TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/30 2000/18/0002

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Veröffentlicht am 30.01.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §37;
StVO 1960 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des H G in Attnang-Puchheim, geboren am 6. April 1953, vertreten durch Dr. Heinz Häupl, Rechtsanwalt in 4865 Nussdorf, Stockwinkl 18, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. November 1999, Zl. St 197/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 8. November 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Februar 1992 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und habe sich als Kriegsvertriebener deklariert. Am 14. Mai 1992 sei ihm entsprechend völkerrechtlicher Gepflogenheit ein bis 31. Jänner 1993 gültiger Sichtvermerk erteilt worden. In der Folge sei mehrmals das Aufenthaltsrecht gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz in seinem Reisepass dokumentiert worden.

Am 4. März 1995 habe der Beschwerdeführer einen PKW in alkoholisiertem Zustand auf öffentlichen Straßen gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet. Er sei ohne auf den Querverkehr zu achten in die Bundesstraße 1 eingebogen. In der Folge habe er die Durchführung einer Atemluftuntersuchung verweigert. Auf Grund dieses Vorfalles sei er am 4. Juli 1995 wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft worden. Mit Bescheid vom 8. März 1995 sei ihm die Lenkerberechtigung für die Dauer von fünf Monaten rechtskräftig entzogen worden.

Am 2. Mai 1995 sei dem Beschwerdeführer antragsgemäß eine "reguläre Bewilligung" nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden. Mit gleichem Datum sei ihm jedoch niederschriftlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall weiterer Straffälligkeit angedroht worden.

Am 22. September 1996 habe der Beschwerdeführer erneut in vermutlich alkoholisiertem Zustand seinen PKW gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet. In der Folge habe er die Durchführung einer Atemluftkontrolle verweigert und an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt. Auf Grund dieses Vorfalles sei er am 24. November 1996 wegen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO sowie wegen Übertretung von § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. rechtskräftig bestraft worden. Mit Bescheid vom 11. Oktober 1996 sei ihm die Lenkerberechtigung erneut für zwölf Monate rechtskräftig entzogen worden.

Am 24. November 1997 sei dem Beschwerdeführer - nach dessen Zusagen, sich in Zukunft an die Rechtsordnung seines Gastlandes, insbesondere an die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, zu halten - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall der Begehung weiterer schwer wiegender Verwaltungsübertretungen angedroht worden. Daraufhin seien ihm eine weitere Aufenthaltsbewilligung und im Anschluss daran eine bis 10. November 1999 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am 24. Jänner 1999 habe der Beschwerdeführer erneut in alkoholisiertem Zustand einen PKW auf öffentlichen Straßen gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden und schwerem Sachschaden verschuldet. Auch im Anschluss an diesen Unfall habe er die Durchführung eines Alkotests verweigert. Bei diesem Vorfall seien drei Personen, die sich nur durch einen raschen Sprung zur Seite vor dem Überfahrenwerden retten hätten können, in ihrer körperlichen Sicherheit gefährdet worden. Eine im PKW des Beschwerdeführers mitfahrende Frau sei erheblich verletzt worden (u.a. Schnittverletzungen durch Glassplitter im Augenbereich). Ein vorschriftsmäßig abgestellter LKW sei durch die Wucht des Aufpralles gegen eine Hausmauer geschleudert worden. Dabei sei dessen Front total beschädigt und der Rahmenaufbau verzogen und gestaucht worden. Weiters sei ein Streugutbehälter des Magistrats der Stadt Linz zertrümmert worden. Auf Grund dieses Vorfalles sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Bezirksgerichts Linz vom 19. Mai 1999 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z. 2) StGB rechtskräftig verurteilt worden. Am 12. Juli 1999 sei er wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft worden. Am 17. Februar 1999 sei ihm die Lenkerberechtigung für die Dauer von siebzehn Monaten rechtskräftig entzogen worden.

Auf Grund der rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers nach § 99 iVm § 5 StVO müsse "wohl auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG als erfüllt angenommen" werden. Das Aufenthaltsverbot hätte demnach von der Erstbehörde auch auf diese Bestimmung gestützt werden können.

Verwaltungsübertretungen nach den §§ 4 und 5 StVO zählten zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen überhaupt. Angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschiebende Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer halte sich bereits seit 1992 im Bundesgebiet auf. Es sei ihm eine der Dauer dieses Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen, dies sicherlich auch in beruflicher Hinsicht, was sich aus der Bestätigung des Arbeitgebers, wonach der Beschwerdeführer auf Grund seiner besonderen Fähigkeiten für den Betrieb sehr wichtig sei, ergebe.

