Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH in Villach, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, wegen 66.141,04 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 22. April 2010, GZ 2 R 60/10s-40, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 30. Dezember 2009, GZ 6 C 113/09p-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Bis Mai 2007 war der Kläger Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH; Minderheitsgesellschafterin war C***** S*****.
Mit schriftlichem Mietvertrag vom 13. Februar 2002 vermietete der Kläger die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft EZ ***** GB ***** samt dem darauf befindlichen Gebäude ab 1. Februar 2002 an die beklagte Partei auf unbestimmte Zeit. Der Kläger unterschrieb diesen Mietvertrag einerseits als Vermieter, andererseits als geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der beklagten Partei. Der sich unter Berücksichtigung der vereinbarten Wertsicherung aus dem Mietvertrag ergebende Mietzins betrug von Oktober 2007 bis November 2009 (Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) monatlich 3.097,70 Euro zuzüglich 20 % USt.
Der Kläger brachte sodann seine Gesellschaftsanteile an der beklagten Partei in die S***** Privatstiftung ein, die am 4. Mai 2007 ins Firmenbuch eingetragen wurde.
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 5. Juli 2007 übertrug die S***** Privatstiftung ihre Gesellschaftsanteile an DI H***** K*****, DI N***** H***** und die H*****-Holding GmbH; C***** S***** verkaufte ihre Gesellschaftsanteile an DI H*****.
Die klagende Partei begehrt die offenen Bestandszinse für den Zeitraum Oktober 2007 bis Februar 2009 sowie die Grundsteuer in Höhe von 1.471,05 EUR.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung. Im Mietvertrag sei ein unangemessen hoher Mietzins festgelegt worden. Dieser halte einem Drittvergleich nicht stand. Im Zuge einer Großbetriebsprüfung sei der angemessene Mietzins ursprünglich mit netto 1.256,30 EUR festgelegt worden. Daraus resultiere eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Kläger von 18.524,40 EUR pa. Im Laufe der Großbetriebsprüfung sei der angemessene Mietzins jedoch immer weiter nach unten herabgesetzt worden.
Das Erstgericht gab der Klage - abgesehen von einem Zinsenmehrbegehren - statt. Das MRG sei nicht anwendbar, weil es sich um ein Ein-Objekt-Haus handle. § 16 MRG sei daher nicht anzuwenden. Im Übrigen zeige schon der Umstand, dass drei Monate lang der volle Mietzinsbetrag bezahlt worden sei, dass die Parteien ursprünglich den Mietzins als angemessen angesehen hätten. Das Betriebsprüfungsverfahren sei noch nicht rechtskräftig beendet und binde zudem das Gerichtsverfahren nicht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verneinte mit eingehender Begründung das Vorliegen eines Scheingeschäfts, von Wucher und von Irrtum. Zur Einlagenrückgewähr erwog das Berufungsgericht, Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr seien die Gesellschaft und die Gesellschafter. § 83 Abs 1 GmbHG räume der Gesellschaft einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter ein. Im vorliegenden Fall berufe sich die beklagte Partei nicht auf eine Nichtigkeit des Mietvertrags, sondern wolle nur die über den ihrer Ansicht nach angemessenen Mietzins hinausgehenden Beträge nicht bezahlen. Das ABGB kenne keinen Mietzinsminderungsanspruch aus dem Titel der Einlagenrückgewähr. Der Anspruch der beklagten GmbH aus dem besonderen Rechtsgrund der Einlagenrückgewähr wäre vielmehr dem Mietzinsanspruch des klagenden Vermieters als Gegenforderung entgegenzusetzen, was im vorliegenden Fall wegen des Aufrechnungsverbots im Mietvertrag nicht möglich sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Mieterin eines Bestandobjekts gegen die Mietzinsklage ihres ehemaligen geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters als Vermieter den Anspruch auf Einlagenrückgewähr gemäß § 82 Abs 1, § 83 Abs 1 GmbHG als Mietzinsminderungsanspruch einwenden könne.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1.1. Die Kapitalerhaltungsvorschriften sollen nach ihrem Sinn und Zweck jede unmittelbare oder mittelbare Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Vermögen der Gesellschaft verringert (RIS-Justiz RS0105518, RS0105532).
1.2. Demnach verstoßen schuldrechtliche Austauschbeziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter, bei denen das von der Gesellschaft zugesagte Entgelt übermäßig hoch ist, gegen das Verbot des § 82 GmbHG (vgl Böhler, Nichtigkeit des Geschäfts bei verdeckter Einlagenrückgewähr?, ÖBA 2004, 433). Der Zweck der Bestimmung gebietet es, den Kreis auch auf ehemalige Gesellschafter auszudehnen, sofern die Leistung im Hinblick auf die ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird (Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 52 Rz 30; Bauer/Zehetner in Straube, GmbHG § 82 Rz 78).
1.3. Nach herrschender Rechtsprechung zieht ein Verstoß gegen § 82 GmbHG Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich (Ch. Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 4/425 mwN). Zur in der Literatur unterschiedlich beantworteten Frage der Gesamt- oder Teilnichtigkeit (vgl U. Torggler/H. Torggler, Verdeckte Einlagenrückgewähr durch Umsatzgeschäfte: Wertausgleich und Nichtigkeit, GBU 2008/02/07; Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion bei verdeckten Gewinnausschüttungen, ecolex 2008, 47; Böhler, ÖBA 2004, 433 ff) hat der 7. Senat zuletzt in der Entscheidung 7 Ob 248/08h ausgesprochen, dass es vom hypothetischen Parteiwillen abhängt, ob der Vertrag teilweise aufrecht bleibt oder nicht.
