TE OGH 2010/9/15 8Ra77/10w

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Veröffentlicht am 15.09.2010
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Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr.Bott (Vorsitz), die Richterinnen Dr.Kraschowetz-Kandolf und Dr.Rastädter-Puschnig sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Moik (Arbeitgeber) und Dr.Gibiser (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** B*****, *****, vertreten durch Dr.Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei D***** W*****, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen ausgedehnt € 2.089,41 brutto sA (Berufungsinteresse € 800,-- netto sA bzw € 1.289,41 brutto sA; Rekursinteresse € 149,45), über die Berufung beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.Juni 2010, 46 Cga 151/09s-19, und den Rekurs der beklagten Partei gegen die darin enthaltene Kostenentscheidung, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt (1.) und beschlossen (2.):

Spruch

1. Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit € 53,43 (darin € 8,90 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

2. Hingegen wird dem "Kostenrekurs" (richtig: der Berufung im Kostenpunkt) teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird bestätigt und abgeändert; sie lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit € 541,43 (darin € 81,14 USt und € 54,56 Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Kläger war bei der Beklagten in deren Lokal ab 13.7.2009 mit einem Lohn von € 969,35 brutto monatlich teilzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden. Die Beklagte betreibt eine Pizzeria, in welcher Zigarettenautomaten aufgestellt sind und Zigaretten verkauft werden. Zwischen den Streitteilen war eine 30-Stunden-Woche bei kollektivvertraglicher Bezahlung vereinbart. Dem Kläger wurde von der Beklagten eine Vollzeitbeschäftigung in Aussicht gestellt, wenn das Geschäft besser gehen würde. Der Kläger wollte von Beginn an möglichst viele Stunden arbeiten. Hinsichtlich der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit war nichts vereinbart; der Kläger sollte je nach Bedarf arbeiten. Auf die Frage des Klägers nach allfälligen Mehrarbeits- bzw Überstunden meinte die Beklagte, dass man sich diesbezüglich schon einigen werde, womit der Kläger einverstanden war. Nach einer Beschäftigungsdauer von etwa drei Wochen bekam die Beklagte ein privates Problem, weshalb sie dem Kläger mitteilte, dass dieser nun mehr arbeiten müsse, weil sie sich nicht mehr konzentrieren könne. Die Streitteile vereinbarten, dass der Kläger seine Arbeitszeiten aufschreibt, wobei die Beklagte auf deren Richtigkeit vertraute. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Juli 2009 befand sich die Beklagte für drei Tage gemeinsam mit ihrer Tochter im Krankenhaus, weshalb nur der Kläger arbeitete. In der Folge war die Beklagte zwar jeden Tag im Lokal, reduzierte jedoch ihre Arbeitszeiten, da sie sich nicht konzentrieren konnte. Als die Beklagte von Gästen erfahren hatte, dass der Kläger während der Arbeitszeit mit dem Game Boy spiele, sprach ihn die Beklagte darauf an, was er damit beantwortete, dass er nur spielen würde, wenn nichts los sei. Dies quittierte die Beklagte mit dem Bemerken, dass im Lokal jedenfalls in der Küche immer etwas zu tun sei. Die Konsumation von antialkoholischen Getränken, Kaffee und kleinen Mahlzeiten war dem Kläger erlaubt. Er wurde von der Beklagten auch angehalten, sorgfältiger zu putzen, was der Kläger mit "ja, Frau Chefin" beantwortete. Die Beklagte ließ das auf sich beruhen, weil sie sich dachte, dass es der Kläger als Mann nicht besser könne. Im Lokal existierte eine Kellnerbrieftasche, die sowohl die Beklagte als auch der Kläger benutzten. In diese kamen die eingenommenen Beträge aus dem Zigarettenverkauf und auch der Konsumation. Mit diesem Geld bezahlte die Beklagte ihre Lieferanten. Als einmal der Kläger mit einer Zigarette in die Nähe der Küche kam, wurde er von der Beklagten darauf aufmerksam gemacht, dass er das nicht dürfe. Ende Juli/Anfang August bat die Beklagte den Kläger, in Anwesenheit der Gäste nicht Zeitung zu lesen oder Kreuzworträtsel zu lösen, woran sich dieser in der Folge auch hielt.

Rund 14 Tage vor dem 14.8.2009 telefonierte die Beklagte mit einer Mitarbeiterin ihrer Steuerberatungskanzlei namens P*****. Die Beklagte beschwerte sich über diverses Fehlverhalten des Klägers wie unvollständige Aufzeichnung von Waren in den Büchern, das Fehlen von Waren, die Unrichtigkeit von Kassenbüchern und das Fehlen von Bargeld. P***** riet der Beklagten zu einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger und teilte ihr mit, dass Diebstahl einen Entlassungsgrund bilden würde und sie eigentlich die Entlassung sofort aussprechen müsse. Drei Tage vor der später ausgesprochenen Entlassung sprach die Beklagte den Kläger auf von ihr vermutete Fehlbestände in Bezug auf den Zigarettenstand an, worauf der Kläger nicht reagierte. Die Arbeitszeiten des Klägers notierte sie sich auf einem Kalender, wobei sie dies ab und zu vergaß und dementsprechend die Eintragungen drei bis vier Tage zurückreichend erfolgten. Der Kläger notierte sich seine Arbeitszeiten jeden Tag nach Dienstende bzw in der Arbeitspause.

Am 14.8.2009 bat die Beklagte den Kläger rund eine halbe Stunde nach Dienstbeginn zu einem Gespräch, in welchem sie meinte, dass ihr ca € 1.000,-- fehlen würden und dies gleichsam nur der Kläger gewesen sein könne. Als dieser dies abstritt, meinte sie, dass er nach Hause gehen könne und sie ihn hier nicht mehr sehen wolle, was dieser auch tat. Rund 14 Tage später brachte er seine Dienstkleidung zurück und erkundigte sich nach einer allfälligen Anzeigenerstattung. Dies verneinte die Beklagte und erklärte ihm, dass sie erst genau wissen müsse, ob wirklich Geld fehle und dass sie Inventur machen müsse.

