TE OGH 2010/8/24 14Os90/10g

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Veröffentlicht am 24.08.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Skrdla als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Gregor S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. April 2010, GZ 24 Hv 45/10x-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Anlasstat 2 unberührt bleibt, im Ausspruch über die zum Nachteil der Jeannine H***** begangene Anlasstat 1 sowie in der rechtlichen Unterstellung der zum Nachteil der Daniela K***** begangenen Anlasstat auch unter §§ 15, 201 Abs 1 StGB, demzufolge zudem im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Gregor S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf die Kassation des Einweisungsausspruchs verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Innsbruck die Unterbringung des Gregor S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB an, weil er am 10. Dezember 2009 in Innsbruck unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer schizoaffektiven Störung, „gegenwärtig manisch“, beruhte,

1. die am 8. Oktober 1996 geborene Daniela K***** und die vierzehnjährige Jeannine H***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs zu nötigen versuchte, indem er auf die beiden Mädchen zuging, sie verfolgte, sodann seine Hose öffnete, äußerte, es werde „etwas passieren“, sollten sie nicht mit ihm schlafen, ihnen über der Kleidung über deren Brust strich und versuchte, sie am Oberkörper zu erfassen, obwohl sie seine Hand wegschlugen, sowie

2. durch die eben beschriebene Tathandlung mit der unmündigen Daniela K***** den Beischlaf zu unternehmen versuchte

und dadurch die Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1) und das Verbrechen des schweren Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB (2) beging.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

Soweit mit dem im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Einwand fehlender Begründung der Annahme eines - nach dem insoweit unverständlichen Beschwerdestandpunkt alleine als Anlasstat in Frage kommenden - „abgeschlossenen Versuchs“ der Sache nach die Feststellungsgrundlage für die Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und strafbarem Versuch kritisiert werden soll (der Sache nach Z 9 lit a), verfehlt die Beschwerde den in den tatsächlichen Urteilsannahmen (wonach der Angeklagte mit dem Ziel, sein Vorhaben, nämlich den Vollzug des Geschlechtsverkehrs, in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe in die Tat umzusetzen, die beiden Tatopfer verfolgte, seine Hose öffnete, beide Mädchen trotz deren Abwehrhandlungen an der Brust berührte und dabei äußerte, es werde etwas passieren, wenn sie nicht mit ihm schlafen [US 6 f]) gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).

Die vermisste Begründung für die angesprochenen Feststellungen (Z 5 vierter Fall) findet sich auf US 10.

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der Feststellung, wonach „die Handlungen des Betroffenen von der Absicht getragen waren, die beiden Mädchen zur Durchführung bzw Duldung des Geschlechtsverkehrs zu nötigen, wobei es … schließlich beim Versuch blieb“ (US 6), und den Konstatierungen, dass „die Handlungen '... durch das Eingreifen der Sevala K***** ...' (US 6) sowie dadurch, dass 'Umstehende Passanten daraufhin eingegriffen haben und Sevala K***** halfen' (US 6) nicht ausgeführt werden konnten“, kein Widerspruch.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die Behauptung (ersichtlich gemeint: absoluter) Versuchsuntauglichkeit nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116569). Weshalb nämlich der Umstand, dass sich - wie regelmäßig an allen Werktagen um die selbe Zeit - am Tatort zur Tatzeit eine „Menschenansammlung“ bildete, oder die Urteilsannahmen zur Verhinderung der Tatvollendung durch umstehende Passanten der Subsumtion des Täterverhaltens unter §§ 15, 201 StGB und - in Ansehung der unmündigen Daniela K***** - der rechtlichen Beurteilung als in Tateinheit begangenes Verbrechen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB entgegenstehen sollte, erklärt sie nicht.

Der offenbar vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht zuwider steht der Annahme strafbaren (relativ untauglichen) Versuchs im Übrigen nicht entgegen, dass die vom Täter intendierte Tatvollendung aufgrund des Einschreitens Dritter unterblieb. Strafloser absolut untauglicher Versuch würde demgegenüber voraussetzen, dass die einem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich ist, sohin unter keinen Umständen erwartet werden kann (Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 70), wovon bei hier gegebenem Scheitern des Tätervorhabens aufgrund - keineswegs selbstverständlicher - spontaner Hilfeleistung der bloß zufällig vorbeikommenden Mutter eines der Tatopfer und andere Passanten, sohin infolge der zufälligen Modalitäten des konkreten Einzelfalls, keine Rede sein kann (RIS-Justiz RS0098852).

Dass beim Betroffenen eine seelische Abartigkeit höheren Grades, nämlich eine schizoaffektive Störung, vorlag, unter deren Einfluss er die Anlasstaten beging, haben die Tatrichter - dem Einwand der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zuwider - gar wohl festgestellt (US 5). Welche über diese Urteilsannahmen (sowie die ebenfalls ausreichend getroffenen Feststellungen zu den Prognosetaten [US 7]) hinausgehenden Konstatierungen für den Einweisungsausspruch nach § 21 Abs 1 StGB erforderlich gewesen wären, legt die Beschwerde nicht dar (vgl dazu Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21-25 Rz 9; RIS-Justiz RS0118581).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings von einer nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit bei den Feststellungen zu den Anlasstaten 1:

Tatmittel der Vergewaltigung nach § 201 StGB ist - soweit hier relevant - eine qualifizierte Drohung, das heißt eine solche mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB)“. Die Drohung muss sich somit auf eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit beziehen, Drohung mit einer bloßen körperlichen Misshandlung im Sinn des § 115 StGB scheidet als Begehungsmittel aus (vgl dazu Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 32). Für die Beurteilung einer Äußerung ist zwar nicht ihr Wortlaut maßgebend, wohl aber die ihr in der konkreten Situation zukommende Bedeutung. Die Annahme einer gefährlichen Drohung setzt demzufolge zunächst die Feststellung tatsächlicher Natur voraus, dass der vom Drohenden gewollte Sinn seiner Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung der bevorstehenden Beeinträchtigung eines konkreten Rechtsguts (hier einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben) zu erwecken. Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung ist sodann die in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fallende Frage der gemäß § 74 Abs 1 Z 5 StGB erforderlichen Eignung der Drohung zur begründeten Besorgniserregung zu beantworten. Bejahendenfalls stellt sich sodann die wiederum dem Tatsachenbereich zugehörige Frage, welche Zielsetzung der Drohende mit der gefährlichen Drohung verbunden hat (vgl zum Ganzen Jerabek in WK² § 74 Rz 34).

Konstatierungen zu Sinn und Bedeutungsinhalt der als Nötigungsmittel eingesetzten Äußerung, es werde „etwas passieren“, insbesonders dazu, welche Verletzung welchen Rechtsguts angedroht werden sollte, sind der angefochtenen Entscheidung ebenso wenig zu entnehmen, wie solche zur entsprechenden Willensausrichtung des Betroffenen.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen führt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e erster Satz StPO) zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die zum Nachteil der Jeannine H***** begangene Anlasstat 1 sowie in der rechtlichen Unterstellung der zum Nachteil der Daniela K***** begangenen Anlasstat auch unter §§ 15, 201 Abs 1 StGB und demzufolge der davon abhängigen Unterbringungsanordnung (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 7; RIS-Justiz RS0120576) samt Rückverweisung an das Erstgericht.

Mit seiner Berufung war der Betroffene auf die Kassation des Einweisungsausspruchs zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95051

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00090.10G.0824.000

Im RIS seit

13.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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