Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei M***** KEG, *****, vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 13. April 2010, GZ 3 R 83/10v-11, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 7. Jänner 2010, GZ 2 C 854/09y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Beklagten abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob infolge Einwilligung des Bestandgebers einer Liegenschaft zur Errichtung eines Superädifikats durch den Bestandnehmer auf der Liegenschaft und zum Abbruch dieses Gebäudes sowie Errichtung eines neuen Gebäudes das Kriterium der mangelnden Belassungsabsicht nach § 435 ABGB jegliche Bedeutung verliere.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (in der Folge: Bestandnehmerin) nahm im Jahr 1981 von den Rechtsvorgängern der Beklagten (in der Folge: Bestandgeberinnen) zwei Liegenschaften zur Errichtung und zum Betrieb eines Büros, Lagers und Betriebsgebäudes in Bestand, wobei die Bestandnehmerin berechtigt sein sollte, diese Anlage sowie alle Geschäftszweige, die üblicherweise mit dem Betrieb eines solchen Gebäudes verbunden sind, zu betreiben und die hiezu erforderlichen Arbeiten und Bauführungen sowohl über als auch unter der Erde vorzunehmen; die Bestandnehmerin war weiters berechtigt, die in Bestand genommenen Liegenschaften für jeden im Gegenstand ihres Unternehmens genannten Zweck zu benutzen und all ihre Rechte an einen Dritten weiter zu geben. Die von der Bestandnehmerin errichteten Anlagen und Baulichkeiten sollten im alleinigen und unbeschränkten Eigentum der Bestandnehmerin bleiben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gingen dabei auch die Bestandgeberinnen davon aus, dass die Bestandliegenschaften für jegliche gewerbliche Zwecke genützt werden können, wobei sie zudem keinen Einwand gegen den Abriss und die Neuerrichtung von Gebäuden auf den Liegenschaften hatten.
Die Vorinstanzen stellten demgemäß gegenüber der Beklagten fest, dass die beiden Liegenschaften und Gebäude, welche auf diesen bereits errichtet sind oder noch errichtet werden, von der Klägerin als Bestandnehmerin der Liegenschaften während der Dauer des Bestandverhältnisses für Zwecke eines Lagers, für Bürozwecke, für Zwecke einer PKW-Garage, für Parkzwecke ohne Gebäude und für Zwecke eines Restaurants beziehungsweise Gaststättenbetriebs verwendet werden können.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beklagte wendet sich in ihrer Revision gegen diese Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen, übersieht dabei jedoch, dass eine solche eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Rechtsfrage darstellt, der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRsp, etwa 4 Ob 232/01y). Im Übrigen haben sich die Vorinstanzen bei den wiedergegebenen Feststellungen nicht nur auf den schriftlichen Bestandvertrag, sondern auch auf Aussagen damals beteiligter Personen gestützt, sodass die Vertragsauslegung hier keine reine Rechtsfrage darstellt und damit der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist.
2. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision - und darauf bezieht sich auch die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage -, ihren Rechtsvorgängerinnen sei es bei Abschluss des Bestandvertrags darauf angekommen, dass sie diesen nach 30 Jahren „zufolge Fehlens eines Kündigungsschutzes kündigen können“; aufgrund des „im Geltungsbereich des MRG entstandenen Kündigungsschutzes für Superädifikate“ habe die Beklagte jedoch keine Möglichkeit mehr, die Liegenschaft zurück zu bekommen, wenn es im Belieben der Klägerin als Bestandnehmerin steht, neue Gebäude zu errichten, welche dann wieder eine jahrzehntelange Lebensdauer aufwiesen.
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0069261) unterliegt zwar den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes auch ein Bestandvertrag über eine Liegenschaft, auf der sich ein mit Zustimmung des Liegenschaftseigentümers errichtetes Superädifikat befindet, das nach dem Willen der vertragschließenden Parteien der dauernden Wohnraumversorgung oder der geschäftlichen Betätigung des Bestandnehmers dienen soll. Der Oberste Gerichtshof begründete diese Auffassung unter anderem damit, dass der Bestandnehmer der Liegenschaft, auf der mit Zustimmung des Bestandgebers ein Bauwerk zu Wohn- oder Geschäftszwecken errichtet wurde, bei Wegfall des Kündigungsschutzes nicht nur den Verlust der in Bestand genommenen Fläche, sondern auch noch zu befürchten hätte, dass er das von ihm errichtete Bauwerk abtragen müsste (4 Ob 533/91 wobl 1992, 13 [Würth]).
2.2. Mit ihrer Argumentation, dieser Kündigungsschutz für Superädifikate sei erst im Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes entstanden (was bei der Vertragsauslegung zu Gunsten ihrer Rechtsvorgängerinnen von ausschlaggebender Bedeutung sei, beabsichtigten diese doch eine Beendigung des an sich unbefristeten Bestandverhältnisses nach 30 Jahren), übersieht die Beklagte jedoch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Mietengesetz. Danach handelte es sich um Geschäftsräume im Sinn von dessen § 1 Abs 1, wenn einem Mieter eine Grundfläche zur Benützung für geschäftliche Zwecke in Bestand gegeben wurde, wobei es gleichgültig war, ob der Mieter das Grundstück unmittelbar im Rahmen seines Betriebs etwa als Lagerplatz benützte oder ob er darauf eine Baulichkeit errichtete, um sich in dieser geschäftlich zu betätigen (RIS-Justiz RS0066855). Das galt auch für die Vermietung einer Liegenschaft zur Errichtung eines geschäftlich genutzten Superädifikats (6 Ob 517/85). Seine Rechtsprechung zu § 1 MRG begründete der Oberste Gerichtshof daher auch damit, es bestünden „keine zureichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Fall der Grundstücksmiete mit Geschäftsraum-Superädifikat nicht (mehr) in den Bereich der analogen Anwendung des § 1 MRG fallen sollte“ (6 Ob 517/85).
2.3. Da sich somit in der Frage des Kündigungsschutzes bei einer Liegenschaftsmiete mit Geschäftsraum-Superädifikat durch das erst nach Abschluss des Bestandvertrags in Kraft getretene Mietrechtsgesetz keine Änderungen ergaben, vermag dieser Umstand eine andere Vertragsauslegung nicht zu begründen.
2.4. Soweit die Beklagte ganz grundsätzliche Bedenken gegen die Möglichkeit des Abbruchs und der Neuerrichtung von Superädifikaten im Rahmen eines Bestandvertrags hat, ist dafür im gegenständlichen Feststellungsprozess kein Platz. Ihre Rechtsvorgängerinnen haben - bei insoweit unveränderter Rechtslage - ihrer damaligen Vertragspartnerin und deren Rechtsnachfolgern entsprechende Rechte eingeräumt. Ob derart errichtete Gebäude dann tatsächlich als Superädifikate gemäß § 435 ABGB zu qualifizieren sind beziehungsweise sein werden, hat damit jedoch nichts zu tun.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Schlagworte
Streitiges WohnrechtTextnummer
E95103European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00151.10I.0901.000Im RIS seit
14.10.2010Zuletzt aktualisiert am
26.11.2012