TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/29 99/10/0132

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Veröffentlicht am 29.01.2001
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der W Ges.m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. April 1999, Zl. 6 - 55 Ui 2/6 - 1992, betreffend naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben der stellvertretenden Bezirksnaturschutzbeauftragten für die Stadt Graz vom 1. März 1989 wurde der Naturschutzbehörde erster Instanz (dem Bürgermeister der Stadt Graz) berichtet, linker Hand der Riesstraße (stadtauswärts gesehen) befänden sich fünf Plakattafeln auf einer Wiese, die sich gegenüber den Häusern Riesstraße 130 bis 138 längs eines nördlich leicht abfallenden Hanges bis zu einem Wald erstrecke. Die Werbeeinrichtungen seien im rechten Winkel zur Riesstraße aufgestellt, ca. 5 m vom Straßenrand entfernt und fix im Boden verankert. Sie befänden sich zueinander in einem Abstand von etwa 15 m. Die Werbeeinrichtungen befänden sich auf einem freien Wiesengelände, das in nördlicher Richtung in einen Wald übergehe, der sich längs der Rieshänge talwärts ziehe. Das Wiesengelände sei daher als offenes Freiland anzusehen. Südlich davon verlaufe die Riesstraße, in weiterer Folge seien die Häuser Riesstraße 130 bis 138 zu sehen. Dabei handle es sich um Einfamilienhäuser mit umgebender Grünfläche. In östlicher Richtung sei in einer Entfernung von ca. 50 m die Schule Graz-Ries zu sehen. In westlicher Richtung betrage die Entfernung zu einem festen Bauwerk etwa 30 m. Es würden daher alle genannten Werbeanlagen deutlich aus dem Schatten eines festen Bauwerkes hervortreten. Die weithin sichtbaren Tafeln würden das Landschaftsbild empfindlich stören.

Die Erstbehörde stellte fest, dass drei (näher beschriebene) der genannten Plakatwände von der Beschwerdeführerin aufgestellt worden seien und forderte daher diese mit Schreiben vom 20. März 1992 auf, diese Plakattafeln binnen zwei Wochen zu entfernen. Gleichzeitig wurden ihr die Ausführungen der stellvertretenden Bezirksnaturschutzbeauftragten zur Kenntnis gebracht.

Die Beschwerdeführerin legte das Gutachten eines Ziviltechnikers vor. Diesem zufolge befänden sich die - näher beschriebenen - Tafeln innerhalb des Ortsgebietes von Graz. Die Bebauung des umgebenden Bereiches stelle sich als Siedlungsgebiet entlang der Riesstraße, bestehend aus Kleinwohnhäusern im Westen, im Süden (Wohnhäuser Nr. 130 bis 138) sowie im Osten dar. Im Norden senke sich das Gebiet zum Stiftingtal ab. Vom Stiftingtal her sei der Blick auf das Ackergrundstück nördlich der Riesstraße, auf dem sich die Werbetafeln befänden, durch einen Waldbestand abgeschirmt. Bei großflächiger Betrachtungsweise seien die aufgestellten Tafeln dem Bauland zuzurechnen, weil sowohl im Osten, als auch im Westen der Ackerfläche die Bebauung "die nördliche Begrenzung der Tafeln um etliches nach Norden überragt (Orientierungsnummern 129 und 141)". Die Werbetafeln würden auch keinen optisch negativen Gestaltungseffekt bewirken; auf angeschlossene Fotos werde hingewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 20. Mai 1992 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 aufgetragen, binnen zwei Wochen die ohne behördliche Bewilligung außerhalb der geschlossenen Ortschaft errichteten, näher beschriebenen Plakatanlagen zu entfernen. Hiezu wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, Werbetafeln, die 25 bis 30 m vom letzten Gebäude einer geschlossenen Ortschaft entfernt aufgestellt seien, könnten nicht mehr als innerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegen angesehen werden. Die in Rede stehenden Werbetafeln lägen demnach eindeutig außerhalb einer geschlossenen Ortschaft.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und brachte vor, bei großräumiger Betrachtung bestehe ein deutlicher Siedlungszusammenhang. Unter Hinweis auf das vorgelegte Privatgutachten werde ein Lokalaugenschein verlangt, bei dem sich die Richtigkeit der Behauptung des Siedlungszusammenhanges sofort feststellen lasse.

