TE OGH 2010/9/14 10ObS122/10d

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Veröffentlicht am 14.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Daniel G*****, Maurer, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Juni 2010, GZ 7 Rs 41/10v-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der am 11. Dezember 1954 geborene Kläger, der den erlernten Beruf eines Maurers ausgeübt hat, wurde nach Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens auf den Beruf eines Baustofffachmarktberaters verwiesen.

Zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision macht er geltend, dass die die Verweisbarkeit bejahende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0084541) jüngst vom Oberlandesgericht Wien zu 8 Rs 5/09b zutreffenderweise in Zweifel gezogen worden sei: Zwischen dem erlernten Beruf und dem Verweisungsberuf bestehe keinerlei Verwandtschaft, was sich etwa darin zeige, dass eine Anrechnung der Lehrzeit des Maurers auf die Lehrzeit des Einzelhandelskaufmanns mit Schwerpunkt Baustoffhandel nicht vorgesehen sei. Die erforderliche Nahebeziehung fehle auch bei einer Verweisung auf die Tätigkeit eines Baustofffachmarktberaters in Mischmärkten, wo umfassende, komplexe und individuelle Fachberatungen einschließlich kaufmännischer Aspekte gefordert würden. Der Schwerpunkt liege auf der Beratungs- und Verkaufstätigkeit, die jedenfalls keine Teiltätigkeit des Lehrberufs Maurer darstelle, weshalb eine Verweisung mit dem Verlust des Berufsschutzes als Maurer verbunden sei.

2. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Erstgerichts handelt es sich bei Baustofffachmarktberatern vielfach um kaufmännisch, vornehmlich im Einzelhandel, und teils handwerklich ausgebildete Arbeitnehmer, wie etwa Maurer. Letztere werden innerbetrieblich durch Mitarbeit mit einem erfahrenen Arbeitnehmer des Dienstgebers und durch mehrere ein- bis zweitägige externe Schulungen wie etwa durch Baustoffexkursionen bei Lieferanten oder Verkaufstraining in Summe in einer Dauer von drei bis sechs Monaten eingewiesen. Diese Arbeitnehmer werden zumeist in die Verwendungsgruppe zwei oder drei des Handelskollektivvertrags eingestuft. Sie werden in einem von knapp 600 in Österreich existierenden Mischbetrieben, wo sowohl Privat- wie auch gewerbliche Kunden betreut werden, beschäftigt. Der Arbeitsschwerpunkt liegt in der fachkundigen Beratung und im Verkauf. In diesen Mischbetrieben wird alles rund um den Hausbau, also der gesamte Rohbau, die Bauelemente, thermische Isolierungen, Fassaden und die Einfassung um das Haus, angeboten. Die Mitarbeiter der Baustoffabteilungen beraten die Kunden fachkundig und erteilen diesen Informationen über bestimmte Eigenschaften der Artikel, wie etwa Verarbeitung, Handhabung, unterschiedliche Qualitätsmerkmale, Haltbarkeitsdauer oder Preis. Dabei gibt es Mitarbeiter für die grundlegende Erstberatung, bei speziellen Produkten Spezialisten und Außendienstmitarbeiter. Neben der Beratungs- und Verkaufstätigkeit können fallweise noch andere Tätigkeiten, wie etwa die rechtzeitige Warenbeschaffung, die Abwicklung der Anlieferung durch Lieferanten, das Abholen der Ware durch Kunden, die Lieferung durch den eigenen Fuhrpark, die Entgegennahme von Reklamationen oder die Durchführung von Inventuren oder verkaufsfördernder Maßnahmen zum Aufgabenbereich gehören.

Grundvoraussetzung für eine Anstellung als Baustofffachmarktberater sind EDV-Grundkenntnisse wie auch ein gewisses persönliches Auftreten und Kommunikationsfähigkeit. Die benötigten Zusatzkenntnisse über die Buchhaltung, das Verkaufswesen oder betriebsinterne EDV-Programme, werden den Mitarbeitern durch betriebsinterne Schulungen in einem drei- bis sechsmonatigen Ausbildungszeitraum vermittelt. Die Einschulung in betriebsinterne EDV-Anwendungen dauert bei den meisten Baumärkten zwei bis vier Wochen.

Maurer werden seit 1994 in ihrer Berufsausbildung mit EDV konfrontiert und ausgebildet. Jenen Maurern, die ihre Ausbildung schon vorher abgeschlossen haben, werden EDV-Grundkenntnisse entweder bei ihrem Dienstgeber im Betrieb oder, im Fall der Arbeitslosigkeit, durch Seminare des Arbeitsmarktservice vermittelt. Vereinzelt werden diese Grundkenntnisse auch durch die Baumärkte selbst vermittelt. In vielen Baumärkten sind gelernte Maurer als Baustofffachmarktberater beschäftigt. Nahezu alle Baumärkte würden bei einer Bewerbung Maurer in diesem Beruf einsetzen. Für den Beruf des Baustofffachmarktberaters ist sowohl für den Innen- als auch für den Außendienst je ein Arbeitsmarkt von wenigstens 100 Arbeitsplätzen gegeben.

3. Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht bereits darauf hingewiesen, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (10 ObS 194/02f; 10 ObS 218/03m = SSV-NF 18/3) der Umstand, dass die am 1. 7. 2000 in Kraft getretene Einzelhandel-Ausbildungsordnung für den Lehrberuf Einzelhandel mit Schwerpunkt Baustoffhandel (BGBl II 2000/186) keine Anrechnung von im Lehrberuf Maurer zurückgelegten Lehrzeiten vorsieht, noch nicht bedeutet, dass beim Baustofffachmarktberater die Kenntnisse eines Maurers nicht gefragt sind und eine entsprechende Nahebeziehung des Verweisungsberufs zum bisher ausgeübten Beruf fehlt. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof in der Begründung zur Zurückweisung einer außerordentlichen Revision (10 ObS 106/09z) ausgeführt, dass keine Veranlassung bestehe, von der gefestigten Rechtsprechung zur Verweisbarkeit von qualifizierten Facharbeitern auf korrespondierende Angestelltentätigkeiten abzugehen.

4. Der Befürchtung des Klägers, dass er durch die Verweisung seinen Berufsschutz als Maurer verlieren würde, ist entgegen zu halten, dass die schon genannte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor allem darauf gründet, dass die handwerkliche Ausbildung und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufs bilden und diese qualifizierten Facharbeiter als Kunden- und Verkaufsberater in Baustofffachmärkten auch tatsächlich Verwendung finden. Daher handelt es sich bei diesem Verweisungsberuf um eine qualifizierte Teiltätigkeit des jeweiligen Lehrberufs. Der Wechsel eines qualifizierten Facharbeiters in eine Angestelltentätigkeit führt zu keinem Verlust des Berufsschutzes, wenn eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf besteht (10 ObS 71/06y; 10 ObS 263/01a = SSV-NF 15/107 ua).

5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das nach den vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Feststellungen die Verweisungstätigkeit eines Baustofffachmarktberaters eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf hat, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E95343

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00122.10D.0914.000

Im RIS seit

10.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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