TE OGH 2010/9/1 3Ob156/10b

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Veröffentlicht am 01.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte H*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO) und Anfechtung eines Anerkenntnisses, 1. über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Juni 2010, GZ 40 R 114/10a-12, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 23. März 2010, GZ 7 C 678/09d-8, in Ansehung des Hauptbegehrens bestätigt wurde, und 2. über den in der außerordentlichen Revision enthaltenen Rekurs der klagenden Partei gegen den im Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 2010, GZ 40 R 114/10a-12, enthaltenen Beschluss, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 23. März 2010, GZ 7 C 678/09d-8, die Entscheidung des Erstgerichts über das Eventualbegehren aufgehoben und das Eventualbegehren zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Im Übrigen werden die Akten dem Erstgericht zur Vornahme der erforderlichen Zustellung des Rechtsmittels an die beklagte Partei zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu 1

Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Ersturteil über die von der Klägerin eingebrachten Oppositionsklage.

In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Die Auslegung des Klagevorbringens, wonach das bloße „Inaussichtstellen“ eines künftigen Verzichts auf die Geltendmachung des Räumungsanspruchs in Verbindung mit einer - hier nicht zustandegekommenen - Ratenvereinbarung schon nach den Behauptungen der Klägerin keine Verpflichtung der beklagten Partei zum tatsächlichen Abschluss einer solchen Vereinbarung begründet habe, ist jedenfalls vertretbar. Von der in der außerordentlichen Revision behaupteten „krassen Fehlbeurteilung“ des Berufungsgerichts kann keine Rede sein. Die Klägerin brachte in ihrer Oppositionsklage ausdrücklich (nur) vor, dass die beklagte Partei „in Aussicht gestellt habe, eine außergerichtliche Ratenvereinbarung abzuschließen und bei rechtzeitiger Ratenzahlung auf das Räumungsbegehren zu verzichten“.

Zu 2

Bereits in der Klage stellte die Klägerin neben ihrem Oppositionsklagebegehren das Urteilsbegehren, das von ihr in der Verhandlungstagsatzung abgegebene Anerkenntnis - das zu einem Anerkenntnisurteil führte, welches Grundlage der Räumungsexekutionsbewilligung war - werde aufgehoben. Dieses Klagebegehren wurde zunächst „in eventu für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der ... Oppositionsklage“ erhoben.

In der Folge brachte die Klägerin ausdrücklich vor, dass die in der Klage „in eventu für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der Oppositionsklage“ erhobene Anfechtungsklage nunmehr ausdrücklich in eventu ohne Zusatz „für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der Oppositionsklage“ erhoben werde. Dieser Schriftsatz wurde in der Verhandlungstagsatzung am 11. Jänner 2010 vor dem Erstgericht vorgetragen.

Das Erstgericht wies auch das Eventualbegehren ab. Es vertrat rechtlich die Auffassung, das Anerkenntnis sei als Vertrag nur unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen anfechtbar. Im Übrigen liege eine - unzulässige - „alternative Klagenhäufung“ vor.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Eventualbegehrens erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren laut Punkt 2 des Spruchs (Eventualbegehren) nicht ab-, sondern zurückgewiesen werde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands über 30.000 EUR betrage und dass die ordentliche Revision sowie der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig seien.

Das Eventualbegehren erachtete das Berufungsgericht deshalb für unzulässig, weil es nur für den Fall der rechtskräftigen Abweisung des Oppositionsklagebegehrens beantragt worden sei. Es handle sich um eine unzulässig bedingte Klage. Da das Erstgericht ohnedies auch mit der Unzulässigkeit des zweiten Begehrens argumentiert habe, sei das angefochtene Urteil in diesem Umfang mit der Maßgabe zu bestätigen, dass das Eventualbegehren nicht ab-, sondern zurückgewiesen werde.

In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft die Klägerin auch die Zurückweisung des Eventualbegehrens. Sie macht inhaltlich geltend, dass das Berufungsgericht übersehen habe, dass die Klägerin ohnedies im Zuge des Verfahrens ein „echtes“ Eventualbegehren gestellt habe, weil sie ausdrücklich die Entscheidung über dieses Eventualbegehren nicht mehr von der rechtskräftigen Abweisung des Oppositionsklagebegehrens abhängig gemacht habe.

In Ansehung der Entscheidung des Berufungsgerichts über das Eventualbegehren erfolgte die Aktenvorlage durch das Erstgericht verfrüht:

Bei der Entscheidung des Berufungsgerichts über das Eventualbegehren handelt es sich um einen Beschluss, mit welchem inhaltlich aus Anlass der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Eventualbegehrens durch das Erstgericht die meritorische Entscheidung des Erstgerichts über dieses Begehren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO). Zwar begründete das Berufungsgericht seine Auffassung, dass dieser Fall nicht verwirklicht ist, damit, dass aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichts hervorgehe, dass auch das Erstgericht von einer Unzulässigkeit dieses zweiten (Eventual-)Begehrens ausgegangen sei. Diese Auffassung lässt allerdings außer Acht, dass sich das Erstgericht zunächst inhaltlich auch mit diesem zweiten Begehren auseinandersetzte und dessen Berechtigung verneinte. Das Erstgericht ging zweifelsfrei davon aus, dass ein Fall einer „alternativen“ Klagenhäufung verwirklicht sei, der beide Klagebegehren unzulässig mache, weil keinem wegen besserer Erfolgsaussichten der Vorrang einzuräumen sei. Einen Entscheidungswillen des Erstgerichts dahin, dass gerade und nur der zweite Teil des Begehrens (die „Anfechtungsklage“) unzulässig, die Oppositionsklage jedoch zulässig sei, lässt sich der Entscheidungsbegründung des Erstgerichts nicht entnehmen. Das Erstgericht behandelte vielmehr entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beide Begehren inhaltlich.

Damit ist das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts in Ansehung des Eventualbegehrens als Vollrekurs (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) aufzufassen, der auch ohne Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage jedenfalls zulässig ist. Die Falschbezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 2 mwN).

Unschädlich ist auch, dass nach der bereits anzuwendenden ZVN 2009 die Rekursfrist im Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nur mehr vierzehn Tage beträgt. Da eine einheitliche Entscheidung des Berufungsgerichts vorliegt, gilt die längere, vierwöchige Revisionsfrist (RIS-Justiz RS0002105; 1 Ob 58/10a). Der in der außerordentlichen Revision enthaltene Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist daher rechtzeitig.

Da somit ein Anwendungsfall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegt, entspricht der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nicht dem Gesetz und ist unbeachtlich. Vielmehr ist, weil das Rechtsmittel der Klägerin in diesem Umfang als zulässiger „Vollrekurs“ zu behandeln ist (RIS-Justiz RS0043861), dem Prozessgegner eine Gleichschrift des Rechtsmittelschriftsatzes durch das Erstgericht zuzustellen. Das Erstgericht wird somit diese Zustellung zu veranlassen und die Akten nach Ablauf der für die Rekursbeantwortung offen stehenden (vierzehntägigen) Frist wieder vorzulegen haben.

Aus diesem Grund war eine Zurückleitung an das Erstgericht zu verfügen.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E95850

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00156.10B.0901.000

Im RIS seit

07.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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