Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Karl-Heinz W***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Karl-Heinz W*****, Roman O*****, Roland P*****, Martin K*****, Gerhard H***** und Karin F***** sowie der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 26. Februar 2009, GZ 24 Hv 16/08w-401, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard H***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - abgesehen von der dem Gerichtstag vorbehaltenen Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Roman O***** - unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Karl-Heinz W*****, Gerhard H***** und Karin F***** sowie in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Linz verwiesen.
2. Die Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen und der Angeklagte Gerhard H***** mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen, desgleichen die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen, soweit diese Rechtsmittel gegen die Strafaussprüche betreffend die Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** gerichtet sind.
3. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde und, soweit sie gegen die Freisprüche der Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** gerichtet ist, die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft werden zurückgewiesen, desgleichen die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Roman O*****, Roland P***** und Martin K***** sowie die Berufung des Angeklagten Gerhard H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld.
4. Über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Roman O***** wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden, soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, (richtig:) Karl-Heinz W***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG, Gerhard H***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 (gemeint: dritter Fall, US 14, 19, 55, 57), 33 Abs 1 FinStrG sowie Karin F***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 (gemeint: dritter Fall, US 19, 57), 33 Abs 1 FinStrG und nach §§ 11 (dritter Fall), 33 Abs 2 lit b FinStrG schuldig erkannt und diese Angeklagten von weiteren Vorwürfen, außerdem Roman O*****, Roland P***** und Martin K***** zur Gänze freigesprochen (§ 214 FinStrG).
Dem Schuldspruch zufolge haben Karl-Heinz W*****, Gerhard H***** und Karin F***** im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Innsbruck vorsätzlich unter Verletzung „ihrer“ abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht „bescheidmäßig festzusetzende Abgaben (Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer)“ „verkürzt, indem sie Umsatzerlöse der Firmen N***** GmbH nicht zur Gänze im Rechnungswesen erfassten“, nämlich
1/ Karl-Heinz W***** als Geschäftsführer und faktischer Machthaber des Unternehmens 2000 bis 2004 im Gesamtbetrag von 1.062.592,33 Euro, und zwar
Umsatzsteuer 306.253,95 Euro,
Körperschaftsteuer 333.345,39 Euro,
Kapitalertragsteuer 344.273,88 Euro,
Lohnsteuer 67.745,98 Euro und
Dienstgeberbeiträge „zur Lohnsteuer“ 10.973,12 Euro;
2/ Karin F***** als verantwortliche Buchhalterin des Unternehmens 2000 bis 2004 im Gesamtbetrag von 1.062.592,33 Euro wie zu Punkt 1 aufgeschlüsselt;
3/ Gerhard H***** als Programmierer und Lieferant von Registrierkassensystemen mit manipulierten EPROMS 2000 bis 2003 im Gesamtbetrag von (richtig:) 463.300,56 Euro, nämlich
Umsatzsteuer 228.517,54 Euro und
Körperschaftsteuer 234.783,02 Euro.
Die Freisprüche der Angeklagten Karl-Heinz W*****, Roman O***** und Karin F***** betrafen die Vorwürfe (US 4 ff), es hätten im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Innsbruck vorsätzlich
I/ „unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bescheidmäßig festzusetzende Abgaben (Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer) in nachangeführtem Ausmaß (in Euro) verkürzt, indem sie Umsatzerlöse der Firmen N***** GmbH und O***** GmbH nicht zur Gänze im Rechnungswesen erfassten“, nämlich Karl-Heinz W***** und Roman O***** „als Geschäftsführer bzw faktische Machthaber“ der N***** GmbH und der O***** GmbH, Karin F***** „als verantwortliche Buchhalterin dieser Gesellschaften“;
II/ „unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten (§ 76 EStG) eine Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im nachangeführten Ausmaß (in Euro) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern gewiss gehalten, indem sie 10 % der Nettolohn- und Gehaltszahlungen an die Dienstnehmer schwarz ausbezahlten und auf den Lohnkonten nicht erfassten“, nämlich Karl-Heinz W***** und Roman O***** „als Geschäftsführer bzw faktische Machthaber“ der N***** GmbH und der O***** GmbH sowie Karin F***** „als verantwortliche Buchhalterin dieser Gesellschaften“,
wobei Karl-Heinz W***** und Roman O***** die zu „I und II beschriebenen Taten in der Absicht begingen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar“ wie im Urteil näher aufgeschlüsselt (US 6 ff, vgl S 4 ff der Anklageschrift ON 251)
1/a Karl-Heinz W***** und Roman O*****
a) bei der O***** GmbH 1999 bis 2004 Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer im Gesamtbetrag von 1.493.089,46 Euro,
1/b Roman O*****
b) bei der N***** GmbH 2000 bis 2004 Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer sowie Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Gesamtbetrag von 2.755.391,43 Euro;
2/ Karin F*****
a) bei der O***** GmbH 2000 bis 2004 Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer im Gesamtbetrag von 1.320.826,97 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Die Fassung des Urteilsspruchs gibt Anlass zu folgenden Anmerkungen:
1. Die Einkommensteuer ist in der Spielart der Kapitalertragsteuer keine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe, sondern eine Selbstbemessungsabgabe (zB Doralt/Ruppe, Steuerrecht I9 Tz 16; vgl § 33 Abs 3 lit b FinStrG).
2. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben wird - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung (und nicht schon mit der unvollständigen Erfassung von Umsätzen im Rechnungswesen) unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags ein Finanzvergehen (§ 1 Abs 1 FinStrG) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet (vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO). Mit (nacheinander erfolgter) Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen mehrere Veranlagungsjahre hindurch werden real konkurrierende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet, mit Abgabe inhaltlich unrichtiger Jahreserklärungen zu unterschiedlichen Steuerarten wird für jedes Jahr und jede Abgabenart je ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet. Solcherart bildet die Jahreserklärung zu einer Steuerart - allenfalls auch als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - eine selbstständige Tat iSd § 21 Abs 1 FinStrG (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318 [Kert 284]; 13 Os 105/08b, EvBl 2009/78, 515).
3. Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a oder b FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten bezogen auf Voranmeldungs- (lit a) oder Lohnzahlungszeiträume (lit b) verwirklicht, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Steuerart unabhängig von der Höhe der Hinterziehungsbeträge eine selbstständige Tat und damit jeweils ein Finanzvergehen verwirklicht wird (s abermals 13 Os 142/08v, 13 Os 105/08b).
4. Der Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), in dem mehrere gleichartige Finanzvergehen über mehrere Tatzeiträume bloß zusammengefasst und überdies mit ungleichartigen (in Bezug auf Schwarzlohnzahlungen [vgl US 17, 30] zudem kaum erkennbaren) verquickt werden, entspricht dem Wesen der vom Schuldspruch erfassten Tatbestände nicht und verfehlt solcherart den Zweck dieses Referats der entscheidenden Tatsachen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 273; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 6 f), nämlich einer deklarativen und resümierenden Darstellung, auf welche Taten (im materiellen Sinn) sich der Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) bezieht (vgl 13 Os 105/08b).
Die Angeklagten Karl-Heinz W*****, Roman O*****, Roland P*****, Martin K*****, Gerhard H***** und Karin F***** sowie die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde fechten das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerden an.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Karl-Heinz W*****, Gerhard H***** und Karin F*****
Die Angeklagten W***** und F***** bekämpfen das Urteil aus Z 3, 4, 5, 9 lit a und 11, der Angeklagte H***** aus Z 1, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO.
Letzterer wendet aus Z 1 ein, der Vorsitzende habe im Vorverfahren als Mitglied der Ratskammer Untersuchungshandlungen getätigt, bei denen er funktionell als Untersuchungsrichter tätig geworden sei. Er habe mehrmals täglich Kommunikationsüberwachungsbeschlüsse gefasst, in welchen er den dringenden Tatverdacht der Täterschaft der Angeklagten geprüft und bestätigt habe. Er sei daher gemäß § 43 Abs 2 StPO vom Hauptverfahren ausgeschlossen.
Diesen Umstand hatten sämtliche Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung gerügt (ON 315a S 3).
Der Einwand ist berechtigt.