Die Berufungsbehörde holte ein Gutachten der Fachstelle Naturschutz ein, in dem ausgeführt wurde, es sei dem vorgelegten Privatgutachten dahin zu folgen, dass südlich, östlich und westlich der verfahrensgegenständlichen Werbetafeln eine starke Bebauung bestehe. Der Abstand zwischen dem letzten Haus und den Plakatwänden betrage jedoch mindestens 20 m. Somit würden die Plakatwände aus dem Schatten dieses letzten Gebäudes heraustreten und sich in der freien Landschaft befinden. Bei der Ackerfläche handle es sich nicht um eine Grünanlage innerhalb eines geschlossen verbauten Gebietes, zumal sich nördlich eine lang gezogene Wiese erstrecke und daran ein ausgedehnter Waldbereich anschließe.

Eine Überprüfung am 22. Oktober 1997 durch die Fachstelle Naturschutz ergab, dass die Werbetafeln nach wie vor aufgestellt seien und die Abstände der nächstgelegenen Bauwerke des geschlossen bebauten Gebietes südlich der Riesstraße, wie auch im Osten und im Westen mindestens 20 m betragen.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. April 1999 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es könne dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten weder in Ansehung der von diesem angenommenen Lage innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, noch in Ansehung der optischen Auswirkungen gefolgt werden. Die Plakatwände würden nämlich mindestens 20 m aus dem Schatten des letzten Hauses des bebauten Gebietes heraustreten und es könnte auch nicht davon gesprochen werden, dass es sich bei der Aufstellungsfläche um eine Grünanlage in einem geschlossen bebauten Gebiet handle. Aus näher dargelegten Gründen werde auch das Landschaftsbild empfindlich beeinträchtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976 (NSchG) dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden.

Nach § 4 Abs. 2 NSchG ist eine Bewilligung nicht erforderlich für 1. Ankündigungen, die a) in ihrer Ausführungsart durch Gesetz oder Verordnung festgelegt oder b) zur Bezeichnung von Geschäfts- oder Betriebsstätten gesetzlich vorgeschrieben sind sowie

2. Hinweise ohne Werbezusätze, die zur Auffindung nahe gelegener Geschäfts- oder Betriebsstätten oder von Naturschönheiten und Kulturstätten dienen.

Nicht bewilligte Ankündigungen sind gemäß § 4 Abs. 7 NSchG binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde von demjenigen zu entfernen, der sie veranlasst hat oder, wenn dieser nicht mehr herangezogen werden kann, vom Grundeigentümer (Verfügungsberechtigten), wenn dieser sein Einverständnis erteilte. Können beide nicht herangezogen werden, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Entfernung durchzuführen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine geschlossene Ortschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG insoweit vor, als das äußere Erscheinungsbild des Ortes oder Ortsteiles überwiegend von einer größeren Ansammlung von Bauwerken einschließlich der sie etwa umgebenden Grünanlagen geprägt wird, oder von einem räumlichen Zusammenschluss einer Vielheit von Bauwerken gesprochen werden kann, der sich durch den Zusammenschluss von einzelnen verstreut liegenden Baulichkeiten sichtbar abhebt. Dabei kommt es nicht auf den Ausblick in die Landschaft, sondern nur auf die Umgebung des Standortes der Ankündigungstafel an.

Für die Beurteilung der Frage, ob eine geschlossene Ortschaft, die sich von der verbleibenden natürlichen Landschaft abhebt, vorliegt, ist eine großflächige Betrachtungsweise geboten.

