TE OGH 2010/9/1 3Ob113/10d

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Veröffentlicht am 01.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Peter W*****, vertreten durch Mag. Axel Seebacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt,wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2009, GZ 1 R 196/09g-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. Jänner 2009, GZ 6 C 23/08k-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird dahin Folge gegeben, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.746,98 EUR (darin 760,33 EUR USt und 185 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Miteigentümer von Liegenschaftsanteilen verbunden mit Wohnungseigentum. Die Wohnung bewohnt er seit 1973 und hat keine andere Wohnmöglichkeit. In dem 1985 eingeleiteten Konkursverfahren über sein Vermögen hatte die Ehefrau des Klägers, die Verpflichtete des Anlassexekutionsverfahrens, diese Anteile bei einer kridamäßigen Versteigerung erworben. In der Folge (28. Dezember 1989, 30. September 1990) unterfertigten der Kläger und seine Frau eine Urkunde über eine „Niederschrift einer mündlichen Verhandlung, die nicht niedergeschrieben wurde“. Darin erklärte die Ehefrau, ihrem Ehegatten das lebenslängliche, kostenlose Wohnrecht in dieser Wohnung unwiderruflich, auch für den Fall der Ehescheidung, einzuräumen. Der Kläger erklärte, auf die Einverleibung des Wohnungsrechts zu verzichten, weil dieses durch das [gleichzeitig eingeräumte] Belastungs- und Veräußerungsverbot ausreichend qualifiziert sei. Dieses wurde auch aufgrund eines Notariatsakts vom 28. Dezember 1989 einverleibt.

Im Jahr 2000 beabsichtigten das beklagte Kreditunternehmen und der Sohn der Verpflichteten eine Umschuldung. Weil für die Bank ein „Sanierungsfall“ vorlag, verlangte sie Sicherheiten, weshalb die Verpflichtete einerseits eine persönliche Haftung (Garantie) bis zu einem Betrag von 400.000 S übernahm und andererseits ihre Miteigentumsanteile für einen Höchstbetrag von 1,3 Mio S zum Pfand bestellte. Dazu gab der Kläger eine Vorrangserklärung ab. Der zuständige Kundenbetreuer der Bank hatte vor Unterfertigung der „Satzweichungserklärung“ Kenntnis vom Wohnrecht des Klägers. Sodann zählte die beklagte Partei dem Schuldner einen Kredit in Höhe von 1,65 Mio S zu. Nachdem dieser notleidend geworden war, verurteilte das Landesgericht Klagenfurt die nunmehrige Verpflichtete zur Zahlung von 90.456,50 EUR an die beklagte Bank. Das Erstgericht bewilligte aufgrund dieses in Rechtskraft erwachsenen Titels über Antrag („nicht jedoch auf Vereitelung des Wohnrechts des Klägers abzielend“) der beklagten Partei zur Einbringlichmachung einer Forderung von 72.000 EUR sA die Zwangsversteigerung der genannten Miteigentumsanteile.

Der Kläger begehrt die Unzulässigerklärung der Zwangsversteigerung. Dazu brachte er im Wesentlichen vor:

Er habe im August 2000 der „Satzweichung“ zugunsten des Pfandrechts der beklagten Bank zugestimmt, weil er davon ausgegangen sei, dass der eine gut gehende Tabaktrafik betreibende Schuldner die monatlichen Raten problemlos aufbringen könne. Die Satzweichung habe jedoch nur das Belastungs- und Veräußerungsverbot, nicht jedoch das Wohnrecht betroffen, weshalb dieses - „wenn auch außerbücherlich“ - vorrangig geblieben sei. Vor Unterfertigung der Vorrangseinräumung sei mit ihm nicht gesprochen worden. Die beklagte Partei habe es, um die Kreditvergabe nicht zu gefährden, und gerade, weil sie vom nicht verdinglichten Wohnungsrecht gewusst habe, im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht schuldhaft unterlassen, ihn über das wahre Ausmaß der Schulden, über die noch bestehende Spielsucht und den Umstand, dass der Schuldner schon 6,2 Mio S verspielt hatte, in Kenntnis zu setzen und somit arglistig getäuscht. Bei entsprechender Aufklärung hätte er dem Rangtausch nie zugestimmt. Zudem habe er ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung iSd § 97 ABGB; das Wohnrecht sei auch offenkundig gewesen.

