Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Paul Kunsky und Helmut Tomek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian M*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GesmbH, *****, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 5.687,12 EUR brutto abzüglich 247,08 EUR netto sA, über die Revision (Revisionsinteresse 4.150,98 EUR) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 2009, GZ 9 Ra 85/09z-15, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 19. Jänner 2009, GZ 27 Cga 119/08d-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stand vom 2. 8. 2004 bis 1. 2. 2008 in einem Lehrverhältnis zur Beklagten. Die Lehrzeit für den zu erlernenden Beruf des Elektroinstallationstechnikers beträgt 3,5 Jahre. Auf das Lehrverhältnis bzw das daran anschließende Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe anzuwenden. Der Kläger war ein mittelmäßiger Lehrling und Schüler. In der zweiten Fachklasse, nämlich im Schuljahr 2005/2006, hatte er im Jahreszeugnis vom 19. 5. 2006 in den Fächern „Elektrotechnik und Angewandte Mathematik“ sowie „Fachkunde“ jeweils ein Nichtgenügend, obwohl er sieben von neun angebotenen Förderkursstunden in Anspruch genommen hatte. Da er die Nachprüfung im Gegenstand „Fachkunde“ am 19. 6. 2006 nicht positiv bestand, brauchte er zur Prüfung im zweiten Gegenstand nicht mehr anzutreten, weil damit die Klasse jedenfalls zu wiederholen war. Nach Wiederholung der zweiten Fachklasse im Schuljahr 2006/2007 besuchte der Kläger zunächst den ersten Teil des Lehrgangs der dritten Fachklasse im September und Oktober 2007. In der Schulnachricht vom 25. 10. 2007, welche der Kläger der Beklagten zur Kenntnis brachte, wurde bereits auf den zweiten Teil des Lehrgangs in der Zeit vom 7. 4. 2008 bis 16. 5. 2008 hingewiesen. Trotz des vor diesem Zeitraum liegenden Beendigungstermins des Lehrverhältnisses wurde zwischen den Streitteilen über die weitere Vorgangsweise zunächst nicht gesprochen. Am 7. 2. 2008 wies die Beklagte den Kläger schriftlich darauf hin, dass sein Lehrverhältnis mit 1. 2. 2008 abgelaufen sei. Er wurde darauf hingewiesen, dass er während der sechsmonatigen Behaltefrist (Anmerkung: diese ergibt sich aus dem anzuwendenden Kollektivvertrag) als Hilfsarbeiter beschäftigt werde. Mit dem Ende der Weiterverwendungszeit am 1. 8. 2008 sei auch das bestehende Arbeitsverhältnis beendet und werde nicht verlängert, der letzte Arbeitstag des Klägers sei somit der 1. 8. 2008. Der Kläger wurde ersucht bekannt zu geben, wann er den noch offenen Urlaub konsumieren wolle. Tatsächlich arbeitete der Kläger in der Folge als Hilfsarbeiter. Ungefähr einen Monat vor Beginn des zweiten Teils des Lehrgangs für das dritte Schuljahr fragte der Kläger bei der Beklagten an, wie es „jetzt mit der Schule ausschaue“, worauf die Beklagte dem Kläger Anfang April 2008 eine „Vereinbarung“ zur Unterfertigung mit folgendem Inhalt übergab: „Auf ausdrücklichen Wunsch des Dienstnehmers wird für die Zeit vom 7. 4. 2008 bis 16. 5. 2008 ein unbezahlter Urlaub gewährt. Während des unbezahlten Urlaubs ruhen die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis, insbesondere bestehen keine Arbeits- und keine Entgeltpflichten. In der Zeit des auf ausdrücklichen Wunsch des Dienstnehmers unbezahlten Urlaubs entsteht kein Urlaubsanspruch (Kürzung des bestehenden Urlaubs) sowie kein Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Ausdrücklich wird festgehalten, dass sich der unbezahlte Urlaub nicht auf die Beendigungsvereinbarung vom 7. 2. 2008 auswirkt, sodass das bestehende Dienstverhältnis mit 1. 8. 2008 durch Zeitablauf endet. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass für die Dauer des unbezahlten Urlaubs keinerlei Pflichtversicherung des Dienstnehmers über das Dienstverhältnis besteht, da er länger als ein Monat dauert. Der Dienstnehmer hat sich selbst um die Versicherung (insbesondere Kranken- und Unfallversicherung) zu kümmern und diese direkt aus Eigenem zu tragen.“ Der Kläger verweigerte die Unterschrift und teilte der Beklagten mit Schreiben vom 4. 4. 2008 mit, dass er den zweiten Teil des Lehrgangs vom 7. 4. 2008 bis 16. 5. 2008 besuchen werde. Er wies darauf hin, dass es somit keine Arbeitsverweigerung sei, wenn er am 7. 4. 2008 auf der Baustelle nicht erscheine, sondern dass er nur seiner Schulpflicht nachkomme, um seine Lehre abschließen zu können.
