TE OGH 2010/8/19 13Os79/10g

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Veröffentlicht am 19.08.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bobby C***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 16. April 2010, GZ 10 Hv 7/10d-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch ein verfehlt in Beschlussform (Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 15) ergangenes Einziehungserkenntnis enthält (US 3) - wurde Bobby C***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zu ergänzen:) erster, zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 26. November 2009 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache und demnach auch das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich rund 3,7 kg Heroin mit einer Reinsubstanz von zumindest 138,9 Gramm Heroin und jedenfalls 4,72 Gramm Monoacetylmorphin, als Zugpassagier

(1) aus Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt sowie

(2) bis zu seiner in Wels erfolgten Festnahme mit dem Vorsatz „erworben, besessen und befördert“, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 35 S 29) des Antrags auf „Einholung eines daktyloskopischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass es unmöglich ist, einen Rucksack, wie er im Abteil vorgefunden wurde, zu transportieren, ohne dass man darauf Fingerabdrücke hinterlässt, sofern man keine Handschuhe verwendet“ (ON 35 S 28), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Im Hinblick darauf, dass der Beweisantrag keine Darlegungen dazu enthält, ob auf dem (ersichtlich gemeint:) zum Suchtgifttransport verwendeten (US 3) Rucksack überhaupt Fingerabdrücke hinterlassen worden sind, und dies auch nicht offensichtlich ist, bleibt nämlich im Dunkeln, inwiefern die begehrte Beweisaufnahme für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sei (Lässig, Das Rechtsschutzsystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006, 406 [408]).

Hinzu kommt, dass nach der Strafprozessordnung Sachverständige nur dann zu bestellen sind, wenn für Ermittlungen oder für Beweisaufnahmen besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches die Strafverfolgungsbehörden nicht verfügen (§ 126 Abs 1 erster Satz StPO). Demgegenüber ist die theoretische Möglichkeit, Gegenstände ohne Hinterlassung von Fingerabdrücken zu transportieren oder solche Abdrücke nachträglich zu beseitigen, für jedermann evident, sodass das Beweisthema dem Sachverständigenbeweis schon in abstracto nicht zugänglich war.

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Indem die Mängelrüge (Z 5) Erörterungen zur Aussage der Zeugin Christine G*****, der Beschwerdeführer habe in dem auch von ihr benützten Zugabteil eine „offene Tasche von einer Boutique“ und ein „Sackerl mit Essen drinnen“ auf der Gepäck-Ablage deponiert (ON 35 S 18, 19), vermisst (Z 5 zweiter Fall), gibt sie die angesprochene Aussage sinnentstellend rudimentär wieder. Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 35) gab Christine G***** nämlich überdies an, nicht zu wissen, ob der Beschwerdeführer neben den von ihr bezeichneten noch weitere Gepäckstücke bei sich getragen habe (ON 35 S 19). Die Aussage der Zeugin G***** in ihrer Gesamtheit fand sehr wohl Eingang in die Beweiswürdigung des Erstgerichts (US 7).

Der Beschwerde zuwider beschränkt sich das Erstgericht in Bezug auf die Feststellung, der Beschwerdeführer habe das Suchtgift mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde (US 4), keineswegs auf eine Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall). Vielmehr leiten die Tatrichter diese Konstatierung aus dem Tatgeschehen, nämlich dem intendierten Transport mehrerer Kilogramm der sog harten Droge Heroin von Köln nach Wien ab (US 9 iVm US 4), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen ist nämlich ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, ja bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Auch in Bezug auf die Feststellungen zur objektiven Tatseite unterlässt die Beschwerde die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Das Erstgericht stützt sich diesbezüglich nämlich nicht nur auf die „Lebenserfahrung“, sondern legt eingehend dar, aus welchen Gründen es insoweit die Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachtet (US 6 bis 9), was die Beschwerde übergeht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b, der Sache nach Z 10) geht zutreffend davon aus, dass § 28 Abs 1 SMG in Bezug auf die Begehungsformen des Erwerbens und des Besitzens von Suchtgift als alternativer Mischtatbestand angelegt ist (RIS-Justiz RS0114037), leitet jedoch nicht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund es - entgegen ständiger Judikatur (zuletzt 13 Os 168/08t, JBl 2009, 733) - dennoch möglich sein soll, die Annahme einer der beiden als verwirklicht angesehenen Alternativen unter dem Aspekt der Subsumtion zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00079.10G.0819.000

Im RIS seit

30.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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