TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/26 98/02/0420

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Veröffentlicht am 26.01.2001
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Index

L44009 Feuerwehr Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FeuerwehrG Wr 1957 §1 Abs2;
StVO 1960 §89a;
StVO 1960 §91 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. JK in S, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwälte in Wien 1., Seilergasse 3, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gerichtete Beschwerde, mit der beantragt wurde, die durch Organe des Magistrates der Stadt Wien am 13. März 1995 erfolgte Amtshandlung, welche darin bestand, dass das Gartentor zur Liegenschaft W, gewaltsam geöffnet wurde und in der Folge vier dort befindliche Bäume umgeschnitten wurden, wobei auch der diese Liegenschaft vom öffentlichen Weg trennende Zaun beschädigt wurde, für rechtswidrig zu erklären, wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Höhe von S 9.375,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 1997 erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde mit der Behauptung, dass die belangte Behörde über die an diese mit Schriftsatz vom 24. April 1995 gerichtete, oben (im Spruch) dargestellte "Maßnahmebeschwerde" bisher nicht entschieden habe.

Die belangte Behörde legte über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, ohne dem Beschwerdevorbringen entgegenzutreten, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof geht von der Zulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde aus; es ist daher in ihre meritorische Behandlung einzugehen.

Der Gerichtshof hat insoweit erwogen:

Unbestritten ist, dass die oben dargestellte Amtshandlung dem Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden kurz: Magistrat) zuzurechnen ist, der im Verwaltungsverfahren dies (und deren Umfang) auch nicht bestritten hat. Strittig ist allein die Frage, ob diese als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG) zu wertende Amtshandlung einer Rechtsgrundlage entbehrte oder nicht.

In seiner an die belangte Behörde gerichteten Gegenschrift geht der Magistrat zunächst - zu Recht - davon aus, dass § 91 (näher wohl dessen Absatz 1) StVO - wonach die Behörde die Grundeigentümer "aufzufordern" hat, u.a. Bäume, welche die Verkehrssicherheit ... beeinträchtigen ... zu entfernen - in Bezug auf die beschwerdegegenständliche - verfahrensfreie - Maßnahme nicht anwendbar war. Vielmehr berief sich der Magistrat darauf, dass der vorliegende Fall nach den Bestimmungen des Wiener Feuerwehrgesetzes, LGBl. Nr. 16/1957 in der Fassung LGBl. Nr. 22/1969 (im Folgenden kurz: FWG), zu beurteilen sei.

Näherhin verwies der Magistrat (eine seiner Dienststellen ist die Wiener Berufsfeuerwehr, vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 1994, Slg. Nr. 14 104/A) auf § 1 Abs. 2, konkret auf dessen zweiten Satz, FWG, der (in Verbindung mit dem ersten Satz) wie folgt lautet:

"Die öffentlichen Feuerwehren sind Einrichtungen der Stadt Wien. Sie haben die Gefahren abzuwenden, die dem Einzelnen oder der Allgemeinheit bei Bränden und anderen öffentlichen Notständen drohen."

Der Magistrat stellte sich auf den Standpunkt, dass - wie von den zuständigen Amtssachverständigen festgestellt worden sei - sich auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers (die in Rede stehenden) morschen Bäume mit einer Neigung zu einem Fußweg befunden hätten, welche durch ihren schlechten Zustand eine "unmittelbar drohende Gefahr für Fußgänger" (infolge Umstürzens) dargestellt hätten, sodass eine "sofortige Beseitigung des gefahrdrohenden Zustandes" erforderlich gewesen sei; weiters wurde in der Folge (vgl. die Stellungnahme vom 8. August 1995) auf die (durch einen dieser Bäume drohende) Gefahr für spielende Kinder auf einer gegenüberliegenden Liegenschaft verwiesen.

