TE OGH 2010/8/17 10Ob38/10a

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Veröffentlicht am 17.08.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A***** G*****, geboren am *****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Steiermark (Bezirkshauptmannschaft Leoben, Jugendwohlfahrt, 8700 Leoben, Peter Tunner-Straße 6), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 27. April 2010, GZ 2 R 109/10v-63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 8. März 2010, GZ 1 PU 138/09w-56, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Unterhaltsvorschussantrag des Minderjährigen abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist der Sohn T***** G*****s und M***** H*****s. Er ist in Obsorge seiner Großeltern.

Mit Beschluss vom 16. 12. 2009 verpflichtete das Erstgericht die Mutter, für ihren Sohn ab 1. 1. 2009 monatlich 200 EUR Unterhalt zu zahlen. Dieser Beschluss wurde der Mutter am 18. 2. 2010 zugestellt. Der Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Am 27. 1. 2010 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Minderjährigen in Unterhaltsangelegenheiten beim Erstgericht die Gewährung eines monatlichen Unterhaltsvorschusses in Titelhöhe. Die Führung einer Exekution erscheine aussichtslos, weil die Mutter einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht nachgehe und der laufende monatliche Unterhaltsbeitrag nicht hereingebracht werden könne.

Mit Beschluss vom 8. 3. 2010 gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2014. Die Unterhaltsschuldnerin habe nach der am 11. 1. 2010 eingetretenen Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet. Die Führung einer Exekution erscheine aus den im Gewährungsantrag genannten Gründen aussichtslos.

Das Rekursgericht gab dem in diesem Beschluss vom Bund erhobenen Rekurs teilweise Folge, in dem es den Unterhaltsvorschuss erst ab 1. 3. 2010 gewährte. Voraussetzung für die Gewährung eines Titelvorschusses sei nach der seit 1. 1. 2010 geltenden Gesetzeslage stets, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Da der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss der Unterhaltsschuldnerin erst am 18. 2. 2010 zugestellt worden sei und daher die mit der Zustellung beginnende 14-tägige Rekursfrist am 4. 3. 2010 abgelaufen sei, sei der Unterhaltstitel erst am 5. 3. 2010 vollstreckbar gewesen. Ab diesem Tag sei festgestanden, dass für März 2010 ein Unterhalt von 200 EUR zu zahlen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Unterhaltsschuldnerin ihrer Zahlungspflicht für März 2010 letztlich nach Eintritt der Vollstreckbarkeit nicht nachgekommen sei. Somit sei die von § 3 Z 2 UVG geforderte Voraussetzung für den diesen Monat betreffenden laufenden Unterhalt vorgelegen, sodass ab 1. 3. 2010 Unterhaltsvorschüsse zu gewähren seien. Dass zum Zeitpunkt der Antragstellung Anhaltspunkte vorgelegen hätten, die Mutter werde die künftig fällig werdenden monatlichen Unterhaltsbeiträge ohnehin leisten, sei nicht ersichtlich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 fehle.

Der vom Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Revisionsrekurswerber beantragt, die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern. Er macht im Wesentlichen geltend, da der Unterhaltstitel erst am 5. 3. 2010 vollstreckbar geworden sei, könnten die Voraussetzungen für einen Unterhaltsvorschuss frühestens ab April 2010 vorgelegen haben, wenn die Unterhaltsschuldnerin den für April 2010 fällig werdenden Unterhaltsbeitrag nicht bezahle. Zum Zeitpunkt des Vorschussantrags sei der Unterhaltstitel noch nicht vollstreckbar gewesen und es könne auch noch nicht festgestanden haben, ob die Schuldnerin überhaupt den für April 2010 fällig werdenden Unterhalt leisten werde oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

Das UVG wurde durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, novelliert. Die geänderte Fassung ist im Wesentlichen am 1. 1. 2010 in Kraft getreten (§ 37 UVG).

Unterhaltsvorschüsse sind zu gewähren, wenn

1.) für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (§ 3 Z 1 UVG) und

2.) der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderungen hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen, kombiniert mit einer Exekution zur Sicherstellung nach § 372 EO, eingebracht zu haben (§ 3 Z 2 erster Halbsatz UVG idF FamRÄG 2009).

