TE OGH 2010/9/3 9Ob92/09h

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Veröffentlicht am 03.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Appiano & Kramer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Paul S*****, Koch, ***** (nunmehr: Dr. Eva Wexberg, Rechtsanwältin, Gußhausstraße 23, 1040 Wien, als zu ***** des Handelsgerichts Wien bestellte Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Paul S*****), wegen 18.643,72 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. September 2009, GZ 14 R 146/09g-17, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Juni 2009, GZ 1 Cg 97/09f-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„1. Gemäß §§ 6, 7 KO wird die Fortsetzung des Verfahrens gegen die Masseverwalterin im Umfang des eingeschränkten Klagebegehrens, 'Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 18.643,72 EUR samt 6,9 % Verzugs- und 6,9 % Zinseszinsen seit 1. 4. 2009 zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, dies alles bei sonstiger ausschließlicher Exekution in die verpfändete Liegenschaft EZ *****, GB *****, BG Amstetten, auf welcher für die Klagsforderung unter C-LNr 3a das Pfandrecht einverleibt ist', bewilligt.

2. In diesem Umfang wird die Bezeichnung der beklagten Partei auf 'Dr. Eva Wexberg, Rechtsanwältin, Gußhausstraße 23, 1040 Wien, als Masseverwalterin im zu ***** des Handelsgerichts Wien über das Vermögen des Paul S***** eröffneten Konkurs' richtiggestellt.

3. Der Zahlungsbefehl des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Juni 2009, 1 Cg 97/09f-5, ist der Masseverwalterin zuzustellen.

Das Mehrbegehren, den schon erlassenen Zahlungsbefehl mit dem Vermerk der berichtigten Prozesskosten zu versehen, wird abgewiesen.“

Die Kosten des Fortsetzungsantrags und des darüber abgeführten Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit ihrer Klage vom 22. 4. 2009 begehrte die Klägerin die Erlassung eines Zahlungsbefehls mit dem Inhalt, dem Beklagten Paul S***** aufzutragen, den Betrag von 18.643,72 EUR samt 6,9 % Verzugs- und 6,9 % Zinseszinsen seit 1. 4. 2009 zu zahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, beides binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, insbesondere auch auf die verpfändete Liegenschaft EZ ***** GB ***** BG Amstetten, auf welcher für die Klagsforderung unter C-LNr 3a das Pfandrecht einverleibt ist. Die Mahnklage wurde vom zunächst angerufenen Landesgericht St. Pölten an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen überwiesen. Mit Beschluss vom 5. 6. 2009, *****, eröffnete das Handelsgericht Wien das Konkursverfahren über das Vermögen des Paul S*****, zum Masseverwalter wurde Dr. Eva Wexberg, Rechtsanwältin in Wien, bestellt. Die Anmeldungsfrist endete am 13. 8. 2009, die Prüfungstagsatzung wurde für den 27. 8. 2009 angesetzt.

In Unkenntnis dieser Konkurseröffnung erließ das Erstgericht am 9. 6. 2009 den beantragten Zahlungsbefehl (ON 5). Dieser wurde nur den Klagevertretern und dem Gemeinschuldner persönlich zugestellt. Nachdem das Erstgericht von der Konkurseröffnung Kenntnis erlangt hatte, erließ es am 17. 6. 2009 (ON 10) folgenden Beschluss: „Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5. 6. 2009, *****, veröffentlicht am 5. 6. 2009, wurde über das Vermögen der beklagten Partei der Konkurs eröffnet. Die Beteiligten werden verständigt, dass daher der bedingte Zahlungsbefehl vom 9. 6. 2009 nicht in Rechtskraft erwachsen kann (§ 7 KO). Das Verfahren wird nur auf Parteienantrag fortgesetzt (§ 7 Abs 2 KO).“

