Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, 2. M***** D***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29. April 2010, GZ 1 R 82/10a-19, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Jänner 2010, GZ 39 Cg 116/08i-13, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen. Sie ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 769,02 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 128,02 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rekurses endgültig, die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen einen mit 1.171,66 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Revisionsrekurses (darin 452,46 EUR Barauslagen, 119,86 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Verlegerin der österreichweit erscheinenden Tageszeitungen „Kr*****“ und „Ku*****“ und besorgt deren Produktion, Vermarktung und Vertrieb. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der österreichweit erscheinenden Tageszeitung „Ö*****“. Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin des Internetportals dieser Zeitung. Die Streitteile sind Mitglieder des Vereins „Österreichische Gesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern/Österreichische Auflagenkontrolle“ (idF: ÖAK). Die ÖAK publiziert regelmäßig die Auflagenzahlen von Printmedien. Sie führt die Zeitungen der Klägerin als Kaufzeitungen, die Wien-Ausgabe der Zeitung der Erstbeklagten hingegen als Gratiszeitung. Grund dafür ist, dass der überwiegende Teil von deren Druckauflage unentgeltlich vertrieben wird.
Gestützt auf die Zahlen der ÖAK erschienen im August 2008 sowie im Jänner und Februar 2009 in der Zeitung der Erstbeklagten die im Anhang zu dieser Entscheidung abgedruckten Werbemitteilungen; die Zweitbeklagte hielt diese Inhalte auf ihrer Website zum Abruf bereit. Darin wurden die Druckauflagen (unter anderem) der Zeitungen der Klägerin und der Erstbeklagten miteinander verglichen. Aufgrund eines Vorsprungs von etwa 200 Stück behaupteten die Beklagten, die Zeitung der Erstbeklagten sei in Wien die „Nummer 1“. Österreichweit sei diese Zeitung die „Nummer 2“. Beide Aussagen waren blickfangartig hervorgehoben und mit einem Hinweis auf die Druckauflagen verbunden.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens begehrt die Klägerin,
1. der Erstbeklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, bei der Werbung die der ÖAK gemeldete Druckauflage von „Ö*****“ mit allgemeinen Superlativen, wie etwa „Ö***** ist in Wien die neue Nummer 1“, und/oder Vorsprungsbehauptungen, wie etwa „Österreich vor Kl***** und Ku*****“ oder „Erstmals die Kr***** überholt“, in einer Weise zu bewerben, die diese Auflagenkategorie als wichtigsten und/oder aussagekräftigsten Maßstab darstelle, insbesondere - wenn auch nur sinngemäß - zu behaupten, die Druckauflage sei nunmehr das einzige einheitliche oder unbestrittene ÖAK-Kriterium;
2. beiden Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, bei der vergleichenden Werbung mit Auflagenzahlen der ÖAK für die Tageszeitung „Ö*****“ eine allgemeine Spitzenstellung und/oder einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern zu behaupten, wenn ein deutlicher und nachhaltiger Vorsprung tatsächlich nicht vorliege;
3. beiden Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, die von der ÖAK veröffentlichten Auflagenzahlen der Tageszeitung „Ö*****“ - wenn auch nur sinngemäß - für Wien, insbesondere deren Druckauflage, mit entsprechenden Auflagenzahlen der „Kr*****“ und/oder des „Ku*****“ zu vergleichen, ohne dabei in einem für die angesprochenen Verkehrskreise gegenüber diesen gleichen Auffälligkeitswert darauf hinzuweisen, dass „Ö*****“ von der ÖAK in Wien im Gegensatz zu „Kr*****“ und „Ku*****“ ausschließlich als Gratiszeitung geführt werde.
Die Erstbeklagte erwecke den irrigen Eindruck, dass ausschließlich die Druckauflage für die Spitzenstellung einer Tageszeitung maßgeblich sei; tatsächlich gebe es auch andere Kriterien (verkaufte Auflage, Leserzahl), die aussagekräftiger seien (Punkt 1). Die Behauptung einer Spitzenstellung sei nur bei Vorliegen eines beachtlichen und stetigen Vorsprungs zulässig (Punkt 2). Bei Gratiszeitungen sei „naturgemäß“ mit einem höheren Schwund zu rechnen, weswegen bei Vergleichen der Druckauflage auf den unterschiedlichen Charakter der Zeitungen hingewiesen werden müsse (Punkt 3).
Die Beklagten wenden ein, dass die beanstandeten Aussagen wahr seien. Die Behauptung einer Spitzenstellung sei durch die von der ÖAK ermittelte Druckauflage gedeckt. Bei einem entsprechenden Hinweis sei es zulässig, (allein) mit der Druckauflage zu werben.
Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung zu Punkt 1 und 2 des Sicherungsantrags; den Antrag zu Punkt 3 wies es ab. Für den Durchschnittsverbraucher werde nicht mit der gebotenen Klarheit dargelegt, dass die Druckauflage nur eine der Kategorien sei, mit der die ÖAK den Erfolg der Zeitungen messe. Ein solcher Hinweis sei erforderlich, da die Druckauflage nur eine beschränkte Aussagekraft für die eigentlich relevante Leserzahl habe. Die Werbung sei daher in irreführender Weise unvollständig (Punkt 1). Eine Spitzenstellungsbehauptung sei nur zulässig, wenn der Vorsprung stetig und beachtlich sei; das treffe wegen des bloß einmaligen Überhangs von 200 Druckexemplaren nicht zu (Punkt 2). Ein Vergleich von Kaufzeitungen mit Gratiszeitungen (bzw mit Hybridzeitungen) sei grundsätzlich nicht unzulässig. Ein an das Publikum gerichteter Hinweis, dass die Zeitung der Erstbeklagten in Wien als Gratiszeitung geführt werde, sei nicht notwendig. Die Zeitungen der Parteien seien als Tageszeitungen grundsätzlich vergleichbar. Die Klägerin sei bereits durch das Verbot der „unreflektierten“ Werbung mit der Druckauflage ausreichend geschützt.
Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht bestätigte den stattgebenden Teil dieser Entscheidung und erließ eine einstweilige Verfügung auch zu Punkt 3 des Sicherungsantrags. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Erstbeklagte habe die Druckauflage in irreführender Weise als zentrales Kriterium für den Erfolg einer Zeitung dargestellt. Im Gegensatz zur Anzahl der verkauften oder tatsächlich gelesenen Exemplare könne diese Auflage willkürlich gesteuert werden. Sie sei daher für den Nachweis der allgemein behaupteten Spitzenstellung nur bedingt geeignet (Punkt 1). Eine Spitzenstellung dürfe nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das beworbene Produkt tatsächlich einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern besitze; ein geringfügiger Vorsprung reiche nicht aus (Punkt 2). Auch der Vergleich der Druckauflagen als solcher sei irreführend (Punkt 3). Zwar sei die beanstandete Behauptung objektiv wahr. Die Beklagten erweckten jedoch den Eindruck, dass sie Vergleichbares verglichen. In Wahrheit treffe das nicht zu, weil die Werte der Tageszeitung der Erstbeklagten überwiegend Gratis-Verteilauflagen enthielten, während dies bei den Tageszeitungen der Klägerin nicht der Fall sei. Dies sei für den durchschnittlichen Betrachter nicht erkennbar. Die einen Vergleich von Gratis- und Kaufzeitungen zulassende Entscheidung 4 Ob 2066/96v stehe dem nicht entgegen. Zum einen wüssten die angesprochenen Kreise im vorliegenden Fall nicht, dass Kauf- und Gratiszeitungen miteinander verglichen würden. Zum anderen liege kein Reichweiten-, sondern ein Auflagenvergleich vor. Die Druckauflage biete aber keine gesicherte Basis für Leserzahlen und die damit verbundene Werbewirksamkeit. Bei einem hohen Anteil von Gratiszeitungen verliere die gedruckte Auflage an Bedeutung, weil im Vergleich zu Kaufzeitungen von einem hohen Schwund „auszugehen“ sei.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil ein Spannungsverhältnis zur Entscheidung 4 Ob 2066/96v bestehe und die Zulässigkeit eines Vergleichs zwischen Kauf- und Gratiszeitungen über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionrekurs der Beklagten ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und teilweise berechtigt.
1. Die Entscheidung der Vorinstanzen zu den Punkten 1 und 2 des Sicherungsantrags ist nicht zu beanstanden.
1.1. Unvollständige Angaben verstoßen gegen das Verbot irreführender Geschäftspraktiken, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten (4 Ob 177/07v = ÖBl 2008, 287 [Gamerith] - Das beste Wachstum; RIS-Justiz RS0121669). Das gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist (4 Ob 7/10y).