Der Kläger begehrt nach Ausdehnung die Bezahlung eines Betrages von € 2.089,41 brutto sA, der sich aus € 1.113,36 an Entgelt für 40 Mehr- und 65,5 Überstunden, € 420,05 an Lohn für August 2009, € 60,77 an Urlaubsersatzleistung, € 452,36 an Kündigungsentschädigung für die Zeit von 14.8. bis 28.8.2009 und € 42,87 an Urlaubsersatzleistung hiezu zusammensetzt. Er sei am 14.8.2009 grundlos und unberechtigt entlassen worden, da er keinerlei Entlassungsgründe gesetzt habe. Die seitens der Beklagten erhobenen Anschuldigungen seien völlig haltlos. Er habe die Beklagte weder bestohlen noch allfällige Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung zu verantworten oder der Beklagten irgendeinen Schaden zugefügt. Vielmehr habe er seine Arbeitsleistung stets ordnungsgemäß erbracht und sich korrekt verhalten. Vereinbart gewesen sei eine Arbeitsleistung von 30-Wochenstunden, wobei der Kläger im gesamten Beschäftigungszeitraum jedoch wesentlich mehr, nämlich insgesamt 40 Mehrstunden und 65,5 Überstunden geleistet habe. Als einzige Zahlung habe er am 8.8.2009 einen Betrag von € 506,67 als Nettolohn für Juli 2009 erhalten, jedoch nicht die von der Beklagten behaupteten Vorschüsse.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. In den ersten beiden Wochen der Tätigkeit des Klägers habe dieser fast ausschließlich gemeinsam mit der Beklagten in der Pizzeria gearbeitet. Als es Ende Juli 2009 im persönlichen Bereich der Beklagten zu einem schweren Schicksalsschlag gekommen sei, habe diese 3 Tage hindurch vom Betrieb fern bleiben müssen und auch anschließend nicht mehr während der gesamten Öffnungszeit (Montag bis Samstag von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr) anwesend sein können. Ab diesem Zeitpunkt sei somit der Kläger mehrmals mit der Erledigung sämtlicher Aufgaben alleine betraut gewesen. Den Schlussdienst habe jeweils die Beklagte selbst übernommen. Der Kläger habe von Beginn an gegen eindeutige Weisungen der Beklagten verstoßen, nämlich seinen Arbeitsplatz nicht ordnungsgemäß gereinigt, während der Arbeitszeit mit Computern gespielt, sich nicht an vorgegebene Rezepte gehalten, wiederholt in der Küche geraucht und bei Gästen zu hohe Beträge verrechnet, was immer wieder zu Beschwerden, aber auch zahlreichen Ermahnungen und mündlichen Verwarnungen der Beklagten geführt habe. Aus diesem Grunde habe die Beklagte begonnen, täglich den Bestand an Waren zu erheben und diesem die erwirtschafteten Beträge gegenüberzustellen. In den letzten drei aufeinanderfolgenden Tagen der Tätigkeit des Klägers hätten sich Fehlbeträge von rund € 250,-- ergeben, worauf sie den Kläger am 13.8.2009 angesprochen habe. Dieser habe darauf gemeint, dass die Beklagte dies gar nicht wissen könne, da sie ja niemals die Bestände kontrollieren würde, habe anschließend seine Schürze auf den Boden geworfen und das Lokal verlassen. Nach Einholung einer Rechtsauskunft habe die Beklagte unmittelbar darauf die berechtigte Entlassung ausgesprochen. In der Folge habe die Beklagte die Bestände und Abrechnungen kontrolliert und allein bei den Zigaretten einen Minusbestand von € 600,-- festgestellt. Auch sei ihr aufgefallen, dass der Kläger regelmäßig Getränke aus dem Lager geholt und dafür bei den Gästen kassiert habe, ohne diese zu bonieren. Am 14.8.2009 habe sie den Kläger aufgefordert, den Fehlstand für Bargeld und Zigaretten im Gesamtwert von € 850,-- aufzuklären. Nur aufgrund der guten Bekanntschaft zur Mutter des Klägers habe sie von einer Anzeigenerstattung abgesehen. Der Lohn für Juli 2009 in Höhe von € 506,67 sei dem Kläger überwiesen worden. Die für August 2009 zustehenden Lohnansprüche in Höhe von € 592,78 brutto oder € 490,23 netto inklusive Überstunden seien schon deshalb abgegolten, da der Kläger neben dem Lohn für Juli 2009 auch Vorschüsse von insgesamt € 800,-- netto erhalten habe. Damit liege eine Überzahlung von € 309,77 netto vor, die der Klagsforderung ebenso als Gegenforderung entgegengehalten werde wie der durch falsche Abrechnungen und Zigarettenfehlbestand entstandene Schaden von zumindest € 850,-- netto. Der Kläger habe im Juli 2009 insgesamt 82 Arbeitsstunden und im August 2009 insgesamt 75,5 Arbeitsstunden geleistet und somit entsprechend der kollektivvertraglichen Regelung Anspruch auf 11,5 Stunden Mehrarbeit und 9 Überstunden. Darüberhinausgehende Stunden habe er nicht geleistet. Zeiten eines privaten Aufenthalts im Lokal seien nicht als Arbeitszeiten abzugelten. Mit Ausnahme der drei Tage Ende Juli 2009 sei der Kläger nur im Fall von Reservierungen zur Arbeitsleistung am Abend herangezogen worden. Diese Arbeitsleistungen seien in der Arbeitszeitaufstellung berücksichtigt.

Mit Schriftsatz ON 12 brachte die Beklagte weiters vor, dass das Dienstverhältnis durch unberechtigten Austritt seitens des Klägers am 13.8.2009 und dadurch, dass er sich in der Folge nicht arbeitsbereit erklärt habe, geendet habe. Einen Anlass für einen berechtigten Austritt habe die Beklagte nicht gegeben; vielmehr habe der Kläger Entlassungsgründe gesetzt, die letztlich auch zum Ausspruch der berechtigten Entlassung geführt hätten.

Mit dem angefochtenen Urteil stellt das Erstgericht die Klagsforderung mit einem Betrag von € 2.089,41 brutto abzüglich € 800,-- netto als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtet die Beklagte zur Zahlung des genannten Betrages samt 8,38 % Zinsen seit 14.8.2009. Das Mehrbegehren auf Bezahlung weiterer € 800,-- netto weist es ab. Weiters erlegt es der Beklagten die mit € 636,12 bestimmten Verfahrenskosten zum Ersatz auf.