Am 18. 6. 2009 brachte die Klägerin einen Schriftsatz ein, mit welchem sie die Klage dahin einschränkte, dass der Beklagte nur bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ ***** GB ***** BG Amstetten zur Zahlung verpflichtet sei, beantragte gleichzeitig die Richtigstellung der Bezeichnung des Beklagten auf die Masseverwalterin, gemäß §§ 6, 7 KO die Fortsetzung des Verfahrens im Umfang der Einschränkung des Klagebegehrens auf die Sachhaftung und die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls „versehen mit dem Vermerk der berichtigten Prozesskosten“ sowie die Beklagte für schuldig zu erkennen, die Kosten des Fortsetzungsantrags jedoch ausschließlich bei Exekution in die Sondermasse (Liegenschaft) zu ersetzen; in eventu, soferne das Gericht die Rechtsauffassung vertrete, dass das Mahnverfahren nicht zulässig sei, die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls an die Masseverwalterin sowie die Einleitung des ordentlichen Verfahrens und die Zustellung der Klage mit dem Auftrag zur Beantwortung derselben.

Das Erstgericht wies 1. den Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung der beklagten Partei und 2. den Fortsetzungsantrag ab sowie 3. die Klageeinschränkung zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die von der Klägerin begehrte Teilfortsetzung nur hinsichtlich der Sachhaftung des Gemeinschuldners nicht möglich sei, weil der sowohl auf die Personal- als auch die Sachhaftung gestützte Zahlungsbefehl mangels Einspruchserhebung nach wie vor nicht außer Kraft getreten sei. Eine Sachdisposition in Form einer Klageeinschränkung sei aufgrund der Unterbrechungswirkung der Konkurseröffnung ebenso wenig möglich wie eine Berichtigung der Parteibezeichnung.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar könnten Absonderungsstreitigkeiten auch nach Konkurseröffnung gegen den Masseverwalter fortgesetzt und aufgenommen werden. Dies sei auch dann möglich, wenn eine Schuldnerklage das für eine Hypothekarklage maßgebende Vorbringen enthalte und der Schuldner sowohl Personal- als auch Pfandschuldner sei (6 Ob 1/03w). Im vorliegenden Fall sei jedoch bereits ein Zahlungsbefehl ergangen, der funktionell Urteilswirkung habe. Einen solchen, unzulässigerweise nach Konkurseröffnung erlassenen Zahlungsbefehl könne der Masseverwalter bekämpfen. Im Übrigen sei die Pfandklage gegenüber der Schuldnerklage kein Minus, sondern ein Aliud (2 Ob 276/03g; 1 Ob 64/04z). Daraus folge, dass eine Klagseinschränkung oder Klagsänderung nach Erlassung eines Zahlungsbefehls und vor Erhebung eines Einspruchs prozessual genauso wenig möglich sei wie die neuerliche Zustellung der Klage mit dem Auftrag zur Klagebeantwortung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihrem Antrag zur Gänze stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.

Der Revisionsrekurs ist, obwohl Konformatsentscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, nicht jedenfalls unzulässig, da gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jene Beschlüsse von der Unanfechtbarkeit ausgenommen sind, durch die eine Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag verweigert wird. Dies ist auch bei der Bestätigung der Abweisung eines Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens der Fall (RIS-Justiz RS0105321; RS0103702).

              Die Berichtigung einer Parteibezeichnung ist auch noch nach Zustellung eines Zahlungsbefehls zulässig (RIS-Justiz RS0039372). Die Parteibezeichnung einer entgegen § 6 Abs 1 KO gegen den Gemeinschuldner eingebrachten Klage ist auf den Masseverwalter zu berichtigen, wenn ein nicht der Anmeldung unterliegendes Recht Klagsgegenstand ist (RIS-Justiz RS0116521). Nichts anderes kann für den Fall der Fortsetzung eines solchen Verfahrens gelten.