Ein solcher Fall liegt hier vor: Zwar haben die Beklagten die von der ÖAK ermittelten Druckauflagen korrekt wiedergegeben und daraus - isoliert betrachtet - zutreffende Schlüsse über die Stellung der Zeitung der Erstbeklagten im Vergleich mit anderen Zeitungen gezogen („Nummer 2“ österreichweit). Dabei haben sie jedoch den Eindruck erweckt, dass die Druckauflage das einzige oder zumindest entscheidende Kriterium für den Vergleich der Zeitungen sei. Das trifft aber nicht zu, da für die Werbewirksamkeit einer Zeitung in erster Linie die Leserzahl (4 Ob 23/03s = MR 2003, 175 - Tausend-Auflage-Preis) und für den wirtschaftlichen Erfolg (auch) die verkaufte Auflage von Bedeutung ist. Die Druckauflage ist in diesem Zusammenhang bloß ein Indiz, aus dem allenfalls Schlüsse für die Reichweite und damit die tatsächliche Bedeutung einer Zeitung gezogen werden können. Wird sie - wie hier - als allein maßgebendes Kriterium für die Spitzenstellung dargestellt, liegt darin eine irreführende Geschäftspraktik.
Anders als im Revisionsrekurs behauptet wird damit eine Werbung mit der Druckauflage nicht zur Gänze unzulässig. Denn es steht den Beklagten weiterhin frei, in nicht irreführender Weise ihre Druckauflage und deren Entwicklung darzustellen (4 Ob 140/93 = RdW 1994, 107) und auch Vergleiche mit der Druckauflage anderer Zeitungen anzustellen (dazu näher unten 2). Untersagt ist ihnen nur das Erwecken des unrichtigen Eindrucks, die Druckauflage sei das aussagekräftigste Kriterium für den Erfolg einer Zeitung.
1.2. Die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung setzt voraus, dass das so beworbene Produkt tatsächlich über einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern verfügt (RIS-Justiz RS0078557 [T5]; 4 Ob 107/08a = ÖBl 2009, 129 - Reichweitenkaiser); ein bloß geringfügiger Vorsprung reicht nicht aus (4 Ob 76/95 = MR 1995, 233 - Meistzitierte Tageszeitung). Dass dies im vorliegenden Fall bei einer einmaligen Auflagendifferenz von etwa 200 Stück, also nur 0,12 %, nicht zutrifft, liegt auf der Hand. Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung zeigt der Revisionrekurs nicht auf.
2. Die Irreführungseignung des Vergleichs der Druckauflagen von Zeitungen, die von der ÖAK einerseits als Kauf- und andererseits als Gratiszeitungen geführt werden, ist nicht bescheinigt.
2.1. Unstrittig ist, dass die Beklagten die von der ÖAK ermittelten Druckauflagen der verglichenen Zeitungen richtig wiedergegeben haben. Ein Vergleich von Kauf- und Gratiszeitungen ist auch nicht grundsätzlich unzulässig (4 Ob 2066/96v = MR 1996, 160 - Kombinationsnachlass; RIS-Justiz RS0104517). Vielmehr kann es sogar geboten sein, auch Gratiszeitungen in einen Vergleich aufzunehmen, wenn dieser den Eindruck erweckt, alle in einem bestimmten Gebiet erscheinenden Zeitungen zu erfassen (4 Ob 90/89 = MR 1990, 27 - Das kleine Blatt); gegebenenfalls ist auf die Unvollständigkeit einer Reichweitenerhebung hinzuweisen (4 Ob 80/07d = MR 2007, 450 - OÖ's erfolgreichste Wochenzeitung mwN).
2.2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Vergleich im vorliegenden Fall deswegen irreführend ist, weil die Beklagten nicht darauf hingewiesen haben, dass die Zeitung der Erstbeklagten anders als die übrigen in den Vergleich einbezogenen Medien von der ÖAK als Gratiszeitung geführt wird. Dieses Argument greift allerdings jedenfalls zu kurz. Denn es ist nicht erkennbar, weshalb die Einordnung der Zeitungen in die Kategorien der ÖAK als solche für die geschäftliche Entscheidung der angesprochenen Kreise erheblich sein soll. Eine Information darüber wäre nur dann erforderlich, wenn diese Einordnung auf Gründen beruhte, die tatsächlich dazu führten, dass der Vergleich der Druckauflagen ungeachtet der Richtigkeit der dem Vergleich zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen (Auflagezahlen) einen irreführenden Eindruck erweckte. Dabei ist auf die konkreten Zeitungen abzustellen, also insbesondere auf die (Kauf-)Zeitungen der Klägerin und auf jene der Erstbeklagten, die allerdings nach allgemeinem Begriffsverständnis keine (reine) Gratis-, sondern eine Hybridzeitung ist (vgl dazu etwa die Kategorisierung durch den Verband österreichischer Zeitungen, www.voez.at/b200m30).
