Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leopold R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Februar 2010, GZ 11 Hv 105/09s-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/1) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A/2) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG (A/3), des Verbrechens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 SMG (B/1) und des Vergehens der Vorbereitung des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31 Abs 1 SMG (B/2) schuldig erkannt.
Danach hat er von Dezember 2005 bis 29. Juli 2009 in Graz und Wien vorschriftswidrig
A/ Suchtgift
1. in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er ca 3.690 Substitol Kapseln á 200 mg (mit 0,15 g Morphin pro Kapsel, US 15) an verschiedenen Personen verkaufte;
2. erworben und besessen, „indem er unbekannte Mengen Substitol Kapseln á 200 mg selbst konsumierte“;
3. in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, „indem er am 31. Juli 2009 im Kellerabteil seiner Wohnung 520 Codidol Tabletten á 120 mg“ (mit 80 mg dihydrocodein pro Tablette, US 15) „für den späteren Verkauf verwahrte“;
B/ einen psychotropen Stoff
1. in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er „ca 9.760 Stück Somnubene Tabletten á 1 mg, Rohypnol Tablette á 1 mg und Praxiten Kapseln á 15 mg“ - den Feststellungen zufolge jedoch insgesamt 9.760 Somnubene Tabletten mit dem Wirkstoff Flunittrazepam in solcher Konzentration, dass 400 Tabletten die Grenzmenge von 0,4 g erreichen (US 7 f, 16) - an verschiedene Personen verkaufte;
2. in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass er in Verkehr gesetzt werde, „indem er am 31. Juli 2009 im Kellerabteil seiner Wohnung 2.300 Stück Somnubene Tabletten á 1 mg, 1.100 Rohypnol Tabletten á 1 mg und 798 Stück Praxiten Tabletten á 1 mg für den späteren Verkauf verwahrte“.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5a, 10 und 11 StPO sowie aus § 281a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Statt zu § 281a StPO auf die Verdachtsannahmen des Oberlandesgerichts Graz in dessen Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift abzustellen (§ 215 Abs 6 StPO; ON 16; Ratz, WK-StPO § 281a Rz 3), argumentiert die Beschwerde auf Basis der davon abweichenden Behauptung, die Suchtgiftverkäufe hätten alle in Wien stattgefunden. Die reklamierte Nichtigkeit wird damit nicht aufgezeigt.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumstionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Soweit die Tatsachenrüge unter dem Aspekt örtlicher Unzuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz erhebliche Bedenken an Feststellungen über Taten in Graz wecken will, bezieht sie sich - wie die Beschwerde selbst einräumt - auf keine für die Subsumtion maßgebenden Tatsachen und verfehlt damit den gerade darin liegenden Bezugspunkt des Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 398 f).
Mit den vorgebrachten Hinweisen auf - vom Erstgericht ohnedies gewürdigte - Widersprüche zwischen den Angaben der Zeugin Daniela M***** und der Verantwortung des Angeklagten zur Menge der von ihm an sie übergebenen Substitol Kapseln und verschiedenen Tabletten mit psychotropen Stoffen weckt die Beschwerde keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.
Weil dem Angeklagten im Schuldspruch keine Gewerbsmäßigkeitsqualifikation (§§ 27 Abs 3, 28a Abs 2 Z 1 SMG) angelastet wurde (US 3; demgegenüber US 6 unten f, 9, 13 unten; vgl ON 39 S 16 f), vermisst die Subsumtionsrüge (Z 10) zu Unrecht darauf bezogene Feststellungen.
Das Vorbringen, es fehle an Konstatierungen welche Menge der Tabletten laut Schuldspruch B/2 für den Verkauf und welche für den Eigenkonsum bestimmt war, lässt die diesbezüglichen Feststellungen außer Acht (US 9 unten f).
Auch mit dem Einwand substanzlosen Gebrauchs der verba legalia (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8) in Betreff der Feststellungen zur Willensausrichtung des Angeklagten beim Erwerb und Besitz der vom Schuldspruch B/2 erfassten Tabletten übergeht die Beschwerde den erkennbaren Sachverhaltsbezug jener Urteilsannahmen (US 9 unten f).
Neben einschlägigen Vorstrafen (§ 33 Z 2 StGB) auch raschen Rückfall (RIS-Justiz RS0091041, RS0090981) als erschwerend zu werten begründet keine Nichtigkeit (Z 11; RIS-Justiz RS0091749). Das von der Beschwerde insoweit ins Treffen geführte Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist hievon nicht berührt. Keiner dieser Umstände bestimmt die konkret anzuwendende Strafdrohung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Anzumerken bleibt, dass auf Abschöpfung der Bereicherung und auf Einziehung mit Urteil und nicht mit Beschluss zu entscheiden gewesen wäre (US 4; § 443 Abs 1 StPO; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 1, 15). Doch steht die irrige Formwahl der vorliegenden Berufung (ON 43) nicht entgegen (vgl Ratz, WK-StPO Vor § 280 Rz 5).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94979European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00065.10Y.0819.000Im RIS seit
29.09.2010Zuletzt aktualisiert am
29.01.2013