Es stellt neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, dass der Kläger gegen Ende Juli 2009 die Beklagte wegen bestehender Bankschulden und notwendiger Mietzinszahlungen um Barzahlungen gebeten habe. Die Beklagte habe ihm einmal € 130,-- und ein anderes Mal € 370,-- jeweils in bar gegeben. Den Wunsch der Beklagten, ihr diese Auszahlungen zu bestätigen, habe der Kläger mit dem Hinweis verweigert, dass es sich um Schwarzgeld handle, was die Beklagte so hingenommen habe. Im August 2009 habe der Kläger neuerlich Bargeld verlangt, worauf ihm diese € 300,-- übergeben habe, zumal er gemeint habe, dass sich die Beklagte sonst jemand anderen suchen müsse. Sie habe ihm das Geld gegeben, da sie froh gewesen sei, jemanden in der Pizzeria zu haben, widrigenfalls sie zusperren hätte müssen, da sie aus psychischen Gründen zu einer Führung der Pizzeria nicht fähig gewesen wäre. Dass der Kläger Fehlbeträge an Bargeld durch falsche Abrechnungen bzw einen Fehlstand an Zigaretten im Wert von € 600,-- zu verantworten habe, sei nicht feststellbar. Der Kläger habe die in US 11/12 oben geleisteten Arbeitsstunden geleistet, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Rechtlich meint das Erstgericht, der Kläger habe weder eine beharrliche Pflichtenvernachlässigung noch eine strafbare Handlung zu verantworten. Die ihm angelasteten Diebstähle bzw Veruntreuungen seien nicht erweislich gewesen, womit sich die klagsweise geltend gemachten Beträge als berechtigt erweisen würden. Von diesen seien jedoch die dem Kläger übergebenen Bargeldbeträge von insgesamt € 800,-- netto in Abzug zu bringen. Bezüglich der Gegenforderung sei der Beklagten weder der Nachweis eines Schadenseintritts noch einer Verursachung durch den Kläger gelungen.

Gegen diese Entscheidung erheben beide Teile Berufung.

Der Kläger macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung geltend und begehrt Abänderung der angefochtenen Entscheidung in gänzliche Klagsstattgebung.

Die Beklagte erhebt die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und begehrt Abänderung in gänzliche Klagsabweisung; beide Teile stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erhebt auch einen Kostenrekurs (richtig: Berufung im Kostenpunkt).

Beide Teile beantragen in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, dem jeweils gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Von sämtlichen Rechtsmitteln ist nur der "Kostenrekurs" (teilweise) berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Berufung des Klägers:

Unter dem einzigen Anfechtungsgrund wendet sich der Kläger gegen jene Feststellungen, die die Auszahlung von Barvorschüssen an den Kläger zum Inhalt haben.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich das Erstgericht, welches sich von den vernommenen Personen und deren Glaubwürdigkeit einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, im Rahmen der Beweiswürdigung auch mit dieser Frage auseinandergesetzt und plausibel dargelegt hat, aus welchen Erwägungen es diesbezüglich den Ausführungen der Beklagten zu folgen vermochte. Der Berufung ist zwar zuzugestehen, dass diesbezüglich durchaus nicht restlos überzeugende und übereinstimmende Beweisergebnisse (vgl nur die Aussage der Zeugin C***** in AS 87 verso/Seite 4 des Protokolls vom 17.2.2010) und auch korrigierende Angaben der Beklagten selbst (siehe AS 133/Seite 13 oben des Protokolls vom 14.4.2010) vorliegen. Dennoch ist die getroffene Feststellung durch die Berufung nicht zu entkräften, da dem einerseits die gut begründete Beweiswürdigung gegenübersteht und andererseits sich auch aus der Aussage der Beklagten durchaus plausibel ableiten lässt, aus welchen Gründen sie mit Geldforderungen durch den Kläger konfrontiert wurde und aus welchen Erwägungen sie diesem Ansinnen auch nachkam. Auch wenn es bezüglich der Anzahl und der einzelnen Tranchen der Zahlungen zu Ungereimtheiten gekommen ist, ergibt sich letztlich doch schlüssig und nachvollziehbar, dass insgesamt Vorschusszahlungen im Gesamtbetrag von € 800,-- geleistet wurden. Nur dann, wenn das Erstgericht von keiner der Darstellungen in ausreichender Weise überzeugt gewesen wäre, hätte es mit der von der Berufung des Klägers geforderten Negativfeststellung vorzugehen gehabt. Dazu hat es - aus guten Gründen - offensichtlich keine Veranlassung gesehen.