Mit Schreiben vom 8. 4. 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sie nicht verpflichtet sei, nach Beendigung der Lehrzeit die Kosten für den außerordentlichen Schulbesuch (dazu gehöre auch die Entgeltfortzahlung) zu übernehmen. Aus diesem Grund sei sie bereit gewesen, dem Kläger unbezahlten Urlaub zu gewähren. Diesem habe er nicht zugestimmt und sei daher verpflichtet, zur Arbeit zu erscheinen. Der Kläger wurde aufgefordert, „unverzüglich seinen Dienst anzutreten bzw spätestens bis 14. 4. 2008 einen Verhinderungsgrund bekannt zu geben, ansonsten von seinem unberechtigten vorzeitigen Austritt ausgegangen werde“. Der Kläger reagierte mit Schreiben vom 12. 4. 2008, in welchem er darauf hinwies, dass die Vereinbarung eines unbezahlten Urlaubs für die Dauer des Schulbesuchs unzulässig sei. Sein Schulbesuch stelle daher weder ein unberechtigtes Fernbleiben vom Dienst noch einen unberechtigten vorzeitigen Austritt dar. Er erwarte daher die fristgerechte Überweisung seines Lohnes. In der Folge besuchte er tatsächlich vom 7. 4. 2008 bis 16. 5. 2008 den zweiten Teil des Berufsschullehrgangs und erschien deshalb nicht zur Arbeit. Mit Schreiben vom 14. 4. 2008 forderte die Beklagte den Kläger „letztmalig“ auf, am 16. 4. 2008 um 7:00 Uhr früh seinen Dienst anzutreten, andernfalls sich die Beklagte gezwungen sehe, den Kläger fristlos zu entlassen. Da der Kläger nicht zum Dienst erschien, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 16. 4. 2008 die fristlose Entlassung aus.
Der Kläger hätte nicht ausreichend Resturlaub gehabt, um sich für die gesamte Zeit des Lehrgangs bezahlten Urlaub nehmen zu können. Er beendete letztlich die dritte Fachklasse im Schuljahr 2007/2008 mit einem Notendurchschnitt von 2,5 und absolvierte dann im Schuljahr 2008/2009 erfolgreich die vierte Fachklasse.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger:
Lohn vom 1. 4. bis 6. 4. 2008 in Höhe von 279,89 EUR, für 7. 4. bis 30. 4. 2008 in Höhe von 664,25 EUR, an Schadenersatz für die Zeit vom 1. 5. bis 16. 5. 2008 442,83 EUR, an aliquoten Sonderzahlungen vom 7. 4. bis 16. 5. 2008 181,98 EUR, an Schadenersatz für die Zeit vom 17. 5. bis 17. 7. 2008 2.798,92 EUR sowie aliquote Sonderzahlungen vom 1. 1. bis 6. 4. 2008 und vom 17. 5. bis 17. 7. 2008 in Höhe von 1.219,25 EUR sowie eine Einmalzahlung laut Kollektivvertrag in Höhe von 100 EUR brutto, zusammen 5.687,12 EUR abzüglich bezahlter 247,08 EUR netto. Die Entlassung sei unberechtigt ausgesprochen worden, weil der Schulbesuch vom 7. 4 bis 16. 5. 2008 für das dritte Lehrjahr ein gerechtfertigter Hinderungsgrund im Sinn der Bestimmungen des § 1154b ABGB sei. Gemäß § 21 Abs 1 Schulpflichtgesetz 1985 beginne die Berufsschulpflicht mit dem Eintritt in ein Lehrverhältnis und dauere bis zu dessen Ende, längstens jedoch bis zum erfolgreichen Abschluss der letzten lehrplanmäßig vorgesehenen Schulstufe der in Betracht kommenden Berufsschule. Die Abwesenheit des Klägers sei daher durch den Schulbesuch bedingt gewesen und stelle somit keinen Entlassungsgrund dar.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete ein, dass die Nichtabsolvierung der Lehrabschlussprüfung während der Lehrzeit bzw während der Behaltezeit ausschließlich auf die Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführen sei. Eine Weiterzahlungspflicht für den Berufsschulbesuch bestehe nur für Lehrlinge, die zum Besuch der Berufsschule verpflichtet seien. Im vorliegenden Fall sei das Lehrverhältnis aber bereits beendet gewesen, sodass auch die Schulpflicht aufgehört habe. Die Beklagte sei daher nicht verpflichtet gewesen, den Schulbesuch unter Fortzahlung des Entgelts zu ermöglichen. Ein Fall des § 1154b ABGB liege nicht vor. Da sich der Kläger geweigert habe, eine entsprechende Vereinbarung über unbezahlten Urlaub zu unterfertigen, welcher ihm angeboten worden sei und trotz zweier Abmahnungen seinen Dienst nicht angetreten habe, habe er ein Verhalten gesetzt, welches die Beklagte zur Entlassung nach § 82 lit f GewO berechtigt habe.
