TE OGH 2010/8/18 8ObA32/10d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Alfred Klair in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** M*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K***** C***** AG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung einer Entlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 2010, GZ 9 Ra 143/09d-35, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen gaben übereinstimmend dem auf Unwirksamerklärung der Entlassung des Klägers gerichteten Klagebegehren statt. Nach den maßgeblichen Tatsachenfeststellungen habe er kein die Entlassung rechtfertigendes Verhalten an den Tag gelegt und würde durch die Beendigung des Dienstverhältnisses in seinen wesentlichen Interessen beeinträchtigt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausreiche, nicht zu.

In ihrer außerordentlichen Revision vertritt die Beklagte die Ansicht, die rechtliche Beurteilung des festgestellten Verhaltens des Klägers durch das Berufungsgericht sei unvertretbar. Zumindest aber habe es verabsäumt, sich mit den Einwendungen der Beklagten über eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG auseinanderzusetzen.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Revision allerdings keine iSd §§ 2 ASGG, 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf.

Soweit die Beklagte einen Verfahrensmangel im Unterbleiben der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung erblickt, ist sie auf § 480 Abs 1 ZPO idF BGBl I 2009/52 hinzuweisen. Die Entscheidung, ob die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht nunmehr generell im Ermessen des Berufungsgerichts.

Die Frage, ob eine bestimmte Handlungsweise eines Angestellten einen Entlassungsgrund darstellt, kann - wie die Revision selbst zugesteht - nur für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298; RS0044088; RS0103201 ua).

Entgegen der Argumentation der Beklagten kann die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts durch die Vorinstanzen nicht als unvertretbar angesehen werden. Dem festgestellten, als Lob gemeinten und von der Betroffenen auch tatsächlich so verstandenen Kneifen in die Nase eines Lehrlings kann - so wie zB einem Schulterklopfen zu gleichem Zweck - keine auf ein bestimmtes Geschlecht bezogene und noch weniger eine der sexuellen Sphäre zuzurechnende Komponente beigemessen werden. Derartige flüchtige körperliche Berührungen können zwar durchaus subjektiv als unangenehm empfunden werden; dass dies gerade im Anlassfall so gewesen wäre, ist dem für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhalt aber gar nicht zu entnehmen. Ob aufgrund der Zeugenaussagen auch andere, für den Standpunkt der Beklagten allenfalls günstigere Feststellungen getroffen werden hätten können, gehört zum Bereich der im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung.

Die in § 500a ZPO normierte Möglichkeit einer verkürzten Begründung ist nicht auf bestimmte Berufungsgründe beschränkt (vgl RIS-Justiz RS0122301). Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall die Rechtsansicht des Erstgerichts zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG ausdrücklich als zutreffend gebilligt. Es hat sich damit (noch) hinreichend deutlich mit dem seinerseits äußerst knappen Berufungsvorbringen auseinandergesetzt. Die Ausführungen der Beklagten über ihre Schutzfunktion gegenüber den Lehrlingen unterstellen eine abstrakte Gefährdung, ohne nachvollziehbar darzulegen, inwieweit gerade das tatsächlich festgestellte Verhalten des Klägers diese verwirklicht habe.

Schlagworte

11 Arbeitsrechtssachen,

Textnummer

E94694

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:008OBA00032.10D.0818.000

Im RIS seit

08.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten