Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Hicham B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hicham B***** und Sami T***** und die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ahmed Y***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. September 2009, GZ 23 Hv 70/09i-378, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten B*****, T***** und Y***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Angeklagter enthaltenden Urteil wurden Hicham B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (A./I./1./ und 2./, II./), sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./3./), Samir T***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (B./) und Ahmed Y***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (C./) schuldig erkannt.
Danach haben sie im Großraum Innsbruck und an anderen Orten
A./ Hicham B***** in der Zeit zwischen 5. Mai 2008 und 8. Dezember 2008
I./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer unbekannten, gemeinsam mit II./ in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge jeweils durch den Schmuggel der zuvor in Italien erworbenen Suchtgifte in Form von Cannabis (THC-Gehalt jeweils zumindest 6 %) und Kokain (Reinheitsgehalt jeweils zumindest 15 %) mit dem PKW über den Brennerpass nach Tirol von Italien aus- und nach Österreich eingeführt, und anderen überlassen, wobei er die Taten gewerbsmäßig begangen hat und schon einmal wegen einer Straftat iSd § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar:
1./ nachts zum 21. Oktober 2008 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Tanju A*****, Ersin C***** und Abdul W***** als Mittäter (§ 12 StGB) durch den Schmuggel von ca 3 kg Cannabisharz und ca 80 g Kokain;
2./ im Zuge von zumindest zwei weiteren Beschaffungsfahrten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit namentlich nicht bekannten Mittätern (§ 12 StGB) durch den Schmuggel von zumindest weiteren 4 kg Cannabisharz und zumindest 60 g Kokain;
3./ teils allein, größtenteils aber im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Samir T*****, Ahmed Y*****, Khalid K***** sowie Chakir M***** und Abdul W***** als Mittäter (§ 12 StGB) und in jeweils wechselnder Beteiligung durch die in geringem Umfang erfolgte unentgeltliche Weitergabe, größtenteils durch den gewinnbringenden Verkauf unbestimmter, das 25-fache der Grenzmenge aber übersteigender Mengen der unter A./I./1./ und 2./ sowie A./II./ angeführten geschmuggelten sowie weiterer nicht bekannter Mengen Cannabisharz und Kokain an die abgesondert verfolgten Ersin C*****, Angelika S*****, Daniela G*****, Sabrina J*****, Jose Antonio Dias F*****, Gertraud H*****, Jasmine Ca*****, Gabriela Br*****, Voislav Sm*****, Asmir P*****, Aytekin E*****, Melanie St*****, Said Sa*****, Stefan H*****, Rebecca N*****, Julia Pf*****, Mario Ca*****, Harun Y*****, Josef R*****, Matthias Pe*****, Ibrahim K*****, Rabia U***** und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Suchtgiftabnehmer;
II./ zwischen ca Juni 2008 und 8. Dezember 2008 in zumindest zwei Fällen unbekannte Täter, welche im Zuge von zumindest zwei separaten Schmuggelfahrten zuvor in Italien erworbene zumindest 4 kg Cannabisharz (THC-Gehalt zumindest 6 %) und ca 100 g Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 15 %) über den Brennerpass nach Österreich Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus Italien aus- und nach Österreich einführten, zu diesen Taten bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB) „und gleichzeitig zu diesen beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB, s aber RIS-Justiz RS0113616)“, indem er diesen die notwendigen Mengen an Bargeld übergab und sie aufforderte, die Schmuggelfahrt durchzuführen, wodurch er gemeinsam mit den zu A./I./1./ und 2./ angeführten Tathandlungen in Bezug auf eine das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge an Suchtgift handelte;
B./ Sami T***** zwischen 8. September 2008 und 11. Dezember 2008 teils allein, größtenteils aber im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Hicham B*****, Ahmed Y***** und Khalid K***** als Mittäter (§ 12 StGB) und in jeweils wechselnder Beteiligung durch die in geringem Umfang erfolgte unentgeltliche Weitergabe, größtenteils aber durch den gewinnbringenden Verkauf unbestimmter, die Grenzmenge aber jedenfalls weit übersteigender Mengen Cannabisharz (THC-Gehalt zumindest 6 %) und Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 15 %) an zahlreiche namentlich nicht bekannte Suchtgiftabnehmer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, wobei er die Taten gewerbsmäßig begangen hat und schon einmal wegen einer Straftat iSd § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war;
C./ Ahmed Y***** zwischen 27. Juni 2008 und 11. Dezember 2008 teils allein, größtenteils aber im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Hicham B*****, Samir T***** und Khalid K***** als Mittäter (§ 12 StGB) und in jeweils wechselnder Beteiligung durch die in geringem Umfang erfolgte unentgeltliche Weitergabe, größtenteils aber durch den gewinnbringenden Verkauf unbestimmter, die Grenzmenge aber jedenfalls weit übersteigender Mengen Cannabisharz (THC-Gehalt zumindest 6 %) und Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 15 %) an Luise Maria Pi*****, Alexandra R***** und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Suchtgiftabnehmer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hicham B***** (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO), Sami T***** (§ 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO) und Ahmed Y***** (§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO). Sie schlagen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Hicham B*****:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten (ON 376/S 46) Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte B***** stark drogenabhängig sei und er die ihm vorgeworfenen Taten wegen seiner erheblichen Gewöhnung an Suchtmittel begangen habe, Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Denn von der Suchtmittelabhängigkeit dieses Angeklagten gingen die Tatrichter ohnehin aus (US 16); zur Feststellung der Motivation des Angeklagten zur Tatbegehung hätte die Expertise eines Sachverständigen aber nichts beizutragen vermocht.