Das Erstgericht sprach 4.398,06 EUR brutto abzüglich 247,08 EUR netto samt 4 % Zinsen seit 17. 4. 2008 zu und wies das Mehrbegehren von 1.289,06 EUR brutto (insoweit rechtskräftig) ab. Der Kläger habe zwar Anspruch auf ein Entgelt für die Zeit bis zum Antritt des Berufsschulkurses und hätte auch Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Beendigung der Berufsschule bis zum Ende der Behaltefrist gehabt, sodass für letztgenannten Zeitraum ein Anspruch auf Schadenersatz bestehe. Doch könne für den Zeitraum des Berufsschulbesuchs ein Entgeltanspruch nicht auf § 1154b Abs 5 ABGB gestützt werden, weil ein Zeitraum von vierzehn Tagen nicht mehr als verhältnismäßig kurze Zeit beurteilt werden könne. Gemäß § 21 Abs 2 Schulpflichtgesetz 1985 habe der Kläger aber die Berechtigung gehabt, die Schule auch während der Behaltezeit zu besuchen. Vergleichbar mit einem Präsenz- oder Zivildienst oder einer Karenzierung habe der Kläger zwar für diesen Zeitraum keinen Entgeltanspruch, doch könne auch von einem unbefugten Verlassen der Arbeit keine Rede sein. Den Entlassungsgrund nach § 82 lit f GewO 1859 habe er daher nicht verwirklicht. Allein die Weigerung, die von der Beklagten vorgelegte Vereinbarung zu unterfertigen, stelle keinen Entlassungsgrund dar.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Wäre nämlich der Besuch der Berufsschule während der Weiterverwendung gemäß § 18 Abs 1 BAG zum Zwecke der Erlangung des Lehrabschlusses von der Zustimmung des ehemaligen Lehrberechtigten abhängig, würden der praktische Anwendungsbereich und die Zielsetzung des § 21 Abs 2 erster Satz Schulpflichtgesetz 1985 erheblich eingeschränkt. Danach seien Berufsschüler, deren Lehrverhältnis während eines Schuljahres geendet habe, berechtigt, bis zum Ende dieses Schuljahres die Berufsschule zu besuchen, sofern nicht die letzte lehrplanmäßig vorgesehene Schulstufe erfolgreich abgeschlossen worden sei. Das Recht der Freizeitgewährung zum Zwecke des Besuchs der Berufsschule ergebe sich aus der Verpflichtung des ehemaligen Lehrberechtigten, den Lehrling „im erlernten Beruf weiter zu verwenden“ (§ 18 Abs 1 BAG). Gerade der erfolgreiche Besuch der Berufsschule zum Zwecke des erfolgreichen Lehrabschlusses sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der ehemalige Lehrling künftig im Lehrberuf angemessen tätig sein könne. Der ehemalige Lehrherr müsse den Lehrling daher nicht nur im erlernten Beruf weiter verwenden, sondern ihm auch die Möglichkeit zum Berufsschulbesuch eröffnen. Dem Umstand, dass der Kläger den mangelnden Abschluss aller Schulstufen der Berufsschule zum Zeitpunkt des Ablaufs der Lehrzeit zu verantworten habe, werde schon dadurch Rechnung getragen, dass ihm für die Zeit des Berufsschulbesuchs während der Weiterverwendung kein Entgeltanspruch zustehe. Der Schulbesuch während der Weiterverwendung gemäß § 18 Abs 1 BAG sei ein rechtmäßiger Hinderungsgrund, von der Arbeit fernzubleiben, und berechtige den ehemaligen Lehrherrn nicht zur Entlassung nach § 82 lit f GewO 1859.