Werbeeinrichtungen, die außerhalb des letzten Gebäudes, das zu einer geschlossenen Ortschaft zählt, aufgestellt sind, liegen außerhalb der geschlossenen Ortschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG. Von diesem Grundsatz ist jedoch insofern eine Ausnahme denkbar, als eine Werbeeinrichtung an einem Gebäude selbst angebracht ist oder sich in einem derartigen räumlichen Naheverhältnis zu einem Gebäude befindet, dass die Werbeeinrichtung sozusagen nicht aus dem Schatten des Gebäudes hervortritt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 4. September 2000, Zl. 98/10/0404 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die in Rede stehenden Plakatwände entlang der Riesstraße von der Beschwerdeführerin ohne naturschutzbehördliche Bewilligung aufgestellt wurden. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid vielmehr ein, bei großflächiger Betrachtungsweise der festgestellten Örtlichkeit bestehe ein räumliches Naheverhältnis der Werbetafeln zu den umliegenden Gebäuden, sodass von einem Hervortreten der Werbeeinrichtungen aus dem Schatten dieser Gebäude nicht gesprochen werden könne. Die belangte Behörde habe zwar die Bebauung im Bereich der Plakatanlagen und die Abstände zum nächsten Haus des bebauten Gebietes richtig festgestellt. Diese Feststellungen seien allerdings dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten entnommen worden und nicht dem Gutachten des Amtssachverständigen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Plakatwände seien (noch) innerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegen, ist nicht zu folgen. Die Beschwerdeführerin übersieht nämlich, dass eine großflächige Betrachtungsweise nach der - oben dargestellten - hg. Judikatur bei Beurteilung der Frage geboten ist, ob eine Vielzahl von Bauwerken in einem derartigen Siedlungszusammenhang steht, dass das betreffende Gebiet - gegebenenfalls einschließlich von Freiflächen - als geschlossene Ortschaft angesehen werden kann, dass aber die Grenze der solcherart bestimmten geschlossenen Ortschaft durch das jeweils äußerste Bauwerk bestimmt wird. Außerhalb dieser Grenze aufgestellte Werbeeinrichtungen befinden sich demnach außerhalb der geschlossenen Ortschaft, mögen sie auch unter verschiedenen Blickpunkten als der Ortschaft zugehörig erscheinen. Lediglich dann, wenn eine Werbeanlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem (grenzbestimmenden) Bauwerk steht, dass sie wie ein Bestandteil dieses Bauwerks in Erscheinung tritt ("sozusagen nicht aus dem Schatten dieses Gebäudes tritt"), ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz denkbar.

Eine großräumige Betrachtungsweise, die, wie dies der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt, im Ergebnis zu einem der geschlossenen Ortschaft zuzurechnenden Umfeld außerhalb der dargelegten Begrenzung führt, ist daher mit dem Begriff der "geschlossenen Ortschaft" im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG 1976 nicht vereinbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, Zl. 98/10/0058).

Vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Rechtsprechung ist der Standpunkt der belangten Behörde, die verfahrensgegenständlichen Werbeanlagen befinden sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft, weil sie auf einer Ackerfläche situiert sind, die nicht als eine Bauwerke umgebende "Grünanlage" zu werten sei und weil sie von den die Grenze der geschlossenen Ortschaft bestimmenden Gebäuden mindestens 20 m entfernt seien, nicht als rechtswidrig zu beanstanden. Dass die Plakatwände in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem (grenzbestimmenden) Bauwerk stünden, dass sie wie ein Bestandteil dieses Bauwerks in Erscheinung träten, kann im Übrigen auch anhand der im Verwaltungsakt befindlichen Fotos, die dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten angeschlossen sind, ohne Weiteres verneint werden.

Ob aber den Feststellungen der belangten Behörde in Wahrheit nicht das Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen, sondern das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten zu Grunde liegt, ist abgesehen davon, dass die behördlichen Feststellungen in den von der Behörde eingeholten Gutachten eine Grundlage finden, nicht relevant. Selbst wenn sich die belangte Behörde ausschließlich auf das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten gestützt hätte, wäre dieser Umstand für sich alleine nicht geeignet, die Beschwerdeführerin in ihren Rechten zu verletzen.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, der erstbehördliche Bescheid stamme aus 1992, die festgestellte Verbauung rund um die Plakatwände werde sich "nunmehr deutlich verdichtet haben", ist ihr zu entgegnen, dass von der belangten Behörde - wie oben dargelegt - die örtliche Situation am 22. Oktober 1997 auf allfällige Veränderungen überprüft wurde. Auch hat die Beschwerdeführerin trotz gebotener Gelegenheit weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der vorliegenden Beschwerde konkret behauptet, es hätten sich entsprechend den dargestellten Kriterien für die Beurteilung eines Gebietes als "geschlossene Ortschaft" relevante Änderungen in der Verbauung ergeben.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Jänner 2001

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999100132.X00

Im RIS seit

22.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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