              Werden mit einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, die nur zum Teil der Anmeldung im Konkurs unterliegen, anerkennt die Rechtsprechung eine „Teilfortsetzung“ hinsichtlich der nicht einer Anmeldung unterliegenden Ansprüche gegenüber dem Masseverwalter (RIS-Justiz RS0064071). Es ist daher auch möglich, im Fall einer allgemein gefassten Schuldnerklage, die auch das für eine Hypothekarklage maßgebende Vorbringen enthält und bei der der Schuldner sowohl Personalschuldner als auch Pfandschuldner ist, das Verfahren nach Konkurseröffnung mit entsprechender Einschränkung des Befriedigungsanspruchs fortzusetzen (6 Ob 1/03w).

              Ist die Klage nach ihrem Streitgegenstand als Schuld- und Pfandrechtsklage zu qualifizieren und wird ausschließlich die Zahlung eines 30.000 EUR nicht übersteigenden Geldbetrags begehrt, ist das Mahnverfahren obligatorisch (10 Ob 26/03a). Auch in diesem Fall können die beiden gemeinsam gestellten Begehren ein jeweils unterschiedliches Schicksal haben, wie sich zwanglos aus § 249 Abs 1 ZPO ergibt, der ausdrücklich ermöglicht, den Einspruch nur gegen einen Teil des Klagebegehrens zu richten (siehe dazu auch Kodek in Fasching/Konecny2 III § 249 ZPO Rz 6; Fucik in Rechberger3 § 249 Rz 3).

              War die Einbringung einer auf beide Haftungsgründe gestützten Mahnklage zulässig, kann es bei der Teilfortsetzung nicht mehr darauf ankommen, ob für die Pfandklage allein das Mahnverfahren unzulässig gewesen wäre, weil ebenso wenig, wie die einmal begründete Zuständigkeit durch eine Klagsänderung durchbrochen wird (RIS-Justiz RS0046756 ua), die Trennung der Ansprüche die ursprüngliche Zulässigkeit der Klage nachträglich beseitigen kann. Die Frage der Zulässigkeit des Mahnverfahrens für die ausschließliche Hypothekarklage muss daher hier nicht abschließend geklärt werden (für die Unzulässigkeit: 2 Ob 276/03g; für die Zulässigkeit die überwiegende Lehre mit gewichtigen Argumenten: Stabentheiner, Zu Einzelfragen des wohnungseigentumsrechtlichen Vorzugspfandrechts, immolex 2000, 116, FN 15; Kodek in Fasching/Konecny2 III § 244 ZPO Rz 43; Winkler, Mahnverfahren und Konkurs, ZIK 2001, 74 f).

Ein dinglicher und persönlicher Gläubiger, dessen Forderung vom Masseverwalter anerkannt und im Anmeldungsverzeichnis vermerkt wurde, wird dadurch nicht gehindert, mittels Hypothekarklage die Realisierung seines Absonderungsrechts zu begehren (RIS-Justiz RS0064840). Da selbst das Forderungsanerkenntnis des Masseverwalters den Absonderungsgläubiger nicht an der Erhebung der Hypothekarklage während des Konkurses hindert, hängt das Rechtsschutzinteresse einer solchen Klage nicht vom Verhalten des Masseverwalters in der Prüfungstagsatzung ab. Warum die Klägerin ihr Absonderungsrecht im Konkurs des Beklagten nur deshalb nicht sofort (ohne Abwarten der Prüfungstagsatzung hinsichtlich der Personalschuld) weiter verfolgen dürfte, weil sie das Begehren in zwangsläufiger Unkenntnis der später erfolgten Konkurseröffnung auf uneingeschränkte Befriedigung gerichtet hat, ist nicht einzusehen. Gegen eine derartige Beschränkung des Rechtsverfolgungsanspruchs spricht die bereits dargestellte Teilbarkeit des ursprünglich die Personal- und Realhaftung umfassenden Begehrens. Ist aber die Fortsetzung des Verfahrens als reine Pfandklage möglich, kann auch die darauf gerichtete Einschränkung des Begehrens nicht der Sachdisposition entzogen werden. Als gesetzliche Folge der §§ 6 Abs 2 und 11 KO (nun: IO) steht der Klagseinschränkung und der Verfahrensfortsetzung auch nicht die durch die Konkurseröffnung bewirkte Prozesssperre entgegen (6 Ob 1/03w).