Nach dem unverändert gebliebenen § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheint, besonders, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lässt, nicht bekannt ist.

Da § 3 Z 2 UVG auf die nicht vollständige Leistung des laufenden Unterhaltsbeitrags nach Eintritt der Vollstreckbarkeit abstellt, ist es für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss unerheblich, ob allenfalls bestehende Unterhaltsrückstände nicht gezahlt werden. Nach der Neufassung des § 3 Z 2 UVG kommt es weiters nicht mehr auf eine erfolglose Exekutionsführung an, sondern es genügt, dass das Kind „taugliche“ Exekutionsmaßnahmen eingeleitet hat (vgl IA 673/A BlgNR 24. GP 36).

§ 4 Z 1 UVG regelt den Titelvorschuss bei Aussichtslosigkeit der Exekution. Es handelt sich um einen Sonderfall zu dem in § 3 UVG geregelten Grundfall (2 Ob 5/07k = SZ 2007/111 mwN). Der Unterschied liegt nur darin, dass im Fall des § 4 Z 1 UVG die Einleitung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG entbehrlich ist, weil bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen muss (vgl 2 Ob 5/07k = SZ 2007/111). Auch bei einer Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG ist - neben dem Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels - Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet (Neumayr in Schwimann, ABGB3 Band 1, § 4 UVG Rz 1). Dies folgt daraus, dass § 4 Z 1 UVG sich auf die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nach § 3 Z 2 UVG bezieht, nach dieser Gesetzesstelle aber nur die Exekutionsführung auf nach Eintritt der Vollstreckbarkeit fällig gewordene laufende Unterhaltsbeiträge von Relevanz ist (vgl Neuhauser, Änderungen bei Unterhaltsvorschuss, iFamZ 2009, 275, 276).

Der im Außerstreitverfahren ergangene Unterhaltsfestsetzungsbeschluss wird - mangels einer Sonderregelung - mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft vollstreckbar (§ 43 Abs 1 AußStrG). Formelle Rechtskraft (§ 42 AußStrG) bedeutet Unanfechtbarkeit der Entscheidung in dem Verfahren, in dem sie ergangen ist. Sie tritt ein mit

- Zustellung der Entscheidung, wenn gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel (mehr) zulässig ist,

- ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist,

- Abgabe eines Rechtsmittelverzichts,

- Zurücknahme eines eingebrachten Rechtsmittels (Fucik/Kloiber, AußStrG § 42 Rz 1). Die Rechtsmittelfrist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung (§ 46 Abs 1 AußStrG [Rekurs], § 65 Abs 1 AußStrG [Revisionsrekurs]).

Im Anlassfall ist die Vollstreckbarkeit des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses am 5. 3. 2010 eingetreten, weil der Beschluss am 18. 2. 2010 der Unterhaltsschuldnerin zugestellt wurde und die 14-tägige Rechtsmittelfrist ungenützt am 4. 3. 2010 abgelaufen ist.

Maßgeblicher Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist im Unterhaltsvorschussverfahren das Datum der Entscheidung erster Instanz (RIS-Justiz RS0076052 [T5]). Im vorliegenden Verfahren war an diesem Tag (8. 3. 2010) zwar der Unterhaltstitel vollstreckbar; die weitere Voraussetzung der nicht vollständigen Leistung des laufenden Unterhalts nach Eintritt der Vollstreckbarkeit war aber nicht gegeben, konnte doch zu diesem Zeitpunkt noch kein Rückstand an laufendem Unterhalt iSd § 3 Z 2 UVG bestehen, weil ein nach Eintritt der Vollstreckbarkeit laufender Unterhaltsbeitrag noch nicht fällig war.

In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinn einer Antragsabweisung abzuändern, weil im maßgeblichen Zeitpunkt nicht alle Voraussetzungen der begehrten Vorschussgewährung erfüllt waren.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht,Unterhaltsrecht

Textnummer

E94920

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00038.10A.0817.000

Im RIS seit

26.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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