Die Ratskammer des Landesgerichts Linz hatte in der vorliegenden Strafsache mit Beschluss vom 6. Mai 2005 (ON 8) die Überwachung einer Telekommunikation (auch) in Form so genannter Inhaltsüberwachung angeordnet (§§ 149a Abs 1 Z 1 lit c, Abs 2 Z 3 lit a und lit b, 149b Abs 1 erster Satz StPO idF vor dem Strafprozessreformgesetz, BGBl I 2004/19). Mitglied der Ratskammer war unter anderem der nunmehrige Vorsitzende des Schöffengerichts Dr. Klaus B***** (ON 8 S 3). Er ist demnach iSd § 43 Abs 2 erster Fall StPO in der mit Blick auf den Zeitpunkt der Urteilsfällung (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 130; s zu späteren Novellen BGBl I 2009/40 und BGBl I 2009/52) hier maßgebenden Fassung des Strafprozessreformgesetzes im Ermittlungsverfahren tätig gewesen, mit der durch diese Bestimmung angeordneten Konsequenz seiner Ausgeschlossenheit vom Hauptverfahren:
Ungeachtet der Frage, ob die Mitwirkung an einer Entscheidung über eine nach § 113 StPO aF erhobene Beschwerde im Dreirichtersenat (§§ 31 Abs 5, 516 Abs 2 StPO) von § 43 Abs 2 erster Fall StPO in der genannten Fassung gemeint ist (14 Os 54/09m), lässt sich doch das nach früherem Recht vom Begriff „Untersuchungsrichter“ (§ 68 Abs 2 StPO aF) ausgegangene Verständnis, auch - wie im gegebenen Fall - erstinstanzliche Tätigkeit als Mitglied der (nicht von jenem Begriff erfassten) Ratskammer bedeute keine Ausgeschlossenheit der betreffenden Richter von der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0097197), angesichts der insoweit durch das Strafprozessreformgesetz geänderten Normsituation nicht auf die in der Hauptverhandlung aktuelle Rechtslage übertragen.
Danach ist ein Richter vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er „im Ermittlungsverfahren tätig gewesen“ ist (§ 43 Abs 2 erster Fall StPO in der genannten Fassung). Dass damit auch eine Tätigkeit im vor dem Strafprozessreformgesetz so genannten „Vorverfahren“ gemeint ist und nicht bloß im „Ermittlungsverfahren“ seit Inkrafttreten der Strafprozessreform mit 1. Jänner 2008 (§ 514 StPO idF BGBl I 2004/19, 2007/93), liegt angesichts des - weiterhin - auf inhaltliche Vorbefasstheit als Richter in derselben Sache abstellenden Ausschließungsgrundes (dazu Lässig, WK-StPO Vor §§ 43 - 47 Rz 2, § 43 Rz 18) auf der Hand.
Demnach ist zufolge § 43 Abs 2 erster Fall StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes als Richter vom Hauptverfahren auch ausgeschlossen, wer in derselben Strafsache vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes im Vorverfahren als Richter durch die Anordnung einer Beweisaufnahme inhaltlich befasst war (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 16–19, 21), ohne dass nach dieser Bestimmung - im Unterschied zu § 68 Abs 2 StPO aF - entscheidend ist, ob das Gesetz die Kompetenz dazu dem Untersuchungsrichter oder der Ratskammer übertragen hatte (vgl im hier gegebenen Zusammenhang § 149b Abs 1 erster Satz StPO in der Fassung vor dem Strafprozessreformgesetz).
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard H***** (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) und mit Blick auf die Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F*****, die wie erwähnt ihrer Rügeobliegenheit gleichfalls entsprochen haben (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 11), aus Anlass der erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO) war das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich teilweise aufzuheben, ohne dass es einer Erörterung der übrigen Einwände dieser Angeklagten bedarf.
Daher waren die Angeklagten W***** und F***** mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie der Angeklagte H***** mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Berufung des Angeklagten Gerhard H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil die Verfahrensordnung ein solches Rechtsmittel zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorsieht (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil unter nomineller Heranziehung der Z 5 und 9 lit a, der Sache nach auch - über die eingangs der Rechtsmittelschrift enthaltene Ankündigung, „gegen die freisprechenden Urteile“ betreffend Karl-Heinz W*****, Roman O***** und Karin F***** vorzugehen (BS 3), hinaus - aus Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter und vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO.
