Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christa G***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Christa G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. Mai 2010, GZ 10 Hv 51/10v-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Schuldsprüche betreffend Johann J***** und Christian Z***** enthaltenen Urteil wurde Christa G***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (I. 1. b. und I. 2. b.) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (IV. 3.) schuldig erkannt.
Danach haben in Leibnitz, Graz und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift
I./ in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
1./ ein- und ausgeführt, und zwar
a./ Johann J*****, indem er von Anfang des Jahres 1997 bis 20. April 2002 bei zumindest fünf Ankäufen ca 10.000 Gramm Cannabisharz in seinem Rucksack versteckt am Luftweg von Indien nach Österreich schmuggelte;
b./ Christa G*****, indem sie
- von 1997 bis 2005 bei insgesamt fünf Schmuggelfahrten ca 3.500 Gramm Cannabisharz in Indien kaufte und nach Österreich schmuggelte, und zu den Tathandlungen I./1./a./ des Johann J***** dadurch beitrug, dass sie die Kontakte zu den Suchtgiftverkäufen in Indien herstellte und auch Tipps, die für den Import des Suchtgifts, insbesondere für die Verpackung und Formgebung und das Verstecken im Reisegepäck gab,
- von Jänner 2008 bis Jänner 2010 bei mehreren Fahrten insgesamt ca 100 Gramm Cannabiskraut von Österreich nach Deutschland und weitere ca fünf Gramm Cannabisharz von Österreich nach Ungarn schmuggelte;
2./ anderen durch gewinnbringenden Verkauf gewerbsmäßig überlassen, und zwar
a./ Johann J*****, indem er von 1997 bis 2002 und erneut von Anfang des Jahres 2008 bis 1. Februar 2010, insgesamt ca 12.319 Gramm Cannabisharz und ca 1.300 Gramm Cannabiskraut (gesamt ca 13.619 Gramm Cannabisprodukte) verkaufte;
b./ Christa G*****, indem sie von Anfang des Jahres 1997 bis 1. Februar 2010 insgesamt 13.620 Gramm Cannabisharz und eine unbekannte Menge Amphetamin verkaufte, sowie zu den zu I./2./a./ genannten Tathandlungen des Johann J***** bezüglich einer unbekannten Menge von Cannabisprodukten dadurch beitrug, dass sie etwa fünf sogenannte Goa-Partys organisierte und dadurch den Kontakt des Johann J***** zu seinen Abnehmern herstellte;
II./ Christian Z***** von Anfang des Jahres 2005 bis 1. Februar 2010 in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt 3.570 Gramm Cannabisharz und 278 Gramm Amphetamin verkaufte;
III./ Johann J***** mit dem gesondert verfolgten Konrad P***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem er von Anfang des Jahres 1998 bis Ende des Jahres 2002 bei zumindest drei Anbauperioden insgesamt ca 2.000 Gramm Cannabiskraut erntete;
IV./ erworben und besessen, und zwar
1./ Johann J*****, indem er von Anfang des Jahres 1997 bis 1. Februar 2010 unbekannte Mengen Cannabisprodukte, Substitol-Kapseln á 200 mg und Amphetamin konsumierte;
2./ Christian Z*****, indem er von Anfang des Jahres 2005 bis 1. Februar 2010 unbekannte Mengen Cannabisprodukte und Amphetamin konsumierte;
3./ Christa G*****, indem sie von Anfang des Jahres 1999 bis 1. Februar 2010 unbekannte Mengen Cannabisprodukte, Amphetamin und Ecstasy-Tabletten konsumierte.
Rechtliche Beurteilung
Lediglich die Schuldsprüche I./1./b./ und I./2./b./ bekämpft die Angeklagte Christa G***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Unter § 281 Abs 1 Z 3 StPO rügt die Beschwerdeführerin eine unzureichende Tatindividualisierung (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), ohne den Bezug ihrer Beitragshandlungen zu der Johann J***** angelasteten Tat (Schuldspruch I./1./a./) zu berücksichtigen. Die Rechtsmittelwerberin zeigt nicht auf, weshalb unklar bleibt, welcher Tat sie schuldig erkannt und die Anklage damit erledigt wurde (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 268).
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Undeutlichkeit hinsichtlich eines Teils der in den Schuldsprüchen I./1./b./ und I./2./b./ angeführten Suchtgifte, weil diesbezüglich keine klaren Mengenangaben enthalten sind. Die Beschwerde übergeht allerdings, dass die Angeklagte nach den Urteilsannahmen mit Additionsvorsatz mehrfach verschiedene Suchtgifte geschmuggelt und anderen überlassen hatte, wobei allein schon in Bezug auf Cannabisharz bei der Aus- und Einfuhr ein das 67-fache der Grenzmenge überschreitendes Suchtgiftquantum und beim Überlassen ein die Grenzmenge mehr als das 68-fache überschreitendes Quantum festgestellt wurde, sodass sowohl in Bezug auf eine reinheitsgradmäßig nicht näher detaillierte Menge von 100 Gramm Cannabiskraut (Schuldspruch I./1./b./) und eines mengenmäßig überhaupt nicht konkretisierten Quantums Amphetamin (Schuldsprüche I./2./b./) die infolge des dargestellten Schmuggels und Verkaufs von reinheitsgradmäßig ausgewiesenen Cannabisprodukten jeweils bereits erfüllten Qualifikationen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht mehr berührt werden und die konkrete Menge dieser Suchtgifte daher nicht mehr entscheidungswesentlich ist.
Entgegen dem weiteren Vorbringen begründete das erkennende Gericht die Feststellung zum Vorliegen eines Additionsvorsatzes in Bezug auf alle betroffenen Suchtgifte (US 15), sodass von einer fehlenden Begründung keine Rede sein kann.
