Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. Musger und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Christian S*****, geboren am ***** und der mj Katharina S*****, geboren am ***** über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. Alex S*****, vertreten durch Prochaska Heine Havranek, Rechtsanwälte GmbH in Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Oktober 2009, GZ 42 R 399/09a-35 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.Mai 2010, GZ 42 R 399/09d-41, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 1. Juli 2009, GZ 3 PU 83/09h-27, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern ist geschieden. Mit der Obsorge für den am ***** geborenen mj Christian und für die am ***** geborene mj Katharina ist die Mutter allein betraut. Der Vater ist aufgrund eines am 13. April 1999 vor dem Bezirksgericht Hietzing abgeschlossenen Vergleichs, AZ 3 C 29/98w, zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 590,47 EUR für Christian und 461,47 EUR für Katharina verpflichtet. Nach dem unbestritten gebliebenen Parteivorbringen wurde im Scheidungsvergleich als Bemessungsgrundlage das damalige monatliche Nettodurchschnittseinkommen zu Grunde gelegt und davon ausgegangen, dass der im Vergleich festgesetzte Unterhaltsbetrag dem Zweieinhalbfachen der damaligen Durchschnittsbedarfssätze entspricht.
Am 24. Juni 2008 beantragte das Amt für Jugend und Familie als Vertreter der Minderjährigen, die väterlichen Unterhaltsbeiträge mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2008 für Christian auf 942 EUR und für Katharina auf 802 EUR zu erhöhen. Die derzeit aufgrund einer Regelung mit der Mutter geleisteten Unterhaltsbeiträge von 750 EUR für Christian und 635 EUR für Katharina reichten nicht mehr aus, um die gestiegenen Bedürfnisse der Minderjährigen zu decken.
Der Vater brachte vor, die Mutter beziehe für beide Kinder Familienbeihilfe, sodass die geforderten Unterhaltsbeiträge zu seiner steuerlichen Entlastung um den anrechenbaren Teil der Familienbeihilfe zu kürzen seien. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er bis Juni 2008 für beide Minderjährigen die Kosten der Zusatzkrankenversicherung in Höhe von je 65 EUR monatlich bezahlt habe, die von den Unterhaltsbeiträgen in Abzug zu bringen seien.
Das Erstgericht stellte fest, dass der Vater in den Jahren 2005 bis 2007 über ein monatliches Durchschnittseinkommen von 10.087 EUR verfügt habe und lediglich für die zwei Kinder unterhaltspflichtig sei.
Es erhöhte die Unterhaltsbeiträge
1. für Christian
vom 1. 1. bis 30. 6. 2007 auf 722 EUR
vom 1. 7. bis 31. 12. 2007 auf 737 EUR
vom 1. 1. bis 31. 1. 2008 auf 802 EUR
vom 1. 2. bis 30. 6. 2008 auf 942 EUR
ab 1. 7. 2008 bis auf weiteres auf 976 EUR
2. für Katharina
vom 1. 1. bis 30. 6. 2007 auf 722 EUR
vom 1. 7. bis 31. 12. 2007 auf 737 EUR
vom 1. 1. bis 30. 6. 2008 auf 802 EUR
ab 1. 7. 2008 bis auf weiteres auf 833 EUR.
In Punkt 3.) seiner Entscheidung sprach das Erstgericht aus, dass die bis zur Rechtskraft fälligen Beträge, abzüglich der bisher geleisteten Zahlungen von 630,30 EUR für Krankenversicherungsbeiträge für Jänner bis Mai 2008 binnen 14 Tagen, die weiter fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein zu entrichten seien. In Punkt 4.) seiner Entscheidung wies das Erstgericht das Mehrbegehren des mj Christian auf Zuerkennung eines weiteren Betrags von 140 EUR für Jänner 2008 ab.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass Christian ein Unterhaltsanspruch von 20 %, Katharina bis 31. Jänner 2008 ein solcher von 18 % und ab 1.Februar 2008 von ebenfalls 20 % des väterlichen Einkommens zukomme. Der sich so errechnende Betrag sei zur Vermeidung einer vom Bedarf der Minderjährigen losgelösten Überalimentierung nicht voll auszuschöpfen, sondern der Unterhalt lediglich in Höhe des Zweieinhalbfachen des altersentsprechenden Durchschnittsbedarfs festzusetzen. Im Hinblick auf diesen „Unterhaltsstopp“ sei es billig, von einer an sich zustehenden Anrechnung der Familienbeihilfe Abstand zu nehmen, da die Steuerentlastung durch den „Unterhaltsstopp“ ohnehin bereits antizipiert werde und der Unterhaltspflichtige ansonsten zweifach begünstigt würde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts in dessen Punkt 1.) dahin ab, dass es den Unterhaltsantrag von Christian für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2007 abwies. In der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Mai 2010 wurde Punkt 3.) des erstgerichtlichen Beschlusses dahin abgeändert, dass neben den Krankenversicherungsbeiträgen von 630,30 EUR (für beide Minderjährigen) noch die vom Vater für die Zeit vom 1. Jänner 2008 bis 30. Juni 2009 geleisteten Unterhaltszahlungen von monatlich 750 EUR für Christian und die für die Zeit vom 1. Jänner 2007 bis 30. Juni 2009 monatlich geleisteten Unterhaltszahlungen von 635 EUR für Katharina vom laufenden Unterhalt abgezogen wurden. Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss. Es sprach nach Zulassungsvorstellung aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil auch dann Anspruch darauf habe, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente aufgrund des Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichem Einkommen nicht voll ausgeschöpft werde. Die steuerliche Entlastung habe sich stets an jenem Unterhaltsbetrag zu orientieren, der unter Zugrundelegung der schon bisher anerkannten zivilrechtlichen Grundsätze geschuldet werde. Dieser sei im vorliegenden Fall aber nicht mehr mit dem Zweieinhalbfachen, sondern mit dem Dreifachen des Regelbedarfs festzulegen, weil mangels jeglichen konkreten Vorbringens des Vaters nicht ersichtlich sei, inwieweit eine Unterhaltsfestsetzung in dieser Höhe pädagogisch bedenklich sein sollte. Lege man der Anrechnung der Familienbeihilfe den rund Dreifachen altersentsprechenden Regelbedarf der beiden Minderjährigen zugrunde, so ergebe sich keine unterhaltsrechtlich relevante Abweichung von den vom Erstgericht festgesetzten Beträgen. Die bis zur Beschlussfassung erster Instanz geleisteten Zahlungen seien vom entsprechend festgesetzten Unterhalt abzuziehen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig, weil keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist.
Die Bemessung des Kindesunterhalts ist grundsätzlich stets eine Frage des Einzelfalls. Hat das Rekursgericht nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren missachtet oder gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, liegt eine zur Anrufung des Obersten Gerichtshofs erforderliche Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zur Wahrung der Rechtsentwicklung, Rechtssicherheit oder Rechtseinheit iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor (RIS-Justiz RS0053263). Nur wenn dem Gericht zweiter Instanz bei Anwendung des richterlichen Ermessens ein gravierender, an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlaufen wäre, wäre dies als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzugreifen (RIS-Justiz RS0007204 [T7]). Ein derartiger Fall liegt nicht vor.
Der Vater erzielt ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, welcher Umstand nach ständiger Rechtsprechung dazu veranlasst, die Prozentkomponente bei der Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen. Es sind den Kindern Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer - an den Lebensverhältnissen des unterhaltspflichtigen orientierten - Lebensbedürfnisse erforderlich sind (RIS-Justiz RS0007138). Zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung ist in einem solchen Fall eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen (RIS-Justiz RS0047447). Bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird diese „Luxusgrenze“ im allgemeinen im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs liegend angenommen, wobei überwiegend die Meinung vertreten wird, dass dies keine absolute Obergrenze darstellt (RIS-Justiz RS0007138 [T15]). Ein allgemeiner, für jeden Fall geltender Unterhaltsstopp beim Zwei- bzw Zweieinhalbfachen oder Dreifachen des Regelbedarfs besteht nicht (RIS-Justiz RS0047458). Wann und zu welchen Voraussetzungen ein „Unterhaltsstopp“ zur Vermeidung einer Überalimentierung anzunehmen sei, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0007138 [T16, T17]). Die Ausmittlung der konkreten Unterhaltsbeträge unter Berücksichtigung der „Luxusgrenze“ hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (1 Ob 209/08d). Berücksichtigt man hier neben dem 10.000 EUR übersteigenden monatlichen Nettoeinkommen des Vaters auch die seinerzeit vergleichsweise getroffene Regelung, nach der den Kindern Unterhalt im Ausmaß des Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs ungekürzt zur Verfügung gestellt werden sollte (vgl dazu RIS-Justiz RS0019018), erscheint die konkrete Unterhaltsbemessung des Rekursgerichts nicht korrekturbedürftig. Zu der Frage, ob bzw auf welchem Weg (vgl etwa Gitschthaler, Anm zu EF-Z 2007/132 sowie in JBl 2003, 16) die steuerlich gebotene Anrechnung der Transferleistungen auch jenem Unterhaltspflichtigen zu gute kommen soll, dessen Leistungsfähigkeit zufolge der „Luxusgrenze“ nicht voll ausgeschöpft ist, muss deshalb nicht Stellung genommen werden.
2. Die vom Revisionsrekurswerber zutreffend aufgezeigte mangelnde Berücksichtigung bereits geleisteter Unterhaltszahlungen für Katharina war bereits Gegenstand des vom Rekursgericht gefassten Berichtigungsbeschlusses.
Der Revisionsrekurs ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
Textnummer
E95093European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00109.10A.0914.000Im RIS seit
21.10.2010Zuletzt aktualisiert am
02.03.2012