Der Berufung des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Zur Berufung der Beklagten:

Als mangelhaft rügt diese eine unterlassene amtswegige Beischaffung der vom Kläger angebotenen Originalaufzeichnungen in seinem Kalender zur Frage der von ihm geleisteten Arbeitszeiten. Dem ist nur kurz zu entgegnen, dass es der Beklagten unbenommen geblieben wäre, einen Antrag auf Vorlage dieser Urkunde zu stellen. Aus welchen Erwägungen das Erstgericht keinen Zweifel daran gelassen hätte, dass es diesbezüglich den Aufzeichnungen des Klägers nicht folgen werde, lässt die Berufung nicht erkennen. Im Übrigen scheint es sich diesbezüglich tatsächlich um einen Kontrollbeweis zu handeln, der nach ständiger Judikatur Sache der freien Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen ist und dessen Unterlassung nicht unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten werden kann (RIS-Justiz RS0040246).

Auch die Ausführungen in der Beweis- und Tatsachenrüge, mit welchen die Beklagte einerseits die festgestellten Arbeitszeiten des Klägers und andererseits die Negativfeststellung in Bezug auf von ihm zu verantwortende Fehlbeträge zu widerlegen versucht, müssen erfolglos bleiben. Auch diesbezüglich hat sich das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich mit den vorliegenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt und gut nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Erwägungen es den Arbeitszeitaufzeichnungen des Klägers, nicht aber jenen der Beklagten zu folgen vermochte. Diese sind durch die Berufung, welche die Arbeitszeiten des Klägers aus den eigenen Aufzeichnungen der Beklagten festgestellt haben will, nicht zu entkräften. Schon die unbekämpft gebliebenen Feststellungen, aber auch darüberhinausgehende Beweisergebnisse liefern ausreichende Argumente dafür, dass mit der vereinbarten Wochenarbeitszeit einerseits nicht das Auslangen gefunden werden konnte, andererseits aber auch Arbeitsleistungen des Klägers am Abend plausibel erklärbar sind. So steht nicht nur fest, dass sich die Beklagte an drei Tagen Ende Juli 2009 wegen der Erkrankung ihrer Tochter überhaupt nicht in der Pizzeria aufhielt und auch nachfolgend nicht mehr so viel wie zuvor arbeitete, da sie sich nicht konzentrieren konnte, sondern auch, dass sich der Kläger seine Arbeitszeiten jeden Tag nach Dienstende bzw in der Pause notiert hatte, während es seitens der Beklagten zu nachträglichen Eintragungen kam. Verwiesen sei auch darauf, dass selbst die handschriftlichen Aufzeichnungen der Beklagten (Beilage ./10) mit den begehrten Ersatzfeststellungen teilweise nicht übereinstimmen, da sich etwa für Donnerstag, den 30.7.2009, eine Arbeitszeit des Klägers von 11.00 Uhr bis 16.00 Uhr findet, während im Rechtsmittel das Ende der Arbeitszeit mit 15.00 Uhr angesetzt wird. Gleiches gilt für den 31.7.2009, wo sich in Beilage ./10 ein Arbeitsbeginn um 11.00 Uhr, im Rechtsmittel allerdings ein solcher mit 12.00 Uhr findet. Auf die Widersprüche in der Parteienaussage der Beklagten hat schon das Erstgericht zutreffend hingewiesen. Schwer erklärbar ist der Umstand, dass in den Arbeitszeitaufzeichnungen der Beklagten Arbeitsleistungen des Klägers am Abend im Juli 2009 zur Gänze fehlen, bringt doch die Beklagte selbst vor (Seite 2 der ON 12/AS 73), der Kläger sei im Fall von Reservierungen und an drei Tagen Ende Juli 2009 zur Arbeitsleistung am Abend herangezogen worden. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg die Aussagen der von ihr geführten Zeugen für sich ins Treffen führen, zumal daraus für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen ist. Abgesehen davon, dass die Berufung gar nicht darlegt, aus welchen Erwägungen den Zeugenaussagen eher zu folgen gewesen wäre als der Darstellung des Klägers, auf welche das Erstgericht die bekämpften Feststellungen stützt, konnte etwa die Zeugin F***** über die Arbeitsleistungen des Klägers am Abend keinerlei Angaben machen.