Die beklagte Partei wendete ein, dass das Zwangsversteigerungsverfahren in kein Recht des Klägers eingreife; selbst eine wirksame Dienstbarkeit finde gemäß § 150 EO Berücksichtigung und wäre einer Klage nach § 37 EO nicht zugänglich. Mit der Vorrangseinräumungserklärung habe der Kläger auch einer Zwangsversteigerung zugestimmt. § 97 ABGB setze voraus, dass die Liegenschaft im Miteigentum der Ehegatten stünde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, ausgehend von den oben im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen, ab. Der Kläger könne sich mangels Verbücherung nur auf ein obligatorisches Wohnrecht stützen. Ein solches mache aber die Versteigerung nicht unzulässig. Nicht verbücherte offenkundige Dienstbarkeiten, die nicht durch Ersitzung erworben wurden, seien gegenüber dem Ersteher in der Zwangsversteigerung wirkungslos. Nach der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs könnten persönliche Dienstbarkeiten, wie ein Wohnrecht, nicht offenkundig sein.

Das Berufungsgericht hob, der Berufung des Klägers stattgebend, das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Der aus einem Belastungsverbot Berechtigte, der geltend mache, seine der Exekutionsbewilligung zugrunde liegende Zustimmung sei unwirksam, müsse dies mit Exszindierungsklage nach § 37 EO einwenden. Daraus folge, dass auch die (partielle) Unwirksamkeit des Rangtausches zwischen diesem und einer Pfandgläubigerin, die im bevorrangten Rang Zwangsversteigerung betreibe, mit dieser Klage geltend zu machen sei. Der Kläger behaupte erkennbar die Unwirksamkeit seiner Vorrangseinräumung im Jahr 2000 insoweit, als die beklagte Partei die Miteigentumsanteile nicht in Zwangsversteigerung ziehen dürfe, solange ihm ein Wohnrecht zustehe.

Die allenfalls dem Erwerber einer Liegenschaft gegenüber bestehende Offenkundigkeit einer Wohnungsdienstbarkeit sei allerdings einem Exszindierungsverfahren nicht zugänglich. Das Vorbringen deute aber auf Willensmängel bei Abschluss des zwischen dem Kläger und der beklagten Partei vereinbarten Rangtausches hin. Die im Ersturteil unberücksichtigt gebliebenen Tatsachenbehauptungen sowie die näheren Umstände bei Vertragsabschluss würden im fortgesetzten Verfahren zu klären und festzustellen sein. Auch sei erörterungsbedürftig, wie und warum die beklagte Partei Kenntnis vom Wohnrecht des Klägers erlangte.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. Zwar komme eine analoge Anwendung der §§ 25c und 25d KSchG auf eine Pfandbestellung nicht in Frage. Die Vorrangseinräumung eines gemäß § 364c ABGB Berechtigten sei ebenfalls keine Interzession. Es wäre aber eine Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Bank denkbar. Wenn keine Teilunwirksamkeit der Vorrangseinräumung festgestellt werde, könne sich der Kläger wegen dieser Erklärung nicht auf § 97 ABGB berufen.

Es fehle Rechtsprechung dazu, ob die (partielle) Unwirksamkeit des Rangtausches zwischen einem aus einem Belastungs- und Veräußerungsverbot Berechtigten und einer Pfandgläubigerin, die im bevorrangten Rang Zwangsversteigerung betreibe, mit Klage nach § 37 EO geltend zu machen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

1. Nach § 37 EO kann ein Dritter gegen die Exekution Widerspruch erheben, wenn er an einem von ihr betroffenen Gegenstand (auch Teilen davon oder Liegenschaftszubehör in der Zwangsversteigerung) Rechte behauptet, welche die Vornahme der Exekution unzulässig machen würden.

2. Die Exszindierungsgründe sind in der Exekutionsordnung nicht näher determiniert. Als solche können somit alle nach materiellem Recht bestehenden, sowohl dinglichen als auch obligatorischen Rechte - diese freilich nur, wenn die Sachen und Rechte nicht im Eigentum des Verpflichteten stehen oder nicht zu seinem Vermögen gehören - geltend gemacht werden, wenn sie durch eine Exekutionsführung beeinträchtigt werden. Eine Widerspruchsklage betreffend obligatorische Ansprüche ist nur bei Herausgabeansprüchen hinsichtlich nicht zum Vermögen des Verpflichteten gehöriger Sachen, die der Verpflichtete nur im Namen eines Dritten innehat, zulässig (RIS-Justiz RS0001001, zuletzt 3 Ob 27/09f mwN; ähnlich Burgstaller/Holzner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 37 Rz 97 und - abgesehen vom hier nicht zur Debatte stehenden Mietrecht in bestimmten Fällen - Jakusch in Angst, EO² § 37 Rz 33, 35, je mwN). Davon kann bei einem obligatorischen Wohnungsgebrauchs- oder -fruchtgenussrecht keine Rede sein. Aber selbst beschränkt dingliche Rechte an Liegenschaften, für deren Fortbestehen oder Erlöschen die EO eigene Regeln enthält (schon das Erstgericht verwies zu Recht auf § 150 Abs 1 EO), machen eine Exekution auf die belastete Liegenschaft nicht unzulässig (ebenso zum umfassenderen Fruchtgenuss Jakusch aaO Rz 25), weshalb es auf die Frage der Offenkundigkeit der vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit nicht ankommen kann. Selbst eine im Grundbuch einverleibte Dienstbarkeit der Wohnung berechtigt in der Zwangsversteigerung der belasteten Liegenschaft niemals zur Exszindierung. Selbst eine offenkundige Dienstbarkeit könnte also nur im Verhältnis zum Ersteher eine Rolle spielen.

