TE OGH 2010/9/16 12Os35/10d

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Veröffentlicht am 16.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emilija P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Emilija P***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. November 2009, GZ 121 Hv 36/09i-118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten P***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche Mitangeklagter enthaltenden - Urteil wurde Emilija P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie

I./ in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern in arbeitsteiliger Begehungsweise mit dem Vorsatz, sich oder andere durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung (schwerer Betrügereien - US 22) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Angestellte der B***** durch Vorlage gefälschter Kopien von Reisepässen, Meldezetteln und Lohnbestätigungen, mithin durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit der großteils unbekannt gebliebenen Kreditnehmer unter Benützung falscher Urkunden und Beweismittel zur Auszahlung der unter 1./ bis 12./ des Urteilstenors genannten Kredite in einer Höhe zwischen 15.000 und 27.000 Euro, somit zu Handlungen verleitet, die das genannte Kreditinstitut in einem 50.000 Euro mehrfach übersteigenden Betrag schädigten, indem sie die jeweiligen Kreditnehmer an Gabriele H***** zur Kreditvergabe vermittelte, wobei sie wusste, dass die von ihr vermittelten Personen kreditunwürdig waren, falsche Urkunden vorlegten und Falschnamen führten;

II./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 29. November 2007 dadurch, dass sie dem (dafür bereits rechtskräftig zu AZ 141 Hv 73/08a des Landesgerichts für Strafsachen Wien verurteilten) Nevzat H***** an die B***** als Kreditnehmer vermittelte und den Tatplan mit ihm besprach, zur Ausführung der strafbaren Handlung des Nevzat H***** alias „Roberto B*****“ beigetragen, der mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, unter Verwendung falscher Urkunden Verfügungsberechtigte der B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich rückzahlungsfähiger und -williger Kreditnehmer namens „Roberto B*****“ zu sein, zur Auszahlung eines Kredites in der Höhe von 50.000 Euro zu verleiten versuchte, die die B***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Emilija P*****, der keine Berechtigung zukommt.

Unter Z 3 rügt die Beschwerdeführerin das Unterbleiben der Belehrung ihres Erachtens wegen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung entschlagungsberechtigter Zeugen, übersieht jedoch, dass die in §§ 157 Abs 2, 159 Abs 3 StPO statuierte Nichtigkeitssanktion nicht für die Vernehmung von nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO zur Verweigerung der Aussage berechtigten Personen gilt (Kirchbacher, WK-StPO, § 159 Rz 24 bis 26).

Die Unvollständigkeit behauptende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vermisst eine nähere Auseinandersetzung mit Aussagen der Zeuginnen Petra S***** (Faktum I./6./), Ramona Pr***** (Faktum I./9./) und Bianca Po***** (Faktum I./4./) im Zusammenhalt mit einer von der B***** vorgelegten Liste, aus der die erfolgte Prüfung von Kreditanträgen durch die genannten Zeuginnen ersichtlich sei. Da diese Kritik jedoch bloß die Qualifikation (auch) nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB von drei der zwölf unter Punkt I./ angeführten Taten betrifft, stellt sie keine entscheidende Tatsache in Frage, weil die nach § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit jedenfalls unberührt bleibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 401; RIS-Justiz RS0113903).

Im Übrigen bekämpft die Beschwerdeführerin im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässiger Weise lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, die der Beteuerung der Bankangestellten, es wären bei der Kreditvergabe Originalausweise vorgelegt worden, mit eingehender Begründung nicht gefolgt sind (US 27, 34 bis 37). Diese steht nicht im Widerspruch zu der in Rede stehenden Liste (S 103 in ON 28), aus der das Einschreiten der genannten Zeuginnen in einzelnen Kreditfällen ersichtlich ist, sodass dieses Schriftstück auch nicht gesondert erörterungsbedürftig war.

Dass der Mitangeklagte Samir K***** eine Involvierung in das Tatgeschehen anlässlich seiner Verhaftung geleugnet und nur das zugestanden habe, was der Kriminalpolizei bereits durch die Angaben der Angeklagten P***** bekannt gewesen sei, haben die Tatrichter dem neuerlichen Vorwurf der Unvollständigkeit zuwider ohnedies in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogen, gingen sie doch ausdrücklich davon aus, dass sich dieser (bloß) „nahezu von Anfang an“ geständig verantwortete (US 27).

Einer Kontaktaufnahme des Samir K***** mit dem unbekannt gebliebenen „Safet“ steht nicht entgegen, dass er dessen Telefonnummer der Kriminalpolizei mit der Begründung nicht bekanntgab, er habe sie nicht gespeichert (S 115 in ON 6). Auch mit diesem Umstand musste sich das Erstgericht daher nicht auseinandersetzen.

Mit dem Einwand, einzelne - ungewürdigt gebliebene - Angaben des Mitangeklagten Samir K***** sowie der Zeugen Dzanic A***** und Richard G***** „legen jedenfalls nahe, dass auch Emilija P***** sowie Gabriele H***** von Samir K***** getäuscht wurde“, verlässt die Mängelrüge den gesetzlichen Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes und wendet sich neuerlich unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung, zumal ein Begründungsmangel nicht schon deshalb gegeben ist, weil - dem Gebot gedrängter Darstellung folgend - nicht sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht wurden, wieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428; RS0098778, RS0106295, RS0106642).

Weshalb zu II./ das geänderte Aussageverhalten des Zeugen H***** zur Herstellung der falschen Lohnbestätigungen und des Zeugen B***** zur „Drohung“ (nichts Falsches auszusagen) durch die Angeklagte eine entscheidende oder erhebliche Tatsache (vgl hiezu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff, 409 ff) betreffen sollte, wird in der Beschwerde nicht deutlich gemacht.

Soweit die Rüge behauptet, die Angeklagte habe die richtige Identität des Nevzat H***** nicht gekannt, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, weil das Erstgericht - unabhängig hievon - als erwiesen annahm, dass Emilija P***** um die Verwendung falscher Papiere, insbesondere der gefälschten Lohnbestätigungen, wusste (US 23 f).

Weshalb das Erstgericht auf die Aussage des Milos C***** im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung (ON 19/S 5 ff im Beiakt AZ 141 Hv 73/08a des Landesgerichts für Strafsachen Wien) einzugehen gehabt hätte, bleibt unerfindlich. Denn dessen Angabe, Emilija P***** hätte 5.000 Euro Provision bekommen sollen, steht den getroffenen Feststellungen ebenso wenig entgegen wie dessen Behauptung, ihm (und nicht wie in der Beschwerdeschrift unklar „ich“) sei auch nicht bekannt gewesen, dass Nedjo (= Nevzat H*****) die Kreditaufnahme mit gefälschten Unterlagen versuchte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00035.10D.0916.000

Im RIS seit

10.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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