TE OGH 2010/9/1 6Ob162/10g

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Veröffentlicht am 01.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Dr. L*****, vertreten durch Specht Rechtsanwalt GmbH in Wien, und 2. S***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Parteien G***** G*****, vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung, Veröffentlichung und Zahlung, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der erstklagenden und gefährdeten Partei und der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 26. Mai 2010, GZ 6 R 64/10v-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden gemäß § 78 EO, § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Kläger begehren vom Beklagten die Unterlassung von vier unwahren, kreditschädigenden und ehrenbeleidigenden Äußerungen.

Das Erstgericht verbot dem Beklagten zwei Äußerungen und wies den Sicherungsantrag im Übrigen ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese vom Erstkläger und vom Beklagten bekämpfte Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Erstkläger und der Beklagte beantragten die Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht und erhoben gleichzeitig ordentliche Revisionsrekurse.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind als außerordentliche Revisionsrekurse zu behandeln:

Nach dem - gemäß § 526 Abs 3 ZPO auf Rekursentscheidungen sinngemäß anwendbaren - § 500 Abs 2 ZPO hat das Berufungsgericht in seinem Urteil bei einem nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstand auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt oder nicht und, bei Übersteigen von 5.000 EUR, auch 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Bei diesem Ausspruch ist das Berufungsgericht an der Bewertung des Streitgegenstands durch den Kläger nicht gebunden (E. Kodek in Rechberger, ZPO² § 500 Rz 3 mwN). Nach § 500 Abs 3 ZPO ist (unter anderem) § 55 Abs 1 bis 3 JN sinngemäß anzuwenden; § 55 Abs 1 JN bestimmt, dass in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende Ansprüche zusammenzurechnen sind. Für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands folgt daraus, dass Begehren (nur) dann gesondert zu bewerten sind, wenn sie miteinander nicht in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen (4 Ob 152/02k mwN; 6 Ob 80/03p; RIS-Justiz RS0042486); es genügt daher schon ein tatsächlicher Zusammenhang, um eine gesonderte Bewertung überflüssig zu machen (RIS-Justiz RS0042486).

Ein tatsächlicher Zusammenhang besteht nach herrschender Auffassung, wenn mehrere Ansprüche aus dem selben Klagesachverhalt abgeleitet werden können. Dabei muss das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreichen, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (4 Ob 152/02k mwN). In diesem Zusammenhang ist nicht darauf abzustellen, welche Behauptungen unabdingbar sind, damit das Vorbringen noch schlüssig ist, sondern es kommt darauf an, ob die Begehren aus einem Sachverhalt abgeleitet werden, der als Einheit aufgefasst wird und dessen Kenntnis daher notwendig ist, um den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilen zu können.

Für den Anlassfall folgt daraus, dass die vier Begehren in einem tatsächlichen Zusammenhang stehen, werden sie doch auf Äußerungen des Beklagten in ein und derselben Pressekonferenz vom 11. 1. 2010 gestützt. Diese Behauptungen hängen miteinander zusammen, womit der für die einheitliche Bewertung notwendige (tatsächliche) Zusammenhang begründet wird.

Ein fälschlicherweise gestellter Antrag einer Partei auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses, verbunden mit einem solchen, ist in einen außerordentlichen Revisionsrekurs umzudeuten (1 Ob 157/08g; vgl RIS-Justiz RS0123405).

Die Rechtsmittel zeigen keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO auf.

Voraussetzung der Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung des § 1330 ABGB ist ein hinreichender Bezug des Äußerungsinhalts zu einer bestimmten Person, dem Betroffenen (RIS-Justiz RS0031766; 6 Ob 224/04s). Dabei kommt es darauf an, wie das Publikum die Äußerung auffasst und mit wem es den darin enthaltenen Vorwurf in Verbindung bringt. Es handelt sich somit um eine Frage der Auslegung, die so sehr von den Umständen des einzelnen Falls abhängt, dass ihr regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (§ 528 Abs 1 ZPO) bildet (4 Ob 73/04w mwN). Ob von einem primär gegen eine juristische Person gerichteten Vorwurf auch ihr zur Geschäftsführung und Vertretung berufenes Organ mitbetroffen ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 136/00v).

Die Auffassung des Rekursgerichts, dass der Erstkläger als Mitglied des Vorstands der Privatstiftung nicht mitbetroffen von den Äußerungen des Beklagten ist, weil sie nach ihrem Gesamtzusammenhang und dem Verständnis der Adressaten ausschließlich gegen den angesprochenen Landeshauptmann und die Partei gerichtet sind, deren Vorsitzender der Landeshauptmann ist, ist jedenfalls vertretbar.

Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls abhängt und der deshalb keine über diesen hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0111733; RS0031883; RS0031915; 6 Ob 240/08z). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt und ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0113943), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (§ 528 Abs 1 ZPO) in der Regel nicht angenommen werden können. Dies gilt auch für die Frage, was noch zulässige Kritik ist (RIS-Justiz RS0031832).

Textnummer

E94969

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00162.10G.0901.000

Im RIS seit

29.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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