3. Auf seinen Wohnungserhaltungsanspruch gegen die Verpflichtete nach § 97 ABGB, dessen Eignung als Exszindierungsgrund die Vorinstanzen zu Recht verneint hatten, kommt der Kläger in dritter Instanz nicht mehr zurück.

4. Nach Auffassung des Gerichts zweiter Instanz könnte der Kläger sein Begehren unter Umständen jedoch auf die Anfechtung seiner Vorrangseinräumungserklärung vom August 2000 stützen. Er behaupte erkennbar deren Unwirksamkeit insoweit, als die beklagte Partei die Miteigentumsanteile nicht in Zwangsversteigerung ziehen dürfe, solange ihm ein Wohnrecht zustehe. Dem tritt allerdings die beklagte Partei aus den nachstehenden Erwägungen zu Recht entgegen:

Im Grundbuch einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbote (§ 364c ABGB) hindern sowohl die Zwangsversteigerung als auch die zwangsweise Pfandrechtsbegründung. Es kann offen bleiben, ob tatsächlich die Unwirksamkeit einer Vorrangseinräumung nach § 30 GBG - und damit der Weiterbestand der Grundbuchssperre entgegen dem Grundbuchstand - mit Klage nach § 37 EO grundsätzlich geltend gemacht werden kann (bejahend für die Behauptung der Unwirksamkeit der Zustimmung des Verbotsberechtigten zur Eintragung des Pfandrechts und zur Zwangsversteigerung 3 Ob 22/90).

In seiner Berufung hatte der Kläger allerdings nur ein offenkundiges und der beklagten Partei auch bekanntes dingliches Wohnrecht geltend gemacht, zum Belastungs- und Veräußerungsverbot aber nur geltend gemacht: Nur zu diesem (und nicht, wie vom Erstgericht vermeint auch zum Wohnrecht) habe er eine Vorrangseinräumungserklärung abgegeben, die für die beklagte Partei offenbar nur eine formelle Absicherung gewesen sei. Auch die als fehlend gerügte Feststellung „die beklagte Partei hat mit dem Kläger weder keine Gespräch [geführt], noch diesem eine aufklärende Information erteilt“ wird ausdrücklich nur zum Nachweis der Offenkundigkeit der Dienstbarkeit begehrt. Demnach ist der beklagten Partei jedenfalls insoweit zu folgen, als der Kläger sich jedenfalls im Berufungsverfahren nicht mehr auf den Exszindierungsgrund der Anfechtung seiner Vorrangseinräumungserklärung wegen eines Willensmangels oder nach §§ 25 und 25d KSchG gestützt hat. Nach ständiger Rechtsprechung haben ungeachtet der Verpflichtung zur allseitigen Überprüfung der rechtlichen Beurteilung bei Ableitung eines Anspruchs aus mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen wie im vorliegenden Fall, die anderen Ansprüche außer Acht zu bleiben, wenn sich die Rechtsrüge nur noch auf eine dieser Tatsachen bezieht (zahlreiche E zu RIS-Justiz RS0043352 [T10, T11, T23 ua]; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 471 Rz 9 mwN). Andere Fragen können dann in der Revision (oder hier in der Revisionsbeantwortung) nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043352 [T27 und T33]).

Demnach hat das Erstgericht seine Klage zu Recht abgewiesen. Der vom Berufungsgericht für erforderlich angesehenen Verfahrensergänzung bedarf es nach richtiger Rechtsansicht nicht. Es kann daher sogleich das Ersturteil wiederhergestellt werden (§ 519 Abs 2 dritter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidungen im Rechtsmittelverfahren gründen sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Da die Bemessungsgrundlage für Exszindierungsklagen nach § 16 Abs 1 Z 1 lit d GGG nur 733 EUR beträgt, sind für den Rekurs an den Obersten Gerichtshof an Pauschalgebühr nach TP 3 des Tarifs nur 185 EUR zu entrichten.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E95199

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00113.10D.0901.000

Im RIS seit

22.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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