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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Marktgemeinde Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, Lerchengasse 14, gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 26. Juli 2000, Zl. RU1-V- 00046/00, betreffend Aufhebung eines Bescheides gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 in einer Bausache (mitbeteiligte Partei:
Eugenie Pöpperl in Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Wien XVI, Schuhmeierplatz 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1999, Zl. 99/05/0085, wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 42 Abs. 4 VwGG der auf § 113 Abs. 2b der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, gestützte, bei der Marktgemeinde Maria Enzersdorf am 7. April 1997 eingelangte Feststellungsantrag der mitbeteiligten Partei vom 3. April 1997 zurückgewiesen. Diesem Erkenntnis lag eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG zu Grunde, in welcher die mitbeteiligte Partei behauptete, der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde hätte über ihren Feststellungsantrag vom 3. April 1997 nicht entschieden, weshalb sie am 24. November 1997 einen Devolutionsantrag eingebracht habe. Der Gemeinderat sei ebenfalls untätig geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete in diesem Erkenntnis den Devolutionsantrag vom 24. November 1997 für zulässig und hat den Übergang der Zuständigkeit an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde gemäß § 73 Abs. 2 AVG angenommen, jedoch zu Recht erkannt, dass auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1999, G 132/98-9, u.a. die rechtliche Grundlage für den Antrag vom 3. April 1997 weggefallen ist.
In ihrer zu hg. Zl. 99/05/0292 protokollierten Säumnisbeschwerde führte die hier mitbeteiligte Partei aus, ihr (Devolutions-)Antrag vom 24. November 1997 weiche inhaltlich von ihrem Erstantrag (vom 3. April 1997) erheblich ab. Da der Bürgermeister der hier beschwerdeführenden Marktgemeinde bescheidmäßig über ihren Antrag vom 24. November 1997 nicht entschieden habe, habe sie am 24. Juni 1999 einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG eingebracht. Weder durch den Bürgermeister noch durch den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde sei bis heute bescheidmäßig über ihren am 24. November 1997 gestellten Antrag entschieden worden.
Mit hg. Beschluss vom 21. Februar 2000, Zl. 99/05/0292-2, wurde die hier beschwerdeführende Marktgemeinde als belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Dieser Aufforderung wurde Folge geleistet; der Gemeinderat hat mit Bescheid vom 30. März 2000 den Devolutionsantrag der mitbeteiligten Partei vom 24. Juni 1999 als unzulässig zurückgewiesen.
Mit hg. Beschluss vom 21. April 2000, Zl. 99/05/0292-5, wurde dieses Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingestellt.
Im vorgenannten (nachgeholten) Bescheid vom 30. März 2000 hat der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde begründend ausgeführt, dass ein Antrag, der das Entstehen der behördlichen Entscheidungspflicht (abgesehen von dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. April 1997, der Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 17. Mai 1999, Zl. 99/05/0085, gewesen ist) ausgelöst hätte, von der Beschwerdeführerin nicht eingebracht worden sei. Somit habe eine Entscheidungspflicht des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde nicht entstehen können. Der Devolutionsantrag vom 24. Juni 1999 sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, diesen Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde verwiesen. Hiezu führte die belangte Behörde in der Begründung aus, dadurch, dass die hier mitbeteiligte Partei in ihrer (zur hg. Zl. 99/05/0292 protokollierten) Säumnisbeschwerde die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 113 Abs. 2b der NÖ Bauordnung 1976 beantragt habe und der Verwaltungsgerichtshof den Gemeinderat aufgefordert habe, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid über den Antrag vom 24. November 1997 zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, sei der Gemeinderat verpflichtet gewesen, binnen drei Monaten den in der Säumnisbeschwerde beantragten Feststellungsbescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege. Über den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung (Devolutionsantrag) selbst hätte jedoch der Gemeinderat nicht entscheiden dürfen, da bereits mit Einlangen der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verletzung der Entscheidungspflicht auf diesen übergegangen und daher die Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nur im oben dargelegten Sinn zu verstehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Marktgemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.
Durch einen Auftrag nach § 36 Abs. 2 VwGG wird auf den Inhalt des zu ergehenden Bescheides kein Einfluss genommen, weshalb die belangte Behörde über den Devolutionsantrag auch noch mit Zurückweisung entscheiden kann, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Antrag nicht vorliegen. Die Richtigkeit des Bescheides der belangten Behörde ist in einem weiteren Rechtszug zu prüfen.
Die belangte Behörde wird demnach vom Gesetz als zur Erlassung des Bescheides zuständig behandelt, wenn innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht nur der Bescheid erlassen sondern auch eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wird.
Auf Grund der Säumnisbeschwerde im hg. Verfahren zu Zl. 99/05/0292 wurde daher der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde durch den hg. Beschluss vom 21. Februar 2000 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG zur Erlassung des Bescheides innerhalb der gesetzten Dreimonatsfrist zuständig. Insoweit der Gemeinderat aber über eine Sache entschieden hat, die nicht von der Säumnisbeschwerde der mitbeteiligten Partei erfasst war, wurde die Entscheidungsbefugnis des Gemeinderates der Beschwerdeführerin durch diese Beschwerde nie berührt. Da der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde innerhalb der mit hg. Beschluss vom 21. Februar 2000 gesetzten Frist jedenfalls entschieden hat und sein Bescheid gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassen worden ist, ist er im Sinne des § 36 Abs. 2 VwGG jedenfalls als zur Erlassung des Bescheides zuständig zu behandeln. Der von der belangten Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegte Aufhebungsgrund ist mit der Rechtslage nicht vereinbar.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung derselben.
Wien, am 30. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000050206.X00Im RIS seit
02.04.2001