TE OGH 2010/9/1 6Ob164/10a

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Veröffentlicht am 01.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** H*****, vertreten durch Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei G***** F*****, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. April 2010, GZ 42 R 563/09v-87, mit dem die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Juli 2009, GZ 3 C 33/08s-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der klagenden und gefährdeten Partei die mit 447,98 EUR (davon 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer iSd § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage kann sich gemäß dem im Revisionsrekursverfahren analog anwendbaren § 510 Abs 3 ZPO (iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin ist ägyptische Staatsangehörige, der Beklagte ist österreichischer Staatsbürger. Die Streitteile haben am 19. 5. 2005 in Ägypten geheiratet. Der aufrechten Ehe entstammt ein am 24. 5. 2006 geborener Sohn, der österreichischer Staatsbürger ist.

Der Beklagte lebte bereits lange Zeit vor der Eheschließung in Österreich, seit 2001 in der späteren Ehewohnung in Wien. Die Klägerin kam kurz nach der Heirat im Jahr 2005 nach Österreich und zog in die Wohnung des Beklagten. Dieser war beruflich sehr oft über längere Zeiträume im Ausland. Zu Beginn der Ehe war er immer wieder in Deutschland. Die Klägerin begleitete ihn auch oft dorthin. Sie wohnten auch in Deutschland. Im Jahr 2007 hielt er sich beruflich häufig in Rumänien für einen Zeitraum von jeweils 20 Tagen auf. Zwischendurch verbrachte er wieder einige Tage in Wien. Die Klägerin führte den gemeinsamen Haushalt.

Im September 2007 flog die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn nach Ägypten. Der Beklagte, der noch arbeiten musste, sollte nachkommen. Am Flughafen in Wien nahm der Beklagte der Klägerin ihre Schlüsselgarnitur für die Ehewohnung ab, weil er sie einem Freund übergeben wollte, damit sich dieser um die Wohnung kümmern könne.

In Ägypten wohnte die Klägerin nicht in der Wohnung des Beklagten im Haus seiner Familie, sondern im Haus ihrer Familie. Am 2. 1. 2008 kam der Beklagte nach Ägypten und wohnte im Haus seiner Familie. Die Klägerin lehnte es ab, mit dem Sohn zu ihm zu ziehen. Sie wollte, dass der Beklagte zu ihr ins Haus ihrer Eltern komme. Der Beklagte verweigerte dies. Ende Jänner 2008 kehrte die Klägerin mit ihrem Sohn nach Wien zurück. Auch der Beklagte kehrte nach Wien zurück. Da die Klägerin keinen Schlüssel zur Ehewohnung mehr hatte und auch der Freund ihres Mannes keinen Schlüssel für die Ehewohnung hatte, zog sie in eine Einrichtung eines Vereins. Im März 2008 holte sie unter Polizeibegleitung ihre Sachen aus der Ehewohnung. Der Beklagte war anwesend.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung einstweiligen Unterhalts. Es wendete nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG österreichisches Recht an.

Das vom Beklagten angerufene Rekursgericht teilte diese Auffassung und bestätigte den angefochtenen Beschluss. Nachträglich ließ es den Revisionsrekurs zu. Nach dem bescheinigten Sachverhalt sei die Klägerin Ägypterin, der Beklagte - mittlerweile - Österreicher. Damit verweise § 18 Abs 1 Z 1 zweiter Fall IPRG in das materielle ägyptische Recht. Dieses nehme die Verweisung an. Da das Rekursgericht an § 18 Abs 1 Z 2 IPRG angeknüpft habe, habe es sich in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

§ 18 IPRG regelt das auf die „persönlichen Rechtswirkungen der Ehe“ anzuwendende Recht. In den Anwendungsbereich der Bestimmung fällt insbesondere die Frage der Unterhaltsberechtigung während aufrechter Ehe (RIS-Justiz RS0106167). Nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG ist primär an das gemeinsame Personalstatut anzuknüpfen. Ein gemeinsames Personalstatut besteht nicht, weil die Klägerin Ägypterin ist, der Beklagte aber Österreicher.

Mangels eines gemeinsamen Personalstatut der Streitteile ist gemäß § 18 Abs 1 Z 1 zweiter Fall subsidiär das letzte gemeinsame Personalstatut der Ehegatten berufen, sofern es einer von ihnen beibehalten hat. Das gemeinsame Personalstatut muss während der Ehe bestanden haben und der Ehegatte muss es beibehalten (dh nicht zwischenzeitlich verloren) haben (EB RV 784 BlgNR 14. GP 33; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht 65 [FN 39]). Es gibt weder im Vorbringen des Beklagten in erster Instanz und in den Rechtsmitteln noch sonst im Akt einen Anhaltspunkt dafür, dass der schon lange Zeit vor der Eheschließung in Österreich lebende Beklagte im Zeitpunkt der Eheschließung nicht österreichischer Staatsbürger war. Er meint zur Anwendbarkeit ägyptischen Rechts bloß, die Schwierigkeiten in der Ehe seien vor allem in Ägypten aufgetreten. Es könne nicht angehen, dass ihm das österreichische Gericht eine Eheverfehlung nach österreichischem Recht vorwerfe, wenn „diese Eheverfehlung nach ägyptischem Recht in Ägypten von der ägyptischen Staatsbürgerin, nämlich der gefährdeten Partei, gesetzt wurde“.

Da die Streitteile auch kein gemeinsames Personalstatut hatten, ist gemäß § 18 Abs 1 Z 2 IPRG das Recht jenes Staats, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat, anzuwenden. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im streitrelevanten Zeitraum haben die Ehegatten unstrittig in Österreich, sodass österreichisches Sachrecht anzuwenden ist, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt kein Verhalten setzte, das zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führte oder dessen Geltendmachung rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe, ist zutreffend.

Der gefährdeten Partei sind die wegen der Geltendmachung einer unzulässigen Verfahrenshandlung des Antragsgegners - so etwa wie hier durch einen Hinweis auf die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels - entstandenen Kosten gemäß § 41 und § 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO bereits im Sicherungsverfahren zuzuerkennen (1 Ob 173/06g; RIS-Justiz RS0005677).

Schlagworte

Gruppe: Internationales Privatrecht und Zivilverfahrensrecht,Unterhaltsrecht

Textnummer

E94935

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00164.10A.0901.000

Im RIS seit

27.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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