Die Aussage der Zeugin C*****, nach deren Angaben die Beklagte "fast immer durchgehend im Geschäft war", ist schon durch das Prozessvorbringen und die Parteienaussage der Beklagten eindeutig widerlegt. Auch der Umstand, dass der Kläger die von ihm zunächst in seinem Kalender notierten Arbeitszeiten allenfalls doch in einen anderen Kalender übertragen hat, spricht für sich allein nicht zwingend gegen die Richtigkeit der von ihm getätigten Arbeitszeitaufzeichnungen.

Auch die weiters bekämpfte Negativfeststellung zur Frage, ob und inwieweit der Kläger allenfalls Fehlbeträge an Bargeld bzw Fehlbestände an Zigaretten zu verantworten habe, ist unbedenklich. Es gehört zum Wesen von Zivilprozessen, dass sich über prozessrelevante Tatsachen häufig völlig unterschiedliche Darstellungen gegenüberstehen. In einem solchen Fall hat das Gericht gemäß § 272 ZPO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob es einer tatsächlichen Angabe (etwa der Aussage einer Partei oder eines Zeugen) das zur Anwendung kommende Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0110701) beizumessen vermag. Sofern das Gericht bei keiner der Darstellungen zur Überzeugung dieser hohen Wahrscheinlichkeit gelangt, hat es dies (auch) im Rahmen der Tatsachenfeststellungen durch eine entsprechende Negativfeststellung zum Ausdruck zu bringen (3 Ob 314/97s ua).

Das Erstgericht hat sich auch mit dieser Frage im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich befasst und dargelegt, warum es die für eine positive Feststellung geforderte Überzeugung nicht zu gewinnen vermochte und ist demgemäß folgerichtig mit einer Negativfeststellung vorgegangen. Nun ergibt sich zwar aus der Aussage der Beklagten (Seite 12 der Streitverhandlung vom 14.4.2010/AS 131 verso oben), dass sie an drei Tagen hintereinander Fehlbeträge aus der Brieftasche feststellen musste, jedoch ist damit eine Täterschaft des Klägers nicht eindeutig erwiesen, steht doch unbekämpft fest, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger 14 Tage nach der Entlassung erklärte, dass sie erst genau wissen müsse, ob wirklich Geld fehlen würde. Damit ist ihre Aussage, wonach sie diese Fehlbeträge von insgesamt € 247,-- in den letzten Tagen der klägerischen Tätigkeit festgestellt habe, nicht in Einklang zu bringen.

Zusammenfassend sind die Berufungsausführungen nicht geeignet, Bedenken des Berufungsgerichts an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu wecken. Ausgehend von dem demnach als richtig und vollständig zu übernehmenden Sachverhalt (§ 498 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1) versagt auch die Rechtsrüge.

Insoweit in dieser sekundäre Feststellungsmängel zum "Verhalten des Beklagten (gemeint offenbar: Klägers) im Dienst" geltend gemacht werden, ist dies einerseits völlig inhaltsleer, andererseits liegen diesbezüglich durchaus - im Übrigen unbekämpft gebliebene - Feststellungen (vgl US 8 Mitte/9 oben) vor. Vor allem aber steht dieser Argumentation - worauf der Kläger zutreffend hinweist - die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung zu allfälligen Fehlbeständen entgegen. Abgesehen davon steht im Hinblick auf das Prozessvorbringen der Beklagten in ON 12 gar nicht fest, ob sich diese nun tatsächlich auf eine berechtigte Entlassung beruft oder aber auf einen unberechtigten Austritt des Klägers.

Es bedurfte auch keiner zusätzlichen Feststellungen zu den letzten drei Tagen des Dienstverhältnisses, weil auch den diesbezüglich begehrten Feststellungen die getroffene Negativfeststellung unverrückbar entgegensteht (vgl 9 ObA 86/08z; 272/01t).