2.3. Diese Irreführungseignung könnte sich im konkreten Fall nur daraus ergeben, dass die Zeitung der Erstbeklagten bei gleicher Druckauflage eine deutlich geringere Leserzahl aufweist als typische Kaufzeitungen. Die Klägerin hat dazu zwar vorgebracht, dass bei Gratis- und Hybridzeitungen mit einem höheren Schwund als bei Kaufzeitungen zu rechnen sei; sie hat dafür aber keine Bescheinigungsmittel genannt. Auch die diesbezügliche Annahme des Rekursgerichts („... von einem hohen Schwund auszugehen ...“) ist durch keine konkrete Feststellung gedeckt. Allgemeinkundig ist dieser Umstand - und daraus folgend die geringere Leserzahl pro gedrucktem Exemplar - jedenfalls nicht.
2.4. Die Beweislast (Bescheinigungslast) für die Irreführungseignung trifft im konkreten Fall die Klägerin.
2.4.1. Zwar muss der Werbende die Richtigkeit der in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 1 Abs 5 UWG (Art 7 der RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung) in Fällen vergleichender Werbung behaupten und beweisen (RIS-Justiz RS0116971; zuletzt 4 Ob 177/09x = EvBl 2010/57 [Rassi] - Neu- und Gebrauchtwagenbörse mwN). Diese Frage stellt sich hier aber nicht, da die Richtigkeit der Auflagezahlen ohnehin unstrittig ist.
Für alle anderen Umstände ist der Werbende nur dann behauptungs- und beweispflichtig, wenn eine Interessenabwägung dies angemessen erscheinen lässt (§ 1 Abs 5 UWG; 4 Ob 177/09x mwN). Dies trifft etwa dann zu, wenn der Kläger mangels genauer Kenntnis der Tatumstände unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, während dem Beklagten diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderliche Aufklärung zu geben (4 Ob 173/02y = wbl 2002, 584 - Emmi Vollmilch mwN; vgl RIS-Justiz RS0116971, RS0011634 [T4, T8, T9]; zuletzt etwa 4 Ob 226/06y = ÖBl-LS 2007/58 - Nulltarif, und 4 Ob 40/07x). Im Regelfall trifft die Beweislast aber den Kläger (RIS-Justiz RS0011634 [insb T2]).
2.4.2. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, weshalb von dieser Regelbeweislastverteilung abgewichen werden sollte. Es ist für beide Seiten gleich schwierig, das Bestehen oder Nichtbestehen einer (deutlich) unterschiedlichen Leserzahl pro gedrucktem Exemplar der in den Vergleich einbezogenen Zeitungen nachzuweisen, mag dieser Unterschied auf einen größeren „Schwund“ bei Hybridzeitungen oder auf andere Umstände zurückzuführen sein. Denn für diesen Vergleich sind die Daten aller verglichenen Zeitungen erforderlich; die Beklagten sind daher nicht näher am Beweis als die Klägerin. Die vage Annahme, dass der Schwund bei Hybridzeitungen höher sein dürfte als bei Kaufzeitungen, rechtfertigt die Beweislastumkehr nicht.
2.5. Aus diesen Gründen ist die abweisende Entscheidung des Erstgerichts zu Punkt 3 des Sicherungsbegehrens wiederherzustellen. Ein Verbot könnte nur erlassen werden, wenn die Klägerin nachweist, dass die Zeitung der Erstbeklagten deutlich weniger Leser pro gedrucktem Exemplar hat als die in den Vergleich einbezogenen Kaufzeitungen. Ob in diesem Fall die Formulierung des Klagebegehrens den Unrechtsgehalt korrekt wiedergäbe, ist hier nicht zu prüfen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, für die Kosten der Beklagten iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.
Die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung führt dazu, dass die dagegen gerichteten Rekurse beider Seiten erfolglos bleiben. Den in der Abwehr des Sicherungsanspruchs erfolgreichen Beklagten sind die Rekursbeantwortungskosten zuzusprechen, wobei als Bemessungsgrundlage - mangels gesonderter Bewertung der Teilbegehren in der Klage - ein Drittel des Streitwerts des Unterlassungsbegehrens heranzuziehen ist. Die Klägerin hat ihre Rekursbeantwortungskosten vorläufig selbst zu tragen. Im Revisionsrekursverfahren haben die Beklagten ein Drittel des Begehrens abgewehrt. Sie haben daher Anspruch auf ein Drittel ihrer Revisionsrekurskosten. Die Klägerin hat keine Rechtsmittelbeantwortung erstattet. Die erstgerichtliche Kostenentscheidung ist mangels Anfechtung in den Rekursen nicht zu überprüfen.
Schlagworte
Österreich ist schon Nr 2,Gewerblicher Rechtsschutz,Textnummer
E95083European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00132.10F.0831.000Im RIS seit
15.10.2010Zuletzt aktualisiert am
08.02.2011