Der Magistrat stellte sich auf den Standpunkt, dass sohin ein "öffentlicher Notstand" im Sinne der zitierten Bestimmung des FWG vorgelegen sei. Damit ist der Magistrat im Recht:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. März 1984, Zl. 83/05/0009 (= Slg. Nr. 11381/A, nur Rechtssatz), die Rechtsansicht vertreten, als "öffentlicher Notstand" im Sinne des § 1 Abs. 2 FWG könne nur angesehen werden, was eine "Gemeingefahr" herbeigeführt habe, wie etwa ein Erdbeben, eine Überschwemmung u.ä. Dieser Begriff des öffentlichen Notstandes ist allerdings im Interesse des Gemeinwohles nicht zu eng auszulegen; vielmehr ist jedenfalls auch dann, wenn etwa mehrere Menschen unmittelbar drohender Gefahr für Leben oder Gesundheit ausgesetzt sind, das unmittelbare, verfahrensfreie Einschreiten der Feuerwehr durch § 1 Abs. 2 zweiter Satz FWG gedeckt. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt den Standpunkt, dass dies bei der den Gegenstand der vorliegenden Säumnisbeschwerde bildenden Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Fall war. Dies geht insbesondere aus der anlässlich der am 15. April 1996 (vor der belangten Behörde) stattgefundenen mündlichen Verhandlung vom gartentechnischen Amtssachverständigen Ing. W. abgegebenen Zeugenaussage deutlich hervor, wonach die in Rede stehenden Bäume infolge der Gefahr des Umstürzens auf den Fußweg zu entfernen gewesen seien. Demgegenüber hat auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte (gerichtlich beeidete) Sachverständige Dipl. Ing. G. anlässlich der am 21. Mai 1996 durchgeführten Ortsaugenscheinsverhandlung "insbesondere bei extremen Wetterbelastungen" eine Gefährdung nicht auszuschließen vermocht. Der Gerichtshof geht daher im Rahmen der (an Stelle der belangten Behörde durchzuführenden) freien Beweiswürdigung (vgl. § 45 Abs. 2 AVG) davon aus, dass der Zustand der vier Bäume zum Zeitpunkt ihrer Fällung ein solcher war, dass sie auf den angrenzenden Fußweg umzustürzen drohten. Geht man weiters davon aus, dass das Passieren dieser Stelle einer öffentlichen Straße etwa durch eine Personengruppe nicht auszuschließen war, so ist das Vorliegen eines "öffentlichen Notstandes" und damit ein sofortiges Einschreiten der Feuerwehr im Sinne des § 1 Abs. 2 zweiter Satz FWG gerechtfertigt gewesen.

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass als "gelinderes Mittel" die vorübergehende Sperre der Verkehrsfläche in Betracht zu ziehen gewesen wäre, um sodann das in § 91 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 vorgesehene Verfahren durchzuführen, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass auch in Fällen der Behinderungen des Straßenverkehrs, in denen den Verkehrsteilnehmern eine andere Routenwahl zur Erreichung ihres Zieles offen steht, vom Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung (welches die Entfernung eines Gegenstandes und die Vorschreibung von diesbezüglichen Kosten gemäß § 89a Straßenverkehrsordnung 1960 rechtfertigt) auszugehen ist (vgl. das sich auf die Behinderung von Fußgängern beziehende hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 93/02/0045). Auf die Frage der Möglichkeit von "Umwegen" für die Benützer der gegenständlichen Verkehrsfläche war daher nicht einzugehen.

Der dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebende Grundsatz der "Verhältnismäßigkeit" (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Slg. Nr. 12 683/A) würde voraussetzen, dass die Entfernung der Bäume nicht das einzige Mittel dargestellt hätte, um die gefahrlose "Benützung" der in Rede stehenden öffentlichen Verkehrsfläche zu gewährleisten; solches vermag der Gerichtshof allerdings nicht zu erkennen und auch der Beschwerdeführer selbst vermochte keine diesbezüglichen Alternativen aufzuzeigen.

Die den Gegenstand der vorliegenden Säumnisbeschwerde bildende Maßnahme (die wegen ihrer Unaufschiebbarkeit auch das Öffnen des Gartentores und als unabwendbare Folge auch die Beschädigung des Zaunes umfasste) erweist sich daher als rechtmäßig; die an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

Demgemäß hat der Beschwerdeführer der Bundeshauptstadt nach § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, Ersatz von Vorlageaufwand und von Schriftsatzaufwand von insgesamt S 3.365,-- zu leisten. Die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Höhe von S 12.740,--

(vgl. die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994) hat hingegen die Bundeshauptstadt Wien dem Beschwerdeführer zu ersetzen. Sohin verbleibt ein Saldo zu Gunsten des Beschwerdeführers in der Höhe von S 9.375,--.

Wien, am 26. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998020420.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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