Sie wendet sich zum einen aus den zuletzt genannten Gründen gegen Sachverhaltsannahmen zum strafbestimmenden Wertbetrag. So habe das Erstgericht ohne Fundierung (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) einen Sicherheitszuschlag der Abgabenbehörde angenommen (und aufgrund dessen zu Gunsten der Angeklagten „korrigiert“; US 47, 56; BS 9 f). Außerdem habe es die Feststellungen, wonach die Umsatzaufzeichnungen nur hinsichtlich der „M*****“, aber nicht in Betreff der anderen Betriebsstätten der N***** GmbH manipuliert worden seien (vgl US 10, 12 unten, 15 Mitte, 29 Mitte, 34 oben, 45 unten, 54 f, 56), unter Übergehen eines auch darauf bezogenen, durch schriftliche Zahlenangaben belegten Teilgeständnisses des Angeklagten Karl-Heinz W***** getroffen (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall; ON 315c S 6 iVm ON 315b S 65 f).
Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft demnach auf die Strafaussprüche betreffend die Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** bezieht, bedarf sie infolge der diesbezüglich wie dargelegt gebotenen Aufhebung des Urteils keiner Erörterung. Insoweit war die Staatsanwaltschaft daher mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde auf die Teilaufhebung des Urteils zu verweisen, desgleichen mit ihrer Berufung.
Mit Blick auf den zuletzt genannten Einwand und den zweiten Rechtsgang bleibt allerdings anzumerken, dass die relevierte Nichtannahme von Verkürzungen in Betreff weiterer Betriebsstätten der N***** GmbH im Fall eines abermaligen Schuldspruchs der Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** kein Hindernis dafür bildet, bei entsprechenden Feststellungen auch auf jene Betriebsstätten entfallende Verkürzungen den neuerlichen Strafaussprüchen zugrunde zu legen, weil diese Verkürzungen keine selbständigen Taten, sondern steuerlich trennbare Einzelaspekte tatbestandlicher Handlungseinheiten iSd § 33 Abs 1 FinStrG betreffen (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318 [Kert 284]; 13 Os 105/08b, EvBl 2009/78, 515).
Die Staatsanwaltschaft bekämpft zum anderen (aus Z 5 und 9 lit a) die Freisprüche der Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** betreffend den Vorwurf von Abgabenhinterziehungen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Tanzcafes S*****, somit im Rahmen der O***** GmbH (US 10; BS 10).
Sie argumentiert dabei allerdings insoweit nicht aktenkonform, als sie der erwähnten, vom Angeklagten Karl-Heinz W***** vorgelegten Aufstellung (ON 315b S 65 f) den als unerörtert reklamierten (Z 5 zweiter Fall) Hinweis entnehmen will, dass im Jahr 1999 betreffend das Lokal S***** 50.000 Euro verkürzt worden seien. Die in Rede stehende, zugleich auf Betriebsstätten der N***** GmbH Bezug nehmende Aufstellung weist allerdings für das Jahr 1999 insgesamt nur 20.000 Euro in einer Zusammenfassung mit der Bezeichnung „strafbestimmender Wertbetrag“ auf.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht hinsichtlich des von der O***** GmbH betriebenen (US 10) Tanzcafes S***** prozessordnungswidrig darüber hinweg, dass nach Überzeugung der Tatrichter im Bereich jener Gesellschaft keine Abgaben hinterzogen wurden (vgl US 45 unten, 56).
Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, soweit sie gegen die Freisprüche der Angeklagten Karl-Heinz W***** und Karin F***** gerichtet ist, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft überdies gegen den Freispruch des Angeklagten Roman O***** wendet, ist über sie in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden (§ 285d Abs 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde
Die Finanzstrafbehörde stützt ihre Nichtigkeitsbeschwerde nominell auf die Gründe der Z 5, 9 lit a, und 10 sowie der Sache nach auf Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO.
Soweit sie sich (aus dem letztgenannten Grund) auf die Strafaussprüche bezieht, bedarf sie infolge der diesbezüglich wie dargelegt gebotenen Aufhebung des Urteils keiner Erörterung. Insoweit war daher auch das Finanzamt mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf die Teilaufhebung des Urteils zu verweisen, desgleichen mit seiner Berufung.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamts eine der Prozessordnung entsprechende Ausführung.