Die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende Gefahr könne nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies gelte für den Beschwerdeführer umso mehr, als er doch bereits mehrmals in einem derartigen Zustand Verkehrsunfälle verursacht habe und nicht auszuschließen sei, dass noch größerer Schaden entstehe. Am schwersten sei jedoch zu gewichten, dass der Beschwerdeführer von der Fremdenpolizeibehörde bereits zweimal entsprechend niederschriftlich ermahnt und darauf hingewiesen worden sei, dass er bei Begehung weiterer Delikte mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu rechnen habe. Der Beschwerdeführer habe sich weder durch die Bestrafungen noch durch diese Ermahnungen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen. Die Ansicht der Erstbehörde, der Beschwerdeführer wiese ein "erschreckendes Maß an Ignoranz und Gleichgültigkeit" gegenüber den nicht hoch genug zu veranschlagenden Sicherheitsinteressen der Straßenverkehrsteilnehmer auf, könne daher als besonders treffend bezeichnet werden. Dem Beschwerdeführer sei offensichtlich die Tragweite seines verantwortungslosen Handelns vollkommen egal, er nehme auch in Kauf, dass dadurch andere zu Schaden kämen. Aus diesen Gründen sei das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Da unter Abwägung aller angeführten Umstände im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Prognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Den Lebensunterhalt für seine nicht in Österreich lebende Familie könne der Beschwerdeführer auch vom Ausland aus erbringen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, in der von der belangten Behörde festgestellten Weise bestraft und verurteilt worden zu sein. Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei bei dem Unfall vom 24. Jänner 1999 nicht alkoholisiert gewesen, steht die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung gemäß § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z. 2) StGB wegen dieses Vorfalles entgegen. Damit steht nämlich bindend fest (vgl. zum Umfang der Bindung eines rechtskräftigen Schuldspruches das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwN), dass sich der Beschwerdeführer "vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hatte oder hätte vorhersehen können, dass ihm die Lenkung des KFZ, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war".

Es stellt daher keinen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer zum Beweis für sein Vorbringen, beim Vorfall vom 24. Jänner 1999 nicht betrunken gewesen zu sein, beantragte Zeugin nicht einvernommen hat.

1.2. Die Ansicht der belangten Behörde, das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertigte die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, begegnet keinem Einwand, handelt es sich doch bei den dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Übertretungen nach § 5 StVO im Hinblick auf die von alkoholisierten KFZ-Lenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von großem Gewicht. Die deswegen erfolgten Bestrafungen erfüllten im Übrigen, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat (ohne jedoch im Spruch des angefochtenen Bescheides daraus Konsequenzen zu ziehen), den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und eine dementsprechend gute Integration sowie seine Berufstätigkeit zur Zufriedenheit seines Arbeitgebers berücksichtigt. Ein inländisches Familienleben hat sie dem Beschwerdeführer zu Recht nicht zugute gehalten, befindet sich doch dessen Familie unstrittig nicht in Österreich. Den somit zwar beachtlichen aber doch nicht allzu großen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland steht gegenüber, dass er durch seine insgesamt drei Verstöße gegen § 5 StVO ein Fehlverhalten gesetzt hat, das angesichts der großen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch alkoholisierte Kraftfahrzeuglenker das gewichtige öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr stark beeinträchtigt. Insbesondere fällt zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er sich auch durch mehrfache einschlägige Bestrafungen und auch durch die beiden Androhungen von fremdenpolizeilichen Maßnahmen nicht von gleichartigen Verstößen abhalten ließ. Darüber hinaus ist zu Lasten des Beschwerdeführers zu veranschlagen, dass er bei dem Vorfall vom 22. September 1996 an der Sachverhaltsfeststellung nach dem von ihm verursachten Verkehrsunfall nicht mitgewirkt und bei dem Vorfall vom 24. Jänner 1999 einen Personenschaden verschuldet hat. Angesichts dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Wahrung der öffentlichen Ordnung, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Da die Behörde den Beschwerdeführer aktenkundig mit Schreiben vom 9. März 1999 (zugestellt am 11. März 1999) vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verständigt hat, liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel, die Behörde habe eine derartige Verständigung unterlassen, nicht vor.

Die Unterlassung der persönlichen Einvernahme des Beschwerdeführers stellt keinen Verfahrensmangel dar, weil im Verwaltungsverfahren weder eine Vernehmung des Beschwerdeführers beantragt noch ein Sachverhalt behauptet worden ist, der durch die Einvernahme des Beschwerdeführers hätte bewiesen werden sollen.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180002.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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