In eventu vertrat das Berufungsgericht auch die Auffassung, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers für die Beklagte auch nicht unzumutbar gewesen sei: So habe sie ja selbst für die für den Schulbesuch erforderliche Zeit eine Karenzierung angeboten, sohin den Kläger offensichtlich nicht im Betrieb benötigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob dem ehemaligen Lehrling auch ohne Absolvierung der Lehrabschlussprüfung Zeit zum Besuch der Berufsschule zu gewähren ist und demzufolge die schulbesuchsbedingte Abwesenheit kein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst darstellt, keine Rechtsprechung besteht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten mit einer Rechtsrüge und dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Behaltefrist gemäß § 18 Abs 1 BAG knüpft nicht nur an die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung gemäß § 14 Abs 1 lit e BAG, sondern alternativ auch an die Beendigung des Lehrverhältnisses durch Fristablauf iSd § 14 Abs 1 BAG an (RIS-Justiz RS0052696). Dieser Fall liegt hier vor. Punkt IV Z 8 des Kollektivvertrags für die Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe sieht über die Frist des § 18 Abs 1 BAG hinaus eine Behaltefrist von insgesamt sechs Monaten vor. Dieser Verpflichtung kam die Beklagte zunächst nach, indem sie dem Kläger für die Dauer von sechs Monaten ein Arbeitsverhältnis als Hilfsarbeiter anbot, was der Kläger - zumindest schlüssig - auch annahm.
Das Berufungsausbildungsgesetz sieht in seinem § 9 Freistellungsverpflichtungen des Lehrherrn nur für die Zeit des Lehrverhältnisses, nicht jedoch auch für die Zeit der daran anschließenden Behaltezeit vor. Der Kollektivvertrag bestimmt in seinem Punkt IV Z 9, dass Arbeitgeber dann, wenn der Arbeitnehmer während der Weiterverwendungszeit aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht zur Lehrabschlussprüfung antreten konnte, diesen bis zum erstanberaumten Termin der Lehrabschlussprüfung weiter im erlernten Beruf zu verwenden hat. Weder das BAG (siehe Berger/Fida/Gruber, BAG § 9 Erl 59) noch der Kollektivvertrag sehen aber eine Regelung vor, ob und unter welchen Umständen der ehemalige Lehrherr verpflichtet ist, dem nun im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätigen ehemaligen Lehrling Zeit zum Berufsschulbesuch zu geben, bzw ob und in welchem Umfang eine Entgeltpflicht für die Zeit des Schulbesuchs besteht.
Die Vorinstanzen haben zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Fall des § 1154b Abs 5 ABGB nicht angenommen werden kann, weil von einer „verhältnismäßig kurzen Zeit der Dienstverhinderung“ nicht die Rede sein kann. Auch § 1155 ABGB ist keine taugliche Grundlage für einen Entgeltanspruch, weil die Hinderungsgründe für die Arbeitsleistung weder auf Seiten des Arbeitgebers noch in einer „neutralen Sphäre“ (Spenling in KBB² § 1155 ABGB Rz 5) gelegen sind, sondern ausschließlich in der Sphäre des Arbeitnehmers. Kann somit das Synallagma (Zurverfügungstellen der Arbeitskraft gegen Leistung des geschuldeten Lohns: RIS-Justiz RS0021299; RS0013981) vom Arbeitnehmer nicht erfüllt werden, kann ein Anspruch auf Entgelt - mangels eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands - nicht bestehen (diesbezüglich ist die Abweisung des Klagebegehrens ja auch in Rechtskraft erwachsen).