So entspricht es nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO), „die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe“, wie die Beschwerde einleitend ankündigt, „vorerst pauschal“ zu behandeln (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) wird nicht aufgezeigt. Die Beschwerde sagt auch nicht, worin die weiters reklamierte Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) erblickt wird, ebenso wenig, inwiefern die eingewendete Unvollständigkeit vorliegen soll sowie ob und in welcher Hinsicht diese die Beweiswürdigungsebene (Z 5 zweiter Fall) oder die Feststellungsebene (Z 9 lit a) betreffe. Im zuletzt genannten Fall wäre zwecks einer der Verfahrensordnung entsprechenden Darlegung eines Feststellungsmangels zudem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt anzugeben, welche vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600). All dem entspricht das Vorbringen nicht.
Der Einwand, die „vorgelegten Urkunden und Aufzeichnungen von Mario F*****, welche im Widerspruch zu den Beträgen im Rechenwerk stehen“, seien unberücksichtig geblieben, lässt die bei umfangreichem Aktenmaterial zu prozessförmiger Ausführung erforderliche genaue Angabe der Fundstelle vermissen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; vgl RIS-Justiz RS0124172; s übrigens US 33 unten f).
Auf Lohnzahlungen, die nicht in die Lohnkonten aufgenommen wurden, haben die Tatrichter entgegen der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) durchaus Bedacht genommen (US 17, 30), desgleichen darauf, dass im Abgabenverfahren Lohnaufwendungen auch in Ansehung der Schwarzzahlungen als gewinnmindernd veranschlagt wurden (US 19).
Inwiefern die Freisprüche der Angeklagten Karl-Heinz W*****, Roman O***** und Karin F***** „unrichtig“ seien, wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565).
Aus welchen Feststellungen eine „allenfalls fahrlässige Tat“ der Angeklagten W***** und F*****, die „gem. §§ 53 ff FinStrG mitzuverurteilen gewesen wäre“, abzuleiten sein soll, sagt die Beschwerde nicht (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; § 53 Abs 3 FinStrG).
Auch soweit sich die Beschwerde darüber hinaus den Angeklagten Karl-Heinz W*****, Karin F***** und Roman O***** einzeln widmet, zeigt sie weder die behaupteten Begründungsmängel (Z 5) noch Rechtsfehler oder Feststellungsmängel (Z 9 lit a; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 611) prozessordnungsgemäß auf.
Das Vorbringen der Rechtsrügen (Z 9 lit a) nimmt nicht Maß am festgestellten Sachverhalt, sondern an der dagegen undifferenziert (vgl aber § 281 Abs 1 Z 5 StPO) vorgebrachten Kritik (RIS-Justiz RS0099810).
Indem die Beschwerde die Verantwortung des Angeklagten O***** auf ihre Überzeugungskraft untersucht, verfehlt sie schon im Ansatz die von § 281 Abs 1 Z 5 StPO eröffneten Anfechtungskategorien (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).
Der Sache nach auf Unvollständigkeit der Beweiswürdigung nach Z 5 zweiter Fall rekurrierend geht sie, auf eine Vermögensdeckungsrechnung des Genannten verweisend, erneut daran vorbei, dass es bei umfangreichem Aktenmaterial - wie im gegebenen Fall - zu prozessförmiger Ausführung einer Mängelrüge (hier nach Z 5 zweiter Fall) der genauen Angabe der Fundstelle des betreffenden (hier als unerörtert reklamierten) Verfahrensergebnisses bedarf (vgl RIS-Justiz RS0124172).
Feststellungen bloß pauschal als widersprüchlich zu kritisieren, entspricht nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Auch die auf Roman O***** bezogene Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt weder ausgehend vom festgestellten Sachverhalt einen Rechtsfehler auf noch spricht sie einen Feststellungsmangel an (dazu RIS-Justiz RS0118580).
Gleiches gilt für die hinsichtlich aller drei Angeklagten bloß auf das erstattete Vorbringen verweisende Subsumtionsrüge (Z 10).
Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden und den Berufungen der Angeklagten Roman O*****, Roland P***** und Martin K*****
Mit Blick auf den Freispruch dieser Angeklagten waren ihre (nicht ausgeführten) Rechtsmittel zurückzuweisen (§§ 282, 283 Abs 2 StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines abermaligen Schuldspruchs der strafbestimmende Wertbetrag in Betreff sämtlicher Abgaben nachvollziehbar darzulegen und zudem bei Fassung des Urteilsspruchs den hier einleitend genannten Anmerkungen Rechnung zu tragen sein.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E95122European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00154.09K.0819.000Im RIS seit
18.10.2010Zuletzt aktualisiert am
22.06.2011