1.4. Die aus einem Verstoß gegen § 82 GmbHG resultierende Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen, wenn Anzeichen für einen derartigen Verstoß vorliegen (RIS-Justiz RS0117033). Im Übrigen hat die beklagte Partei - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - ohnedies ausdrücklich (Teil-)Nichtigkeit des Mietvertrags vom 5. 7. 2007 wegen Verletzung des Verbots der verdeckten Einlagenrückgewähr eingewendet.
2.1. Die Nichtigkeit wirkt ex tunc (RIS-Justiz RS0038454). Daher ist für die Beurteilung der Nichtigkeit des Mietvertrags auf den Abschlusszeitpunkt abzustellen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags war der Kläger aber jedenfalls noch Gesellschafter der beklagten Partei. Daher ist im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu prüfen, ob ein unangemessener Mietzins und daher eine verbotene Einlagenrückgewähr vorlag. Falls diese Prüfung einen Verstoß gegen § 82 GmbHG ergibt, wäre der Mietvertrag im Umfang der Überschreitung des angemessenen Mietzinses teilnichtig. Damit würde es dem Kläger aber schon an einer Anspruchsgrundlage für die Einhebung der von ihm eingeforderten Mietzinse, soweit diese die Angemessenheitsgrenze überschreiten, fehlen.
2.2. Der spätere Wechsel von Gesellschaftern hat keinen Einfluss auf den zwischen dem Kläger und der beklagten Partei abgeschlossenen Mietvertrag (vgl auch § 12a Abs 3 MRG). Daher fehlt auch für den Einwand, nach dem Wechsel der Gesellschafter sei ein neuer Mietvertrag zustande gekommen, jede Grundlage. Für einen konkludenten Abschluss eines neuen Mietvertrags besteht nach den Feststellungen kein Raum (vgl RIS-Justiz RS0014424). Auch eine Konvalidierung des seinerzeit nichtigen Mietvertrags wegen nachträglichen Verlusts der Gesellschafterstellung des Klägers kommt nicht in Betracht, zumal das Verbot der Einlagenrückgewähr auch ehemalige Gesellschafter erfasst, sofern die Leistung im Hinblick auf die ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird (Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 52 Rz 30; Bauer/Zehetner in Straube, GmbHG § 82 Rz 78).
3. Der Geltendmachung von aus einem Verstoß gegen § 82 GmbHG resultierenden Ansprüchen im Wege der Aufrechnung bedarf es entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht. Vielmehr mindert der Verstoß gegen § 82 GmbHG gegebenenfalls bereits den Anspruch des Klägers. Daher steht das vertragliche Aufrechnungsverbot der Wahrnehmung der Kapitalerhaltungsgrundsätze des § 82 GmbHG im vorliegenden Fall nicht entgegen. Im Übrigen würde die Vereinbarung der Beschränkung der Aufrechnung allfälliger Rückforderungsansprüche wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften gegen das Verbot des § 63 Abs 3 Satz 2 GmbHG verstoßen.
4. Auf die Ausführungen der Revisionsbeantwortung zu § 1096 ABGB ist nicht weiter einzugehen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage, ob die Brauchbarkeit des Bestandobjekts beeinträchtigt ist, sondern ob dem vereinbarten Mietzins eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht oder ein unangemessenes Leistungsverhältnis vorliegt, das eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellt.
5. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Einen Verstoß gegen § 182a ZPO erblickt die Revisionswerberin darin, dass sie durch die Auffassung des Erstgerichts, auf das vorliegende Bestandverhältnis sei das MRG nicht anwendbar, überrascht worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht das Vorliegen eines diesbezüglichen Verfahrensmangels zumindest implizit verneint hat, sodass dem Obersten Gerichtshof ein (neuerliches) Eingehen auf das Vorliegen eines Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens verwehrt ist (RIS-Justiz RS0042963). Im Übrigen waren die für die Anwendbarkeit des MRG maßgeblichen Tatumstände Gegenstand eines umfangreichen Beweisverfahrens, in dessen Rahmen von den Parteien auch Beweisanträge gestellt wurden. Damit konnte dem Kläger aber nicht verborgen geblieben sein, dass das Erstgericht die Anwendbarkeit des MRG für entscheidungswesentlich ansah. Hingegen war das Erstgericht keineswegs gehalten, seine Rechtsansicht vor der Entscheidung kundzutun (RIS-Justiz RS0122749). Zudem hat das Berufungsgericht die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts ausdrücklich übernommen und dargelegt, warum die Aussagen der beiden Geschäftsführer sowie des Klägers über die Darstellung der örtlichen Verhältnisse ausreichten, (US 12). Auf Basis der Feststellungen des Erstgerichts konnte das Berufungsgericht aber die Anwendbarkeit des MRG einwandfrei beurteilen.
6. Damit sind aber wesentliche Umstände bisher nicht ausreichend geprüft worden, sodass spruchgemäß mit Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen vorzugehen war. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Feststellungen zur Angemessenheit des Mietzinses zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags zu treffen haben. Die Feststellungen im Rahmen der Großbetriebsprüfung können den - in diesem Verfahren keine Parteistellung genießenden - Kläger naturgemäß nicht binden, sondern höchstens eine gewisse Indizwirkung entfalten.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E94968European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00132.10W.0901.000Im RIS seit
29.09.2010Zuletzt aktualisiert am
17.04.2019