Die in der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) aufgezeigte Abweichung des im Urteilstenor (A./I./3./) und in den Entscheidungsgründen (US 12 unten) genannten Tatzeitraums (5. Mai bis 8. bzw 11. Dezember 2008) betrifft - unbeschadet der Inhaftierung des Angeklagten am 8. Dezember 2008 - keine für den Ausspruch über die Schuld oder die Subsumtion entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0098557). Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer das auch hinsichtlich seiner Person mit 11. Dezember 2008 angenommene Ende des Tatzeitraums für unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) erachtet.
Die Kritik an der Begründung der Feststellung des Reinheitsgehalts der verhandelten Suchtgifte beschränkt sich auf eine - im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässige - Bekämpfung der Beweiswürdigung, ging das Erstgericht doch empirisch einwandfrei davon aus, dass im Hinblick auf die vom Angeklagten B***** an Ersin C***** weitergegebene Rufnummer des in Italien aufhältigen Suchtgiftlieferanten und fehlende Hinweise auf eine andere, deutlich „besseres oder schlechteres“ Suchtgift liefernde Bezugsquelle des Angeklagten B***** in allen Fällen von zumindest jener Suchtgiftkonzentration auszugehen sei, die die Untersuchung der bei Ersin C***** sichergestellten Suchtgifte (6 % bei Cannabisharz und 15 % bei Kokain) ergeben hat; dies unter Berücksichtigung der von den Abnehmern überwiegend als „mittelmäßig“ eingestuften Qualität (US 55).
Mit der einzelne Passagen der Beweiswürdigung herausgreifenden Behauptung, hinsichtlich der vom Angeklagten B***** aus- und eingeführten sowie anderen überlassenen Mengen an Suchtgift läge nur eine Scheinbegründung vor, übergeht die Beschwerde weite Teile der umfangreichen Urteilsdarstellung der Verfahrensergebnisse, insbesondere der Aussagen der Angeklagten Susanne H***** und des Zeugen C***** vor der Polizei in Verbindung mit den Ergebnissen der Telefonüberwachung, auf die die Tatrichter ihre Überzeugung gründeten. Das gilt auch für das Beschwerdevorbringen, das Erstgericht habe für die Feststellung, der Angeklagte habe die ihm vorgeworfenen Taten nicht ausschließlich oder vorwiegend zur Beschaffung von Suchtmitteln oder von Mitteln zu deren Erwerb für den persönlichen Bedarf begangen (US 14 f), nur Scheingründe genannt, lässt der Beschwerdeführer doch auch diesbezüglich (ua) die ausführliche Darlegung der von den Tatrichtern als verlässlich angesehenen Aussage der Angeklagten H***** vor der Polizei außer Acht (vgl US 22, 37 ff, 50).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) dient grundsätzlich dazu, geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung - durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) - zu verhindern. Solche aus den Akten abzuleitenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag jedoch die Beschwerde durch isolierte Darstellung einzelner, ihren Standpunkt stützender Aussagen unter Vernachlässigung der weiteren Beweisergebnisse, auf die die Tatrichter ihre Überzeugung gründeten, nicht zu wecken.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Samir T*****:
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), die eine „hinreichende“ Begründung des Erstgerichts in Bezug auf das Überschreiten der Grenzmenge an Suchtgift vermisst, übergeht die umfangreichen Erwägungen des Erstgerichts zu den Ergebnissen der Telefonüberwachung (US 49, 52f).
Dass die vom Angeklagten T***** anderen Personen überlassenen Suchtgifte aus vom Angeklagten B***** durchgeführten oder in Auftrag gegebenen Suchtgiftimporten stammten, haben die Tatrichter - dem Beschwerdevorbringen zuwider - festgestellt (US 12).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet substratlos, „die Feststellungen zur Grenzmengenüberschreitung, zur Gewerbsmäßigkeit und dazu, dass die Tat nicht überwiegend im Zusammenhang mit der eigenen Suchtmittelgewöhnung“ stünde, seien „nicht hinreichend“, ohne darzulegen, welche weitergehenden Konstatierungen aus ihrer Sicht erforderlich gewesen wären (vgl Ratz, WK-StPO § 285d Rz 14; RIS-Justiz RS0118580 [T1]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ahmed Y*****:
Die Mängelrüge (Z 5) legt nicht dar, warum der Umstand, dass der Angeklagte Y***** nicht nur zwei namentlich genannten, sondern auch unbekannt gebliebenen Personen Suchtgift verkauft haben soll, von entscheidender Bedeutung wäre. Gleiches gilt für das konstatierte Wissen dieses Angeklagten um die Herkunft des von ihm anderen überlassenen Suchtgifts.
Im Übrigen beschränkt sich diese Rüge, die die vom Erstgericht herangezogene Aussage der Angeklagten H***** als „nicht tragfähig“ und „nur eine Vermutung“ beinhaltend bezeichnet und auf die den Angeklagten entlastende oder nicht belastenden Aussagen der anderen Angeklagten sowie auf jene der Zeugin Stefanie L***** verweist, auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Zu der im Wesentlichen das Vorbringen zu Z 5 nur wiederholenden Tatsachenrüge (Z 5a) gilt das bereits zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** Gesagte. Erhebliche Bedenken gegen die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage vermag auch sie nicht aufzuzeigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94919European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00061.10Z.0811.000Im RIS seit
26.09.2010Zuletzt aktualisiert am
26.09.2010