              Die Überlegungen des Rekursgerichts, dass die Pfandklage gegenüber der persönlichen Klage ein Aliud darstelle (RIS-Justiz RS0011444), können schon deshalb nicht die Abweisung der Anträge der Klägerin begründen, weil es nicht um das Verhältnis beider Begehren zueinander in dem Sinn geht, dass etwa aufgrund einer Hypothekarklage allein nicht zur Zahlung schlechthin verurteilt werden könnte. Die mangelnde Identität von Schuld- und Pfandklage (siehe hiezu 2 Ob 276/03g) stellt sich vielmehr als zusätzliches Argument für die Möglichkeit der Trennung der beiden in einer Klage enthaltenen Ansprüche dar.

              Es kann den Vorinstanzen auch nicht darin beigepflichtet werden, dass der erlassene Zahlungsbefehl einer Teilfortsetzung des Verfahrens im Umfang der Geltendmachung des Absonderungsanspruchs entgegenstehe. Der Zahlungsbefehl ist dem Wesen nach ein Beschluss, funktionell gesehen aber ein Urteilssurrogat (Kodek in Fasching/Konecny2 III § 246 ZPO Rz 1). Ist eine solche Entscheidung mit Nichtigkeit behaftet, ist sie nach herrschender Auffassung zwar anfechtbar, doch kann das Gericht, welches diese Entscheidung gefällt hat, diese Nichtigkeit nicht selbst wahrnehmen. Auch wurde durch die erst nach der Konkurseröffnung erfolgte Zustellung an den Gemeinschuldner keine Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt (RIS-Justiz RS0064067). Der Masseverwalterin wäre es jederzeit möglich, die Nichtigkeit der Entscheidung mittels Einspruchs geltend zu machen (Schubert in Konecny/Schubert Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 34). Allein aus dem Umstand, dass die Masseverwalterin einen solchen Schritt nicht setzt, kann jedoch verfahrensrechtlich nicht eine Verpflichtung der Klägerin abgeleitet werden, den anmeldepflichtigen Teil der Forderung im Konkurs geltend zu machen, um hinsichtlich des nicht konkursverfangenen Teils die Fortsetzung des Zivilverfahrens zu erlangen.

              Die von den Vorinstanzen ins Treffen geführte Bindung an den Zahlungsbefehl liegt zwar - wie dargestellt - vor, sie wird jedoch durch die von der Klägerin gestellten Anträge nicht berührt. Vielmehr geht es ausschließlich um die Fortsetzung des Verfahrens durch Zustellung des Zahlungsbefehls an die Masseverwalterin. Dass die Einschränkung des Klagebegehrens und die Berichtigung der Parteibezeichnung als sich aus dem Gesetz ergebende Folge trotz des eröffneten Konkursverfahrens möglich und zulässig sind, wurde bereits ausgeführt.

              Insoweit war daher dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben, wobei ohne Verstoß gegen § 405 ZPO dem Spruch einen klarere Fassung insoweit zu geben war, als nicht die Klageeinschränkung, sondern die Fortsetzung des Verfahrens im konkreten Umfang der Klageeinschränkung zu bewilligen war.

              Verfehlt ist allerdings das Begehren insoweit, als der bereits erlassene Zahlungsbefehl „mit dem Vermerk der berichtigten Prozesskosten“ versehen werden soll, zumal das Erstgericht an seine Entscheidung gebunden und ihm daher eine Ergänzung seines Beschlusses nicht möglich ist.

Der Vorbehalt hinsichtlich der Kosten des Fortsetzungsantrags und des darüber abgeführten Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E95111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00092.09H.0903.000

Im RIS seit

14.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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