§ 21 Abs 1 Schulpflichtgesetz 1985 bestimmt, dass die Berufsschulpflicht mit dem Eintritt in ein Lehrverhältnis (oder in ein Ausbildungsverhältnis gemäß § 30 des BAG) beginnt und bis zu dessen Ende, längstens aber bis zum erfolgreichen Abschluss der letzten lehrplanmäßig vorgesehenen Schulstufe der in Betracht kommenden Berufsschule dauert. Gemäß § 21 Abs 2 SchPflG 1985 sind Berufsschüler, deren Lehrverhältnis (oder Ausbildungsverhältnis gemäß § 30 des BAG) während eines Schuljahres geendet hat, berechtigt, bis zum Ende dieses Schuljahres die Berufsschule zu besuchen, sofern sie nicht die letzte lehrplanmäßig vorgesehene Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben. Ferner sind Berufsschüler, die die Zurücklegung von mindestens der Hälfte der für den Lehrberuf festgesetzten Lehrzeit nachweisen und glaubhaft machen, dass sie einen Lehrvertrag für die für den Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit nicht abschließen können, berechtigt, die Berufsschule während jener Zeit zu besuchen, während der sie bei einem aufrechten Lehrverhältnis zum Berufsschulbesuch verpflichtet oder im Sinn des ersten Satzes berechtigt wären. Den Vorinstanzen ist dahin beizupflichten, dass - wie im Fall des Klägers - die Vornahme des Schulbesuchs gemäß § 21 Abs 2 erster Satz SchPflG 1985 gerade dann regelmäßig auf Schwierigkeiten stoßen wird, wenn ein Lehrling während der vorgesehenen Lehrzeit die Schule nicht beenden konnte und nunmehr versucht, in der Behaltefrist die Berufsschule fortzusetzen. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich aber die klare Absicht des Gesetzgebers, den Lehrabschluss zu fördern. Zutreffend wurde bereits aufgezeigt, dass bei einer Kursdauer von sechs Wochen - ganz abgesehen vom dann verfehlten Erholungszweck - auch der gesetzliche Urlaub nicht ausreichen wird, um die Schule besuchen zu können.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte schon lange darüber informiert, dass der Kläger beabsichtigte, während der Weiterverwendungszeit den zweiten Teil des dritten Schuljahres zu absolvieren. Gemäß § 82 lit f erster Tatbestand GewO 1859 stellt es einen Entlassungsgrund dar, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit unbefugt verlassen hat. Dieser Tatbestand ist iSd § 27 Z 4 erster Tatbestand AngG auszulegen (Kuderna, Entlassungsrecht², 137). Danach muss das Dienstversäumnis pflichtwidrig sein. Liegt aber eine Dienstverhinderung und somit ein Rechtfertigungsgrund vor, ist die Einholung einer Genehmigung des Arbeitgebers nicht erforderlich (Kuderna, Entlassungsrecht², 105). Nun wäre der Kläger zwar nicht verpflichtet gewesen, die Berufsschule weiter zu besuchen, sodass keine unvorhersehbare Dienstverhinderung gegeben war, doch muss dem freiwilligen Berufsschulbesuch, der Voraussetzung für einen positiven Lehrabschluss ist, auch noch während der Weiterverwendungszeit entsprechendes Gewicht beigemessen werden, das einem Rechtfertigungsgrund gleichkommt. Die angekündigte, berufsschulbedingte Abwesenheit vom Dienst kann daher - auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers - den Entlassungstatbestand des § 82 lit f erster Tatbestand GewO 1859 nicht erfüllen. Die taxative Anführung der Entlassungsgründe in § 82 GewO 1859 (RIS-Justiz RS0060348) verhindert auch, die Weigerung des Klägers, eine schriftliche Karenzierungsvereinbarung zu unterfertigen, als Entlassungsgrund anzusehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Schlagworte
11 Arbeitsrechtssachen,Textnummer
E95200European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00146.09Z.0903.000Im RIS seit
22.10.2010Zuletzt aktualisiert am
14.03.2012