Die angefochtene Entscheidung entspricht somit in der Hauptsache der Sach- und Rechtslage, weshalb der Berufung diesbezüglich ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG. Im Hinblick auf die jeweils erfolglosen Berufungen in der Hauptsache haben sich die Parteien die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen, was den aus dem Spruch ersichtlichen saldierten Betrag ergibt.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO besteht für eine Revisionszulassung kein Anlass.

Zur Berufung im Kostenpunkt:

Die Beklagte wendet sich diesbezüglich gegen die Honorierung des Schriftsatzes des Klägers ON 16 und gegen einen überhöhten Zuspruch an Barauslagen.

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass die klagende Partei zu Beginn der Tagsatzung vom 14.4.2010 auf eine Honorierung des Schriftsatzes ON 16 ausdrücklich verzichtet hat. Ungeachtet dessen wurde dieser Schriftsatz in das Kostenverzeichnis der klagenden Partei aufgenommen, ohne dass dem Protokoll diesbezügliche Einwendungen seitens der Beklagten entnommen werden könnten.

Gemäß § 54 Abs 1a ZPO ist das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen, der hiezu binnen einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen kann. Soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, hat das Gericht diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte in der Tagsatzung vom 14.4.2010 Einwendungen erhoben hätte. Dass ihr das Kostenverzeichnis nicht ausgefolgt worden wäre, wird im Rekurs nicht einmal behauptet. Das Rekursgericht teilt die Rechtsauffassung des Klägers, dass die Beklagte ungeachtet der eingangs der Tagsatzung vom 14.4.2010 abgegebenen Verzichtserklärung auf die Honorierung des Schriftsatzes ON 16 zur Erhebung von Einwendungen verpflichtet gewesen wäre, da nur auf diese Weise dem Gesetzeszweck der genannten Bestimmung entsprochen werden kann. Dazu kommt, dass die Partei schon ganz grundsätzlich im Sinn des § 54 Abs 1 ZPO durch Legung des Kostenverzeichnisses zum Ausdruck bringt, Kostenersatz im verzeichneten Umfang zu beanspruchen. Wenn also der Kläger ungeachtet der abgegebenen Verzichtserklärung Kosten für den Schriftsatz ON 16 verzeichnet und damit dessen Ersatz beansprucht hat, wäre es Sache der Beklagten gewesen, auf die abgegebene Verzichtserklärung durch Erhebung entsprechender Einwendungen hinzuweisen. Die Honorierung seitens des Erstgerichts ist demnach nicht zu beanstanden.

Richtig ist allerdings, dass der Zuspruch der Barauslagen durch das Erstgericht der Höhe nach nicht nachvollziehbar ist. Das Erstgericht hat zwar richtiger Weise die verzeichneten ERV-Gebühren nicht zu den Barauslagen gerechnet, da es sich dabei nicht um Barauslagen im Sinn des § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO handelt, sondern gemäß § 23a RATG um eine Erhöhung der Entlohnung des Rechtsanwalts. 22 % der Verdienstsumme errechnen sich daher tatsächlich mit den zugesprochenen € 486,87 (darin € 81,14 USt). An Barauslagen hat jedoch der Kläger lediglich die Pauschalgebühr in Höhe von € 92,-- verzeichnet, wovon ihm entsprechend den zutreffenden Rekursausführungen 61 % zustehen, somit ein Betrag von € 56,12. Von diesem sind 39 % der von der Beklagten entrichteten Zeugengebühr von € 4,--, somit ein Betrag von € 1,56 in Abzug zu bringen. Der gesamte Kostenersatzanspruch des Klägers errechnet sich demgemäß mit € 541,43 (darin € 54,56 Barauslagen und € 81,14 USt). In diesem Umfang ist dem Rekurs der Beklagten Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung abzuändern, im Übrigen jedoch zu bestätigen.

Ein (gesonderter) Kostenzuspruch im Rekursverfahren (richtig eigentlich: in Bezug auf die Berufung im Kostenpunkt und deren Beantwortung) kommt nicht in Betracht, weil diese Teil der Berufung bzw Berufungsbeantwortung sind und mit den Kosten für diese Schriftsätze abgegolten werden (RIS-Justiz RS0119892, RS0087844; 9 ObA 14/08m uva).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Textnummer

EG00069

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2010:0080RA00077.10W.0915.000

Im RIS seit

08.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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