Gleiches gilt für die Urteilsannahme, wonach bei den geschmuggelten und verkauften Cannabisprodukten von einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 10 % auszugehen ist, stützten sich doch die Tatrichter der Beschwerde zuwider aktenkonform auf die entsprechenden Geständnisse der Mitangeklagten J***** (S 3 ff in ON 85) und Z***** (S 9 ff in ON 85), die - im Übrigen in Übereinstimmung mit der Verantwortung der Nichtigkeitswerberin (S 11 ff in ON 85) - beide angaben, die bei ihnen inkriminierten (solcherart auch die Beschwerdeführerin betreffenden) Suchtgiftprodukte von Christa G***** erhalten zu haben (US 13 f) und auf die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen der sichergestellten Suchtgifte (US 15).
Der weiteren Beschwerde zuwider kommt es auf die konkrete Menge der von der Rechtsmittelwerberin an Johann J***** weitergegebenen Suchtgiftprodukte nicht an, stellte doch das Erstgericht auf der Basis der geständigen Einlassung der Angeklagten (US 17) zusammenfassend fest, dass Christa G***** jedenfalls 13.620 Gramm Cannabisharz an diverse Abnehmer, unter anderem auch an Johann J***** verkaufte (US 11).
Der Einwand schließlich, wonach das von der Nichtigkeitswerberin abgelegte Geständnis das Gericht nicht von der Erforschung der materiellen Wahrheit enthebt, übergeht, dass die Tatrichter diese Einlassung mit den korrespondierenden geständigen Verantwortungen der Angeklagten J***** und Z***** abglichen und auch durch die übrigen Beweisergebnisse als bestätigt ansahen (US 16 f). Weshalb solcherart eine unzureichende Begründung vorliegen sollte, wird im Rechtsmittel nicht weiter dargetan.
Der Einwand einer unzureichenden Begründung der im Urteilstenor zu I./2./b./ angeführten gewerbsmäßigen Begehungsweise übergeht, dass diese kein Tatbestandsmerkmal des dazu angelasteten Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG darstellt.
Soweit die Beschwerdeführerin einen Begründungsmangel zur verfügten Abschöpfung der Bereicherung behauptet, wird lediglich ein Berufungsgrund dargetan.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet unzureichende Feststellungen zur Zusammenrechnung von überlassenen bzw geschmuggelten Suchtgiftmengen sowie zu dem darauf bezogenen Additionsvorsatz. Die Beschwerde übergeht insoweit die genau darauf abstellenden Urteilsannahmen (US 11 f und US 14 f). Damit wird der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß dargestellt.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft die Annahme einer gewerbsmäßigen Tatbegehung, übergeht indes abermals, dass der Angeklagten kein durch die Gewerbsmäßigkeit qualifizierter Straftatbestand angelastet wurde.
Die Sanktionsrüge (Z 11) reklamiert zunächst unter Verweis auf den angenommenen Erschwerungsgrund der Gewerbsmäßigkeit einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, lässt aber neuerlich außer Acht, dass der Nichtigkeitswerberin kein durch gewerbsmäßige Begehungsweise qualifiziertes Delikt zur Last liegt.
Im Übrigen bekämpft die Rechtsmittelwerberin die Erwägungen des Schöffengerichts zur Strafbemessung und bringt solcherart lediglich eine Berufung zur Ausführung.
Soweit fehlende Sachverhaltsgrundlagen für die verfügte Abschöpfung der Bereicherung und damit ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung vorgebracht werden, wird abermals kein Nichtigkeitsgrund ausgeführt, ist doch die Korrektheit der Sachverhaltsermittlung (welche Verfahrens-, Mängel- und Tatsachenrüge bei der Schuldfrage [§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO] in formalisierter, solcherart möglichst gleichgerechter Weise sicherstellen) vom Wortlaut und Zweck des § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO nicht erfasst (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680 mwN). Derartige Kritik zur Sachverhaltsermittlung kann (ohne Behinderung durch das Neuerungsverbot) nur mit Berufung eingefordert werden (vgl RIS-Justiz RS0099869; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass aufgrund der Feststellungen, dass der Johann J*****, Christian Z***** und Christa G***** zu Schuldspruch IV./ wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG jeweils angelastete Erwerb und Besitz diverser Suchtgiftprodukte lediglich dem Eigenkonsum diente (US 4 und US 13), daher bei den Angeklagten infolge der ausschließlich zum eigenen persönlichen Gebrauch erfolgten Tatbegehung die vom Erstgericht nicht angenommene Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG zum Tragen gekommen wäre. Da dieser Umstand angesichts der Strafbemessung nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG bei Johann J***** und Christa G***** sowie nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG bei Christian Z***** ohne nachteilige Wirkung für die Angeklagten war, bedurfte es keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.
Sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichen Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für die Angeklagte nicht zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, so besteht bei der Entscheidung über die Berufung insoweit auch keine (der Berufungswerberin nachteilige) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27a; RIS-Justiz RS0118870; Fabrizy, StPO10 § 290 Rz 6).
Sollte das Berufungsgericht, welches an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Berufungsgründe nicht gebunden ist (vgl 13 Os 122/02; 13 Os 21/04), in Stattgebung der Berufung der Christa G***** mit Blick auf die privilegierte Tatbegehung zu Schuldspruch IV./ die über diese Angeklagte verhängte Strafe herabsetzen, wäre ohnehin bei den Mitangeklagten nach § 295 Abs 1 zweiter Satz StPO vorzugehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E95170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00124.10T.0916.000Im RIS seit
28.10.2010Zuletzt aktualisiert am
28.10.2010