Gründen nicht zum Erfolg führen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E95095European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00079.10D.0804.000Im RIS seit
12.10.2010Zuletzt aktualisiert am
15.02.2013